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Sorry AfD: Bloßgestellter AfD-Politiker aus Stralsund ist real!

von | Aug 19, 2019 | Aktuelles, Analyse, Social Media

AfD-Fakes über Fakes

Offenbar war einigen AfDlern der Auftritt ihres Parteikollegen beim Leser-Forum der Ostee-Zeitung doch zu peinlich. Der Lokalpolitiker und Ex-Polizist Thomas Naulin konfrontierte in Stralsund Bundeskanzlerin Merkel mit AfD-typischen Anschuldigungen. Sie habe das Land gespalten sagte er und dass es keine Meinungsfreiheit in ihrer „Diktatur“ mehr gäbe. Dass Frau Merkel trotz der überzogenen Behauptungen locker blieb und ihm erklären musste, dass er offensichtlich seine angeblich unterdrückte Meinung doch wohl gerade sagen dürfe, wurde zum viralen Hit. Hier unser Bericht und das Video dazu:

Gut gekontert: So cool erklärt Merkel einem AfD-Politiker Meinungsfreiheit – Video



Stralsund-Auftritt zu peinlich für die afd

Obwohl Naulins Narrativ einer unterdrückten Minderheit, die es in Wahrheit gar nicht gibt, und auch der Mythos vom Rechtsbruch 2015 typische AfD-Darstellungen sind, war einigen in der rechtsextremen Partei der Auftritt anscheinend doch zu peinlich. Wenige Tage später tauchte plötzlich dieser Artikel auf, der die Behauptung aufstellte, der AfD-Politiker sei ein bezahlter Schauspieler der „linken Presse“ gewesen:

Screenshot

Darin wird unter anderem erklärt, der AfD-Politiker hieße „Nolin“ – welchen es natürlich nicht gibt – oder sein Verband sei „Pommern-Rügen“ statt „Vorpommern-Rügen“, um zu belegen, dass es eine False-Flag-Aktion gewesen sei sollte. Natürlich ist es einfach, Ungereimtheiten zu finden, die man sich gerade selbst ausgedacht hat. Doch Thomas Naulin gibt es natürlich sehr wohl, und auf seiner Facebook-Seite hat er sich auch zu dem Vorfall geäußert. Naulin ist darüber hinaus bekannt, weil seine Partei im Kreistag Vorpommern-Rügen gleich zwei verschiedene Fraktionen stellt – und dafür doppelt Steuergelder bekommt (Quelle).

Die Seite „telegra.ph“ ist eine Fake-News-Seite, auf welcher sich jeder selbst einen Artikel erstellen kann:

Screenshot

Dennoch verbreiten einige AfD-Politiker diese Fake News:

Screenshots #DieInsider

Die Logik hinter so einem Fake

Es ist typische, rechtsextreme Propaganda und eine Verwirrtaktik: Wenn alle eigenen Fehler und Unzulänglichkeiten immer wieder als bösartiges Komplott und Fake dargestellt werden, immunisiert man sich nicht nur vor Kritik, (da man natürlich nie etwas falsch machen kann, wenn alle Fehler nur die Schuld meiner Gegner sind). Dadurch wird auch immer weiter der irrationale Hass auf Andersdenkende und politische Gegner geschürt, der genau in solchen peinlichen Auftritten wie in Stralsund mündet, wo man die Kanzlerin mit offensichtlich falschen und überzogenen Anschuldigungen konfrontiert, weil man den ganzen Tag nur tendenziöse Medien und Fake News konsumiert.

Durch das Erfinden angeblicher Fehler wird Misstrauen gestreut. Die angeblichen Fehler (oder Autorennamen wie „C. Lars Reklotius“) werden nicht als Hinweise darauf interpretiert, dass die Behauptung gelogen sei. Sondern als Ungereimtheiten, die der großen Verschwörung des Systems zugeschrieben werden. Am Ende steht in der Augen der Opfer dieser Fake News nur Behauptung gegen Behauptung. Und dann glauben sie letztlich nur dem „Fake-Vorwurf“, der ins eigene Selbstbild passt, völlig unabhängig davon, ob man eines davon belegen kann und das andere nicht. Ein zivilisierter und konstruktiver Diskurs wird dadurch unmöglich.

Offenbar selbst der AfD peinlich

Es ist dennoch bezeichnend, dass die eigenen Parteikollegen es für nötig sehen, die Vorwürfe Naulins zu verleugnen. Diese entspricht schließlich eins zu eins der eigenen Parteiposition. Einfach nur, weil man sie ohne große Kunst entlarven konnte. Denn Frau Merkel wurde zwar für ihre Reaktion gefeiert. Aber dass man inzwischen Applaus dafür kriegt, dass man einigen Menschen erklären muss, dass sie ihre Meinung offensichtlich sagen dürfen, sagt nichts Gutes über den Zustand unserer Diskurse aus.

Artikelbild: Red Moccasin, shutterstock.com/DieInsider

Doch, Sor