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So schleust die AfD Rechtsextreme in den Bundestag

von | Mrz 14, 2023 | Aktuelles

Wie gefährlich ist die AfD wirklich? Darüber rätselten Wissenschaftler:innen, Hobbypolitiker:innen und viele Bundestagsabgeordnete seit der Gründung der Partei im Jahr 2013. Spätestens aber seit dem Einzug der Rechtspopulisten in den Bundestag 2017 ist klar, dass die AfD kein Haufen notorischer Nörgler:innen ist, sondern eine waschechte Bedrohung für Deutschlands Demokratie. Auch, indem sie gezielt Rechtsextreme in den Bundestag bringt und sie für sich arbeiten lässt.

Die meisten der 18 Gründungsmitglieder der AfD sind mittlerweile aus der Partei ausgestiegen. Sie wurde ursprünglich von ausschließlich männlichen Professoren und Wirtschaftsexperten gegründet. Hört sich zwar altmodisch-traditionell an, aber Professoren und Wirtschaftsexperten sind doch eigentlich vertrauenswürdig, oder? Nicht im Fall der AfD: Dreck am Stecken hatte die Partei von Anfang an. Der ehemalige stellvertretende Bundessprecher der Partei, Hans-Olaf Henkel, beispielsweise schreckte nicht davor zurück, gemeinsam mit Rechtsextremen die Partei aufzubauen und dabei von deren Netzwerken in die Szene zu profitieren.

Im Laufe der politischen Etablierung der Partei konnte der Extremismus der AfD anscheinend nicht mehr in Zaum gehalten werden und viele Alteingesessene wurden aus der Partei gemobbt. Erst dann wurde zugegeben, man „habe geholfen, ein Monster zu erschaffen“. Wir wollen herausfinden, wie dieses „Monster“ immer noch erfolgreich in der rechten Szene netzwerkt und sehr fadenscheinige Leute aus dieser sogar in den Bundestag schleust.

So bedroht die AfD unsere Demokratie von innen heraus

Recherchen aus 2018 ergaben, dass insgesamt 18 AfD-Bundestagsabgeordnete Mitarbeiter:innen aus dem rechtsextremen Milieu beschäftigten, darunter Anhänger der NPD, der neonazistischen Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend (HDJ)“, Aktivist:innen der „Identitären Bewegung“ und der rechtsradikalen Gruppe „Ein Prozent für unser Land“, extrem rechte Burschenschafter:innen und neurechte Ideolog:innen. Wohlgemerkt sind diese Organisationen entweder verboten oder werden vom Verfassungsschutz beobachtet.

Ebenfalls in der letzten Legislaturperiode gab es aus 23 der 92 Abgeordnetenbüros Verbindungen zu extrem rechten Parteien, Think-Tanks, Medien, Burschenschaften oder anderen Organisationen. Wie schaffte und schafft es also die AfD, Leute, die schon auf hundert Kilometer Entfernung als rechtsextrem einstufbar sind, in den Bundestag, das Herzstück unserer Demokratie, einzuschleusen?

Jede Partei, die im Bundestag vertreten ist, hat das Recht, sogenannte Besucher:innen mit in den Bundestag zu bringen. Dies dient meist dazu, Leuten aus den Wahlkreisen die Bundespolitik zu zeigen. 2020 ist es im Zuge dessen schon mal zu einem ausgewachsenen Eklat gekommen, mehr dazu später. Weitreichender ist jedoch das Recht der Bundestagsabgeordneten, in ihren Büros beliebig viele Mitarbeitende zu beschäftigen. Alleinige Einschränkung: Diese dürfen nicht mit den Abgeordneten verwandt oder liiert sein.

Eine extrem rechte Vergangenheit, wie bei vielen AfD-Mitarbeitenden, ist jedoch kein Einstellungshindernis. Bezahlt werden diese Leute über die sogenannte Aufwandsentschädigung, die jede und jeder Abgeordnete monatlich erhält. Aktuell beläuft sich diese auf mehr als 20.000 Euro monatlich. Von wem bezahlt? Ihr ahnt es: von den Steuerzahler:innen. Hier stellt sich zu Recht die Frage, warum die Profile sowohl von den angemeldeten Bersucher:innen als auch von den Mitarbeitenden nicht nochmal extern und unparteiisch geprüft werden.

AfD-Anhänger schaffen es in den Bundestag. Ziel: Pöbelei

Von AfD-Abgeordnete „Querdenker“ belästigten und filmten Politiker wie hier Altmaier

Ende 2020, die Pandemie steckt mitten in der zweiten Corona-Welle und viele Schwurbler:innen erleben Aufschwung, werden mehrere Parlamentarier:innen im Bundestag von Besucher:innen belästigt. Es ist wohl kaum die 1-Million-Euro-Frage, welche Partei die Störer:innen eingeladen hat. Auf die Einladung von drei AfD-Abgeordneten hin erhielten Störer:innen Zutritt zum Parlamentsgebäude, belästigten Politiker:innen auf den Gängen und drangen in Büroräume ein. Ausgerechnet an dem Tag, an dem über das zu dem Zeitpunkt erneuerte Infektionsschutzgesetz abgestimmt werden sollte. Ein Mini-Sturm aufs deutsche Kapitol also, aber legal. Unter den Besucher:innen sind Verschwörungsideologen und offensichtliche Corona-Leugner:innen. Gestalten, die gut zur AfD passen. Als Konsequenz der Aktion erhielten zwei von ihnen Hausverbot, gegen mehrere wurden Bußgelder verhängt.

Petr Bystron, einer der einladenden AfD-Politiker, gehört definitiv zum rechtsextremen Flügel der Partei. Er benutzt eindeutige nationalsozialistische Begriffe, beispielsweise hält er den UN-Migrationspakt für ein „Abkommen zur systematischen ‚Umvolkung‘“ und erhielt bei einem Treffen mit weißen Südafrikanern, die sich auf einen „Rassenkrieg“ vorbereiten, Schießtraining. Im Visier des Verfassungsschutzes war er bereits 2017.

Kein Problem der Vergangenheit: AfD lädt weiter Rechtsextreme ein

Auch im Jahr 2023 nutzt die AfD fleißig ihre Mandate, um ihren demokratiefeindlichen Anhänger:innen Zugang zum Parlament zu verschaffen. Dabei wollen diese anscheinend nicht nur den Bundestag und damit die deutsche Demokratie von innen heraus bedrohen, sondern auch das Europaparlament. Klingt dramatisch? Ist es auch, eben, weil sie das auf legalem Wege schaffen.

Erst kürzlich dokumentierte die Rechercheplattform IB Doku zwei neue Fälle: Das AfD-Bundestagsmitglied Stephan Brandner lud beispielsweise kürzlich einen Ex-Neonazi und Neofaschisten zu sich ein. Im Europaparlament nutzen AfD-Abgeordnete Maximilian Krah und Gunnar Beck ihre Mandate, um Neofaschisten und Anhänger der Identitären Bewegung Zutritt zu verschaffen. Diese rechtsextreme Gruppe, die 2012 entstanden ist, sticht immer wieder mit der Verbreitung rassistischer Vorurteile hervor. Antimuslimische und demokratiefeindliche Ideologien gehören ebenfalls mit zum Repertoire.

Wir finden daher: Es muss dringend eine Regelung her, dass Besucher:innen von Parteien besser überprüft werden. Nicht weniger als der Schutz der Demokratie steht auf dem Spiel.

AfD gibt Rechtsextremen Jobs im Bundestag

Leider ist es nicht mehr übertrieben zu sagen, dass ein Großteil der AfD rechtsextrem ist. Das Katapult-Magazin analysierte vor der Bundestagswahl 2021 die Hintergründe von jeder und jedem AfD-Bundestagsabgeordneten und stufte 30 Prozent als offen rechtsextrem sowie 36 Prozent als rechtsextreme Verdachtsfälle ein.

Aber auch die als „moderat“ eingestuften Abgeordneten sind keineswegs harmlos. Jan Nolte beispielsweise fällt selbst nicht durch rechtsextreme Äußerungen auf, beschäftigte aber lange Zeit einen rechtsextremen Mitarbeiter. Es handelt sich dabei um einen Oberleutnant, der vom Militärgeheimdienst als Rechtsextremist eingestuft wird. Und nicht nur das: dieser Mitarbeiter wurde 2017 bereits festgenommen, da er als dringend verdächtig eingestuft wurde, zusammen mit einem ehemaligen Bundeswehrsoldaten eine rechtsextremistische, staatsgefährdende Gewalttat zu planen. Konkret ging es um geplante Angriffe gegen den damaligen Bundesjustizminister Heiko Maas und den Ex-Bundespräsidenten Joachim Gauck.

Der Verdacht gegen den Nolte-Mitarbeiter wurde schlussendlich von der Bundesanwaltschaft fallen gelassen. Dennoch bleibt er ein Rechtsextremist und hatte über Nolte und seine Arbeit im Verteidigungsausschuss auch Zugang zu vertraulichen Dokumenten.

Rechtsextremer Mitarbeiter: Kein Einzelfall

Generell ist es schwierig herauszufinden, wer die Mitarbeiter:innen der AfD-Bundestagsabgeordneten sind. Anders als andere Parteien hält sie sich diesbezüglich bedeckt und veröffentlicht kaum Mitarbeiterprofile im Internet. Es wird wohl versucht, extremistische Hintergründe versteckt zu halten. Dennoch erreichen Fälle wie die des Nolte-Mitarbeiters immer wieder die Presse.

Ist der Nolte-Mitarbeiter aber ein Einzelfall? Absolut nicht. Schon in der letzten Legislaturperiode beschäftigten 18 AfD-Abgeordnete rechtsextreme Mitarbeiter:innen. Auch in dieser Legislaturperiode erschrecken weitere Fälle von rechtsextremen Angestellten. Im Juli 2022 stellte AfD-Bundestagsabgeordneter Jan Wenzel Schmidt einen mehrfach vorbestraften Rechtsextremisten ein. Angeblicher Grund: Laut deutschem Rechtsstaatsprinzip sollte jedem Menschen eine zweite Chance gewährt werden. Schon lustig, sich ausgerechnet auf den Rechtsstaat zu berufen, wenn man die Anstellung eines rechtsextremen Identitären rechtfertigen will. Wo doch genau diese Identitäre Bewegung versucht, den Rechtsstaat abzuschaffen.

Immerhin: Die Bundestagsverwaltung hat dem Mitarbeiter die Ausstellung eins Hausausweises verwehrt.

Fazit

Trotz der ehrenhaften Versuche von Rechercheportalen, die AfD in extreme und gemäßigte Flügel einzuteilen, zeigen die Beispiele oben, dass dies schon lang nicht mehr möglich ist. Der Bundesstand hat zwar schon 2020 formal die Auflösung des rechtsextremen „Flügels“ beschlossen. Doch der Rechtsextremismus ist längst tiefer in der Partei verwurzelt, eine klare Abgrenzung ist nicht möglich. Selbst die Abgeordneten, die man vielleicht nicht direkt dem Rechtsextremismus zuordnen kann, beschäftigen teils selbst rechtsextreme Mitarbeiter.

Nun könnte man immer noch argumentieren, dass die AfD ja aufgrund von demokratischen Wahlen im Bundestag sitzt. Dennoch gefährdet Rechtsextremismus akut die Demokratie und Rechtsextremist:innen spielen nun eben nicht nach demokratischen Spielregeln. Schlussendlich werden die rechtsextremen Mitarbeitenden von den Steuergeldern aller Deutschen bezahlt, egal, ob sie AfD gewählt haben oder nicht.

Und buchstäblich während wir diesen Artikel schreiben, vollbringt die AfD einen weiteren kleinen Schritt nach rechts: Gerade stimmt die AfD darüber ab, Matthias Helferich in die Bundestagsfraktion aufzunehmen. Der war zwar 2021 zwar für die AfD in den Bundestag gewählt worden, allerdings war er sogar der AfD dann erstmal doch zu rechts und wurde nicht in die Fraktion aufgenommen. Es wirkte damals wie ein Hoffnungsschimmer, dass wenigstens das selbsternannte „freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“ (!) keinen Platz in der AfD hat. Aber Pustekuchen, so offensichtlich ist die Entscheidung offenbar ja nicht. Bei aller berechtigter Kritik an Regierung, CDU und Linken dürfen wir nicht vergessen: Die AfD ist und bleibt eine extreme Gefahr für unsere Demokratie und die einzige Partei im Bundestag, die unsere demokratische Grundordnung abschaffen möchte.

Artikelbild: Christophe Gateau/dpa