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AKlarKlarnamenpflicht – der nächste Fail der CDU

von | Jun 11, 2019 | Aktuelles, Digital, Medien, Politik, Social Media

das ende des freien internets

Annegret Kramp-Karrenbauer hat einen hohen Output an politischen Ideen. Dies aber nicht zur Freude der Bürgerinnen und Bürger und vor allem nicht der Internetcommunity. Im Nachgang zum Rezo-Video und der Idee die Meinungsfreiheit einzuschränken (Hallo, Grundgesetz!), kram(p)te sie nun die Idee der Klarnamenpflicht aus der Mottentruhe hervor. Eigentlich war das Thema längst zu Recht beerdigt.  netzpolitik.org erklärte zuletzt im Dezember 2018 wieso das eine schlechte Idee ist.

Sie erhofft sich durch die Klarnamenpflicht weniger Beleidigungen und Hass im Internet, da die User nicht mehr anonym surfen. Vielleicht ist das vergleichbar mit dem Social Scoring System Chinas, wo Menschen für ihr Verhalten bepunktet werden. Dazu ist es ebenfalls notwendig, die Menschen zweifelsfrei identifizieren zu können.

telefonieren geht auch anonym

Was in China klappt, klappt im Internet (World Wide Web) nur, wenn dies weltweit geschieht. Liberale Staaten würden diesem Vorschlag nicht zustimmen, während nicht ganz so demokratische Staaten, wie die Türkei, diese Klarnamenpflicht direkt bejahen würden. In Staaten mit hoher Repression droht der Bevölkerung eine nicht auszumalende Gefahr und zusätzliche Beschränkung ihrer Freiheit. Die freie Meinungsäußerung, die in Deutschland im Grundgesetz als Grundrecht steht, gilt dann in anderen Ländern nicht. Allein die Überprüfung, in welchem Land jemand eine Äußerung getätigt hat, lässt sich technisch nur mit einem sehr hohen Aufwand umsetzen.

Gespräche auf dem Wochenmarkt, Telefonate oder das Einlösen von Rezepten funktionieren auch anonym, ohne dass man sich immer erst mit seinem Namen vorstellen oder ausweisen muss.

recht auf anonymität

Das Recht auf Anonymität im Netz ist aus folgenden Gründen wichtig:

Das Internet vergisst nichts. Das „Real Life“ hingegen schon. Verhält man sich in der Pubertät und Jugend einfach noch unreif und probiert sich aus, dann vergisst das Internet das nicht, sondern es wird auf ewig mit der Person in Verbindung gebracht werden können. Im echten Leben hingegen kann man umziehen oder sich einen neuen Freundeskreis suchen und einen „Neuanfang“ wagen.

Eine Resozialisierung ist im Internet nicht möglich, selbst wenn permanent das Alter zum Zeitpunkt des Postings daneben stehen würde, würden andere User das immer noch der „Person von heute“ zuschreiben. Internetuser wären somit ein Leben lang gebrandmarkt, auch wenn sie ihre Meinung und Einstellung bereits vor langer Zeit geändert haben.

vorverurteilungen von usern

Durch semantische Datenbanken oder Bots könnten User, welche einer Kategorie zuzuordnen sind, Teil eines „Blacklistings“ werden, solche Blacklists könnten dann von anderen Webseitenbetreibenden angekauft und User pauschal geblockt oder ausgeschlossen werden, ohne dass es hinreichende Vorfälle gab, die einer Exklusion Anlass gegeben hätten.

Das Äußern konstruktiver Kritik (z.B. als Stammgast in einem Restaurant, Patient in einer Physiotherapiepraxis) ist auf Bewertungsportalen anonym möglich, würde mit einem Klarnamen aber unter Umständen das Vertrauensverhältnis spürbar ankratzen oder gar zerstören. Große Shoppingseiten ermöglichen bereits jetzt eine anonyme Bewertung mit dem Zusatz eines verifizierten Kaufs/Kunden, das reicht aus.

weniger hass durch klarnamen?

Eine Studie der Universität Zürich aus dem Jahr 2016 kam zu dem Ergebnis, dass bereits jetzt der Großteil der Hasskommentarposter unter ihrem Klarnamen auftritt.

[Das posten unter Klarnamen] sorgt für Echo, für Aufmerksamkeit, für Anerkennung. Wer hasst, der kann in Foren, auf Plattformen dafür geliebt werden. Diese Gefühle von Triumph und Glück, wenn Applaus einsetzt? Das können die Reaktionen sein, wenn der Autor den Klarnamen schreibt und nicht seinen digitalen Alias. (Quelle: s.o.)

klarnamenpflicht verstößt gegen gesetze

Ist man auf der Jobsuche, haben Arbeitgeber die Möglichkeit die gesamte Vita via Suchmaschine zu finden. Dies kann ein Konflikt mit §1 des Allgemeinen GleichstellungsGesetzes (AGG) darstellen, der Paragraph besagt nämlich:

Ziel des Gesetzes ist, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen. (Quelle: §1, AGG)

Auch das Telemediengesetz sieht eine Klarnamenpflicht nur für redaktionelle Inhalte vor. Nicht jedoch für Meinungsäußerungen im Internet in einem sozialen Netzwerk. Unter dem Begriff „Klarnamenszwang“ wird in §13, Absatz 6 sogar explizit vorgeschrieben, dass der Klarnamenszwang nicht für den Endkunden gilt:

(6) 1 Der Diensteanbieter hat die Nutzung von Telemedien und ihre Bezahlung anonym oder unter Pseudonym zu ermöglichen, soweit dies technisch möglich und zumutbar ist. 2Der Nutzer ist über diese Möglichkeit zu informieren. (Quelle: Telemediengesetz, §6, Abs. 6)

fallbeispiele, die gegen eine klarnamenpflicht sprechen

Gerade der Aspekt der sexuellen Identität ist nicht zu vernachlässigen: während Transmenschen auch nach Anerkennung ihres neuen Geschlechts ihren Deadname in Geburtsurkunden ihrer Kinder vorfinden und dort derzeit nicht einfach entfernen lassen können, so wären sie künftig auch im Internet mit ihrem Deadnamen zu finden. Eine Konfrontation und ein immer wieder gesetzter Trigger für die betroffenen Personen, aber auch ein möglicher Punkt, wieso ein Arbeitgeber darauf verzichten könnte, jemanden einzustellen.

internet als schutzraum

Nicht nur wenn man bereits geoutet ist, wird es schwierig. Weiter oben habe ich erklärt, dass das Internet nichts vergisst, vor allem nicht geistige Ergüsse aus der Jugendzeit. Gerade in der Pubertät fängt man an sich zu orientieren, auch sexuell. Das Internet bietet einen Schutzraum in welchem man Neigungen, Fetische, aber auch gesundheitliche Probleme (z.B. psychischer Art) artikulieren kann, ohne von der Familie oder dem Freundeskreis stigmatisiert zu werden.

Im Internet finden sich leichter Betroffene, die einem Hilfe und Orientierung geben können als im näheren Umfeld. Gleichzeitig ist man anonym und in einem sog. ‚Safe Space‘. Es gibt virtuelle Selbsthilfegruppen der Anonymen Alkoholiker, wo man sich in der Selbsthilfegruppe vielleicht outet, aber soll das wirklich für die gesamte Netzbevölkerung sichtbar sein? Zusätzliche Stigmatisierung für einen Kampf, den man sowieso bereits sein gesamtes Leben führt?

meinung gesagt, job weg

Genauso fällt es Arbeitgebern dadurch leichter, kritische Mitarbeiter eher zu entlassen. Sie könnten sich vor allem bei prekären Beschäftigungsverhältnissen auf das Verhalten der Mitarbeiter außerhalb des Arbeitsplatzes beziehen und das Verhalten in der Freizeit als rufschädigend einordnen. Auch hier können sich Internetuser in ihrer freien Meinungsäußerung eingeschränkt fühlen und entweder ihre Meinung künftig nicht mehr äußern oder riskieren, ihren Job zu verlieren.

das argument der identifizierbarkeit

Bereits jetzt sind Internetuser anhand der IP-Adresse identifizierbar. Dazu bedarf es aber jeweils begründeter Fälle (sog. strafrechtlich relevante Delikte). Draußen auf der Straße müssen Strafverfolgungsbehörden die Identitätsfeststellung ebenfalls auf einer rechtlichen Grundlage durchführen, dort hat auch nicht jede Person ihren Klarnamen auf der Stirn stehen oder immer den Ausweis dabei. Die Identitätsfestellung ist Aufgabe der Behörden, eine Mitwirkung kann man verweigern. Wieso sollte es im Internet anders laufen?

dann auch ein lobbyregister?

Nur konsequent wäre dann auch endlich die Einführung eines Lobbyregisters, welches von verschiedensten Akteuren seit 2011 aktiv gefordert wird. Beispielsweise durch Anträge im Bundestag. Seitens der Initiative LobbyControl gibt es bereits einen Gesetzesentwurf für ein mögliches Lobbyregister. Zwar gab es im Entwurf des Koalitionsvertrages der aktuellen GroKo noch eine Absichtserklärung ein Lobbyregister einzuführen, in der finalen Version wurde der Satz dann jedoch wieder gestrichen.

Was die anderen parteien zur Klarnamenpflicht sagen

Klarnamenpflicht? Schon lange (k)ein Thema für die Piratenpartei. Sie haben ihre Position 2012 niedergeschrieben und seitdem nicht geändert:

Die Piratenpartei Deutschland fordert hingegen in ihrem Grundsatzprogramm, dass “jedem Bürger das Recht auf Anonymität garantiert werden muss, das unserer Verfassung innewohnt.” (Quelle: Flaschenpost)

Die FDP: findet Klarnamenpflicht gut und spricht sich sowohl auf Landes- als auch Bundesebene für die Klarnamenpflicht aus – zumindest bis 2017, jetzt hingegen lehnen sie die Klarnamenpflicht ab.

Die SPD: hat gemeinsam mit der CDU 2017 bereits ein Positionspapier für eine Klarnamenpflicht entworfen.

Die Grünen: Daniel Mack (2012-2014 Landtagsabgeordneter Hessen) spricht sich für eine Klarnamenpflicht aus, 2011 war die Partei zumindest noch klar gegen eine Klarnamenpflicht, aktuell äußern sie sich nicht zur Diskussion.

Die CSU: hat damals angefangen mit der ganzen Thematik und den rechtsextremen Anschlag von Anders Breivik als Auslöser genommen. In ihrer Wählerschaft sprechen sich wie bei der CDU 62% für eine Klarnamenpflicht aus.

Die AfD: hat dazu keine Meinung, zumindest nicht im Internet. Dafür aber ihre Wähler: 50,6% sprechen sich gegen eine Klarnamenpflicht aus, lediglich 33,3% dafür.

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