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Es reicht! Abrechnung mit der „systematischen PR-Kampagne mit Greta“

von | Aug 22, 2019 | Aktuelles, Analyse, Kommentar, Umwelt/Klima

Weitere mythen über greta

Ich habe schon lange keine Lust, über Greta Thunberg zu schreiben. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich nach dem ersten Artikel im Dezember auch gar nichts mehr darüber geschrieben. Wie ich vergangene Woche bereits geschrieben habe, bin ich kein „Fan“ von Greta Thunberg. Ich finde es gut, dass sie die Klimabewegung angestoßen hat, die schon lange überfällig war, aber ob sie mal was mit Plastik gekauft hat oder auf ihrer Überfahrt über den Atlantik in Eimer kackt, ist mir total egal.

Aber ich mache eine Seite, die propagandistische Narrative und Fake News verfolgt, analysiert und aufdeckt. Und wenn „Greta-Hasser“ reihenweise Hass, Gewaltdrohungen und Lügen über ihre Person verbreiten, dann werde ich das nicht unkommentiert lassen. Erst Recht, wenn jemand einen „dumme Göre“-Kommentar ablässt und dann meint, damit sei die Klimadebatte erledigt. Geheimtipp: Wenn ihr den Medien nicht so viele Klicks und Kommentare liefert, jedes Mal, wenn sie Greta Thunberg aufgreifen, dann werden die auch weniger berichten.

Und wenn ihr keine Fake News und Verschwörungstheorien über sie verbreitet, kann ich das Thema auch ad acta legen. Ich wäre sehr froh, wenn wir das Thema von dem persönlichen Leben der Schwedin weg und hin zu Debatten beispielsweise über CO2-Bepreisung verschieben können. Es liegt an euch. Aber gut, einer der ältesten Vorwürfe an Greta Thunberg ist, dass hinter ihr „nur“ eine PR-Kampagne steckt, von dem sie und/oder ihre Eltern profitieren. Schauen wir uns das einmal an.



„Rein zufällig“ wird sie entdeckt?

Jain. Da gab es diesen Kettenbrief, den auch die Kollegen von Mimikama bereits ausführlich geprüft haben, deshalb nur das wichtigste hier:

„Greta sitzt mit selbstgebasteltem Pappschild an einer Hauswand in Schweden auf dem Boden. REIN ZUFÄLLIG kommt an genau diesem Tag, in genau dieser Stunde, an genau diesem Ort Ingmar Rentzhog, REIN ZUFÄLLIG PR-Experte, dort vorbei. Macht Fotos. REIN ZUFÄLLIG hat Herr Rentzhog auch exzellente Kontakte zu Organisationen, die mit viel Geld ausgestattet sind und dichte, global verzweigte Netze und sehr reiche Geldgeber haben.“

Greta saß am 20. August nicht an irgendeiner Hauswand, sondern am schwedischen Parlament. Nicht sehr unauffällig. Sie wollte gesehen werden, also ist es nicht verwunderlich, dass sie gesehen wurde. Außerdem sind ihre Eltern schließlich nicht völlig Unbekannte, ihr Vater ist Schauspieler und Produzent, die Mutter eine Opernsängerin. Zu den Eltern später mehr. Der Unternehmer Ingmar Rentzhog hat wirklich zufällig von ihr erfahren.

Weitere Falschbehauptungen des kettenbriefs

Er hat wirklich ein ein Finanzmarkt-Kommunikationsbüro und war 2007 Mitglied der von Al Gore gegründeten Organisation Climate Reality. Aber das war keine abgesprochene Aktion, sondern er hat eine Chance gesehen, ihren Streik aufzugreifen und hat dies nun mal getan. Keine Magie dahinter, er ist auf den Zug aufgesprungen. Er ist aber nicht Vorsitzender des Think Tanks „Global Challenge“, die auch nichts mit irgendeiner Ministerin oder Milliardärin zu tun hat. Weitere Lügen und Falschdarstellungen in dem Kettenbrief wie gesagt bei Mimikama oder auch bei Correctiv.

Es steckt also keine geplante PR-Kampagne dahinter, der Unternehmer war einfach einer der ersten, der Greta entdeckt hatte. Auf Facebook äußerte er sich auch zu den Vorwürfen. Er hatte Thunbergs Namen für ein Prospekt seiner Firma ohne ihr Wissen verwendet, Thunberg war kurzzeitig „Youth Advisor“ für die Stiftung des börsenorientierten Unternehmens We Don’t Have Time AB, trat jedoch zurück, als sie erfuhr, dass ihr Gesicht und Name ebenfalls ohne ihr Einverständnis für Werbung verwendet wurde. Selbstverständlich erhielt sie nie Geld für diese Instrumentalisierungen.

Andere verdienen geld mit greta

Entgegen der Unterstellungen verdient Greta auch kein Geld mit dem Aktivismus. Wenn Unternehmen oder Agenturen ihr Bild und ihren Namen verwendet hatten, dann meist ohne ihr Einverständnis, geschweige denn gegen Bezahlung. Ja, es gibt Leute, die Geld mit Greta verdienen wollen. Dafür kann sie nichts. Auch dubiose Agenturen im Netz, die behaupten, man könne sie für Workshops buchen, sind lediglich Abzocke und Instrumentalisierung ihrer Person. Sie verlangt kein Geld für ihre Reden und spendet ihre Einnahmen aus Büchern und Auszeichnungen an wohltätige Zwecke. Mimikama hat hier ein paar dieser Fake-Agenturen entlarvt.

Auch ihre Eltern haben nichts mit ihrem Aktivismus zu tun, Greta beschrieb, dass ihre Eltern zuvor alles andere als KlimaaktivistInnen waren. Erst durch ihren Aktivismus setzten sie sich mit der Thematik auseinander und begannen, sie dabei zu unterstützen (Mehr dazu). Die Firmen ihres Vater erzielten 2018 keine höheren Gewinne als zuvor (Quelle), auch das Buch, welches die Familie Thunberg veröffentlichte, hat nichts mit ihren Schulstreiks zu tun.

Das Buch wurde bereits lange vor dem Streik geplant und geschrieben und dass der Veröffentlichungstermin zeitlich so nah an ihrem ersten Streiktag lag, ist nicht von der Familie so terminiert worden. Es gab nämlich zuvor Streitigkeiten mit dem Herausgeber, sonst wäre das Buch längst veröffentlicht gewesen. Der Schulstreik lag auch am ersten Tag nach den Schulferien und war damit auch nicht willkürlich. 100% der Gewinne gehen ohnehin an acht verschiedene Wohltätigkeitseinrichtungen. Das merkt man auch daran, dass das Buch noch mehr mit der Bekanntheit der Mutter wirbt, als mit ihrer Tochter, die damals noch unbekannt war (Mehr dazu).

Keine systematische PR-Kampagne

Die meisten Behauptungen rund um Greta Thunberg und ihre Prominenz sind dazugedichtet oder werden dramatisiert. Nur weil Greta bekannt geworden ist, heißt das nicht, dass dahinter ein dubioser Plan irgendwelcher bösen Mächte steht. Es stimmt, viele Leute wollen mit ihrem Gesicht und ihrem Namen Geld verdienen. Übrigens auch viele, die sich über sie aufregen und Falschbehauptungen über sie aufstellen. Das ist auch lukrativ, wie man sehen kann.

Und überhaupt: Will man einer Klimaaktivistin, die Aufmerksamkeit für ein Problem erzeugen wollte, wirklich vorwerfen, dass sie Aufmerksamkeit bekommen hat? Eine Aktivistin dafür zu kritisieren, dass sie bekannt wurde, ist auch ein wenig absurd. Das war ihr Ziel, wer hätte es gedacht. Das wäre so, als würde mann Müllmännern vorwerfen, den Müll zu „klauen“. Greta verdient kein Geld damit und spendet ihre Preisgelder. Und selbst wenn sie davon leben würde, macht es die Klimakrise nicht weniger real oder gefährlich. Das ist alles eine große Diskussion, die völlig am Thema und an der Realität vorbei geht.

Keine „Greta-Religion“

Ich kenne keine „Greta-Jünger“, die Greta als „Prophetin“ „verehren“ wie eine „Heilige“. Ich tue es sicher nicht, und keiner um mich herum macht das. Und mir und meinem Umfeld wird dieser schwachsinnige Vorwurf ständig gemacht. Wer Greta gut findet, der bedankt sich bei ihr, dass sie ihr ökologisches Verständnis aufgerüttelt hat. Keiner baut ihr einen Schrein, wir beten nicht fünfmal am Tag Richtung Stockholm. Merkt denn keiner, wie sehr dieses manipulative Framing von Rechtsextremen und Klimawandelleugnern um sich greift? Solche Formulierungen sind keine sachliche Kritik.

Besonders, wenn der unglaubliche Hass, der fast nur aus vulgären Beleidigungen, Lügen und Falschbehauptungen besteht, völlig verharmlost wird. Das ist keine „Kritik“. Diskutiert meinetwegen über die Klimaneutralität von Gretas Trip, oder ob eine Videokonferenz sinnvoller gewesen sei. Aber Beleidigungen und das hundertste „Greta-Jünger“-Gerede könnt ihr euch sparen. Wenn die junge Aktivistin so viel Aufmerksamkeit bekommt, dann nicht, weil böse, „grüne“ Mächte euch manipulieren wollen.

Sondern weil euch lobbyfinanzierte Gruppen, die den Klimawandel leugnen, dazu manipulieren wollen, eine junge Frau irrational zu hassen. Weshalb ihr alle Medien mit Interaktion und Klicks belohnt, sobald sie irgendetwas über sie schreiben – sei es positiv oder negativ. Die machen das für euch, nicht für nicht-existente „Jünger“. Es gibt genau so Leute, die mit eurem Hass auf Greta Geld verdienen. Das macht euch nicht zu… Greta-Heiden? Aber zu einem wütenden Mob, der sich vielleicht einmal bewusst werden sollte, dass er eine junge Frau beleidigt und Lügen über sie verbreitet. Und vielleicht kann ich dann auch endlich mal über etwas anderes schreiben.

Artikelbild: 360b, shutterstock.com