Dieser Beitrag erschien zuerst bei Belltower News.
Am Mittwochabend wurde im Bundestag ein Antrag der rechtsextremen AfD über den Stopp der Förderung der Amadeu Antonio Stiftung debattiert. Demokratische Politiker*innen von CDU/CSU, Grüne, SPD und Linke konterten. Die Stiftung prüft nun rechtliche Schritte.
Rechtsextreme Attacke
Am 11. November hat die AfD einen Antrag im Deutschen Bundestag eingereicht, mit dem sie fordert, die staatliche Finanzierung der Amadeu Antonio Stiftung zu beenden. Der Antrag markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Kampagne gegen die Stiftung, aber auch gegen die Zivilgesellschaft und vor allem gegen alles, was der AfD im Wege steht.
Das zeigt sich auch in der Debatte im Bundestag. Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner, dessen Immunität als Bundestagsabgeordneter mehrfach wegen Ermittlungen aufgehoben wurde und der 2020 Schlagzeilen machte, weil er sich in einer ICE-Toilette eingesperrt haben soll, nachdem ein Schaffner ihn zum Tragen einer Atemschutzmaske aufgefordert hatte, war der erste Redner zum Tagesordnungspunkt „Staatliche Finanzierung der Amadeu Antonio Stiftung aus Bundesmitteln beenden“.
Brandner schimpfte mit Verweis in Richtung der Abgeordneten von Grünen und Linken auf die „geballte links-woke weniger demokratische Schickeria“ und fragte ins Plenum, ob hier jemand Maßnahmen der Stiftung nennen könnte, die „Deutschland ein kleines bisschen besser gemacht“ hätten. Prompt entgegnete Konrad Körner von der CSU: „Wie finden Sie die Kampagne ‘Jetzt du! Wir zusammen.’ gegen Antisemitismus und Judenhass?“ Körner bezieht sich damit auf die aktuelle Kampagne der Aktionswochen gegen Antisemitismus und fragt nach, ob Brandner nicht der Meinung sei, dass eine Kampagne gegen Antisemitismus Deutschland voranbringe? Eine kohärente Antwort des AfD-Abgeordneten bleibt aus.
Brandner wiederholt in seinem Beitrag die immer gleichen Anschuldigungen gegenüber der Stiftung und ihrer Gründerin Anetta Kahane, allesamt längst entkräftet. Zum Beispiel hier, hier und hier.
Im Bundestag scheint es angekommen zu sein, dass der AfD-Antrag nur der neueste Versuch ist, die Amadeu Antonio Stiftung, aber auch alle, die etwas gegen Rassismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus haben, mundtot zu machen.
Marvin Schulz (CDU): „Die finanzielle Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements ist kein Stromkreis“
Das hat sich auch in denjenigen Fraktionen herumgesprochen, die manchmal selbst Kritik an der Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung üben. Marvin Schulz (CDU) bekennt sich dann auch deutlich zur Demokratieförderung: „Die finanzielle Förderung zivilgesellschaftlichen Engagements ist kein Stromkreis, den wir nach Belieben abschalten können, nur weil uns das Licht nicht gefällt.“ Der Abgeordnete befürwortet die von Bildungsministerin Karin Prien (CDU) angekündigte Überprüfung der Förderprogramme, sagt aber auch: „Kritik ja, Kontrolle selbstverständlich, aber Vorverurteilung nicht.“
Misbah Khan (Bündnis 90/Die Grünen): „AfD-Fraktion erklärt die komplette demokratische Zivilgesellschaft zum Feind.“
Deutlich auch Misbah Khan von den Grünen: „Der Versuch, unabhängige Organisationen zum Schweigen zu bringen, folgt einem klaren Muster: dem autoritären Versuch, unsere Freiheit und unsere Demokratie anzugreifen. Und die AfD-Fraktion erklärt mit diesem Antrag die komplette demokratische Zivilgesellschaft zum Feind.“ Denn die Kampagne der AfD und eben auch dieser Antrag seien eigentlich nur der erste Schritt: „Was heute für die Stiftung gefordert wird von der AfD, das könnte morgen genauso gut für andere Organisationen gefordert werden: für die Konrad-Adenauer-Stiftung, für die Landjugend, für den Zentralrat der Jüdinnen und Juden, für den Bauernverband oder für das Anne Frank Zentrum“, so Khan. „Und es wird nicht aufhören, bis alle Stimmen, die unliebsam sind, zum Schweigen gebracht worden sind. Das ist das autoritäre Muster, das wir in diesem Land nicht zulassen dürfen.“
Khan macht deutlich, wie wichtig die Arbeit der Stiftung ist, und erwähnt, unter höhnischen Zwischenrufen aus der AfD-Fraktion, ebenfalls die Arbeit der Aktionswochen gegen Antisemitismus, die jährlich rund um den 9. November stattfinden: „Und angesichts der Tatsache, dass man der AfD vieles vorwerfen kann, aber sicher nicht, dass sie die Bedeutung von historischen Daten nicht versteht, ist dieser Angriff auf eine Organisation, die sich gerade für die Aktionswochen gegen Antisemitismus in diesem November einsetzt, an Bösartigkeit und Menschenverachtung kaum zu überbieten“, so Khan.
Felix Döring (SPD): „Sie sind gesichert rechtsextrem.“
Felix Döring (SPD) macht deutlich, dass die AfD auch deswegen aus allen Rohren gegen die Amadeu Antonio Stiftung schießt, weil sie seit Jahren vor Rechtsextremismus und seinen Auswirkungen warnt: „Die Stiftung hat schon sehr früh und schon sehr klar herausgearbeitet, was der Verfassungsschutz jetzt auch einige Zeit später bestätigt hat: Sie sind gesichert rechtsextrem. Vom Rechtsextremismus geht die größte Gefahr für unsere Gesellschaft aus. Das teilen übrigens auch weite Teile der Bevölkerung.“
Entlarvend der Zwischenruf von Beatrix von Storch, immerhin Enkelin von Hitlers Finanzminister und gleichzeitig Antisemitismusbeauftragte der Partei: „Immer weniger!“ Angesichts der Zahlen aus der aktuellen Mitte-Studie, die tatsächlich wachsende Zustimmungsraten für rechtsextreme Positionen verzeichnet, fordert Döring die Förderung der Stiftung auszuweiten statt sie einzustellen.
Der Abgeordnete stellt auch klar: „Die geförderten Projekte sind öffentlich einsehbar, sie sind fachlich geprüft, und sie sind wissenschaftlich evaluiert“. Döring macht deutlich: Gegenüber Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus gibt es keine Neutralität. „Demokraten können nicht neutral sein gegenüber dem Rechtsextremismus, so wie die Feuerwehr auch nicht neutral sein kann gegenüber einem Wohnungsbrand. Die Amadeu Antonio Stiftung arbeitet Tag für Tag dafür, dass es weniger brennt, während Sie Tag für Tag dafür arbeiten, dass ein Feuer nach dem nächsten gelegt wird.“
Clara Bünger (Die Linke): „Die AfD ist die größte Gefahr für unsere Gesellschaft“
Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger wird ebenso deutlich: Die AfD hetzte gegen Minderheiten, Asylsuchende und Menschen mit Migrationshintergrund, sie „verbreitet Antisemitismus und Rassismus, relativiert die Verbrechen des Nationalsozialismus und stellt organisierte Rechtsextremisten als Mitarbeiter ein, sogar verurteilte Gewalttäter. Die AfD ist die größte Gefahr für unsere Gesellschaft“. Genau deshalb sei die Förderung der Amadeu Antonio Stiftung so wichtig, „denn Demokratie gibt es eben nicht zum Nulltarif“.
Die AfD habe „Angst vor Organisationen wie der Amadeu Antonio Stiftung, weil sie das tun, was Sie am meisten fürchten: aufklären, dokumentieren und widersprechen“, so Bünger.
Konrad Körner (CSU): „Setzen, sechs!“
Konrad Körner aus der Unionsfraktion wies in seiner Replik auf den „abstrusen Antrag“ zunächst auf die ideologischen Unterschiede zwischen seiner Partei und der Stiftung hin. Dennoch betonte er ausdrücklich ihre wichtige Arbeit. Im Antrag der AfD sei von einer „umstrittenen Stiftung“ die Rede, doch, so Körner, eine Stiftung dürfe „so umstritten sein, wie sie will“. Auch die Unionsfraktion könne Kritik üben, ohne ihre grundsätzliche Bedeutung infrage zu stellen.
Dann wandte er sich direkt an die AfD: Könne sie konkrete Aussagen darüber machen, bei welchen Projekten tatsächlich etwas schiefgegangen sein soll? „Fehlanzeige!“ Diese Arbeit, so Körner, habe sich die AfD nicht einmal gemacht. Sein Fazit: „Setzen, sechs!“
Unliebsame Kritiker*innen sollen mundtot gemacht werden
Der zweite AfD-Redner, der an diesem Abend die Einstellung der Förderung der Amadeu Antonio Stiftung fordert, ist Gereon Bollmann. Bollmann geriet bisher vor allem in die Schlagzeilen, weil er besonderen Wert auf weiteren Kontakt zu einer inhaftierten Ex-Kollegin legt, der mutmaßlichen Rechtsterroristin Birgit Malsack-Winkelmann. Laut Medienberichten bemühte sich der Abgeordnete um eine dauerhafte Besuchserlaubnis für die in Untersuchungshaft sitzende ehemalige Bundestagsabgeordnete, die wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung angeklagt ist. Als Teil der Reichsbürgergruppe um Heinrich XIII. Prinz Reuß soll Malsack-Winkemann einen Sturz der Bundesregierung mitgeplant und auf die schnelle Umsetzung der Pläne gedrängt haben. Nach dem Putsch hätte die Ex-Richterin Justizministerin werden sollen.
Bollmanns Rolle in der Debatte scheint es zu sein, Brücken zur CDU/CDU-Fraktion zu schlagen. Immer wieder versucht er, die Konservativen zur Empörung anzustacheln. Immerhin habe die Stiftung sogar ein Projekt gefördert, dass an der Mobilisierung zu Merz-kritischen “Stadtbild” Demonstrationen beteiligt war, tatsächlich hatte die Initiative nur die Adresse der Stiftung im Impressum stehen. „Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, ich spreche Sie jetzt mal an: Ist es nicht ein Akt der Selbstachtung, Leute, die sich derartig äußern, von der öffentlichen Alimentierung auszuschließen?“, fragt Bollmann.
Kritik am Regierungshandeln soll nach dem Willen des Abgeordneten also direkte, negative Konsequenzen haben. Ungewollt macht Bollmann damit sein Demokratieverständnis deutlich. Denn laut seiner Argumentation müsste auf zivilgesellschaftliche Kritik an Kanzler und CDU/CSU-Positionen nicht etwa eine Debatte folgen, sondern vielmehr sollte die Regierungspartei einfach unliebsame Kritiker*innen mundtot machen, indem die Förderung direkt eingestellt wird.
Angriff auf Belltower.News
Ein zentraler Bestandteil von Bollmanns Rede war der Versuch, Belltower.News zu diskreditieren. AfD und andere Rechtsextreme nutzen die journalistische Plattform der Amadeu Antonio Stiftung seit Jahren als Feindbild, weil sie regelmäßig über rechtsextreme Netzwerke, Strategien, Hasskampagnen und Desinformation berichtet, auch über die AfD und ihr politisches und journalistisches Vorfeld.
Bollmann verwies auf einen Fall, in dem eine ehemalige Belltower-Autorin einen Angriff auf einen AfD-Politiker „gefeiert“ habe. Dabei ließ er jedoch aus, dass sich die AfD in solchen Fällen meist auf einzelne private Social-Media-Posts bezieht, die in keinerlei Zusammenhang mit der Redaktion stehen, weder inhaltlich noch zeitlich. So verwischt die Partei gezielt die Grenze zwischen persönlicher Online-Kommunikation und journalistischer Arbeit, um Medien zu diskreditieren. Außerdem bezog er sich auf eine Belltower.News-Autorin, die im Zentrum einer rechtsextremen Verleumdungs-Kampagne steht. Er unterstellte ihr indirekt „Verfassungsfeind“ zu sein.
Während Politiker*innen von Union bis Linke die zentrale Rolle der Stiftung im Kampf gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Rassismus betonten, nutzte die AfD die Debatte, um erneut gegen zivilgesellschaftliches Engagement zu agitieren und demokratische Akteure zu delegitimieren.
Amadeu Antonio Stiftung prüft juristische Schritte
Geschäftsführer Timo Reinfrank kündigte nun an, juristisch zu prüfen, „wie wir gegen einzelne falsche und rufschädigende Aussagen sowie gegen Veröffentlichungen der AfD-Fraktion rechtlich vorgehen können“. Zugleich zeigte er sich ermutigt vom geschlossenen Auftreten der demokratischen Fraktionen, die sich klar hinter die Stiftung und andere zivilgesellschaftliche Akteurinnen stellten: „Dieses klare Bekenntnis ist ein wichtiges Signal, für uns und für alle, die sich in Deutschland für Demokratie engagieren.“
Helge Lindh: „Ihr seid nicht allein, und wir lassen euch nicht allein“
Deutlich wird am Ende der Debatte noch einmal Helge Lindh (SPD) der auf die große Putin-Nähe der Rechtsextremen eingeht: „Denn in diesem Putin-Russland, dem Land Ihrer feuchten Träume, wurde die Zivilgesellschaft weitestgehend ausgeschaltet. Genau das ist Ihre Wunschvorstellung.“ Und weiter: „Es war die Amadeu Antonio Stiftung, die als eine der ersten Institutionen auf prorussische Narrative bei Ihnen und auf Ihre Politik der Desinformation hingewiesen hat. Genau das betreiben Sie mit Ihrer Diskreditierungs- und Diffamierungskampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung. Sie wollen letztlich die gesamte demokratiefördernde Zivilgesellschaft plattmachen.“
Lindh geht auf die Bedeutung von Parteilichkeit und Neutralität in der Zivilgesellschaft ein: „Die Zivilgesellschaft ist eben nicht gegen die AfD und für andere Parteien parteiisch im politischen Wettbewerb, nein, sie ist im Wettbewerb demokratischer Haltung parteiisch gegen antidemokratische, verfassungswidrige Haltung.“
Der Abgeordnete macht klar: Demokrat*innen aus allen Lagern unterstützen die Zivilgesellschaft und die Stiftung: „Ihr seid nicht allein, und wir lassen euch nicht allein. Denn ihr habt diejenigen nicht alleingelassen, die schon früh, schon Anfang der 2000er-Jahre unter Antisemitismus litten. Und wir lassen euch nicht allein, weil ihr Rassismus da benannt habt, wo wir es nicht geschafft haben.“
Artikelbild: Christoph Soeder/dpa; 17.05.2024, Berlin: Zwischenruf der AfD-Abgeordneten Beatrix von Storch.
