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Querdenker-Urteile der Woche (KW 42)

von | Okt 23, 2022 | Serie

Da es im dritten Pandemiejahr fast täglich eine „Querdenker“-Verurteilung gibt, haben wir uns entschlossen, nicht mehr über jeden Fall einzeln zu berichten, sondern ab sofort Sammelartikel zu erstellen. Sozusagen die „Querdenker-Verurteilungen der Woche“. Sonst verliert man ja vor lauter Querdenke(r)n noch irgendwann den Überblick ;). Hier der Sammelartikel vom letzten Mal:

Haftstrafe für ungültige Maskenatteste?

Auch diese Woche wieder auffällig: der Hang mancher Mediziner:innen zu gefälschten Maskenattesten. Lars Wienand berichtete für t-online über eine Ärztin aus Bad Kohlgrub, die selbst nach einer Hausdurchsuchung im Juli 2020 noch weiter Atteste ohne erkennbare medizinische Notwendigkeit ausgestellt haben soll. Sie ist selbsterklärte Reichsbürgerin. Eine Anamnese oder Untersuchung habe nicht stattgefunden. Abgerechnet hat sie zwar eine nun eingezogene vierstellige Summe, jedoch bat sie auch um eine Spende an die lokale Corona-Protestgruppe. Das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen verurteilte sie wegen „Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse“ (§278 StGB) in 309 Fällen zu zwei Jahren OHNE diese auf Bewährung auszusetzen – und das obwohl sie sich zum Teil geständig zeigte. Hätte man Absatz zwei „beweisen“ können, wäre das Strafmaß sogar bis zu fünf Jahren möglich gewesen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und sie wolle dagegen angehen. Aber sollte es rechtskräftig werden, wäre dies die erste Person, die im Kontext gefälschter Maskenatteste eine Haftstrafe absitzen muss. Die bisherigen Geldstrafen in anderen Prozessen (siehe unsere Sammlungen der letzten Wochen) waren zwar teils empfindlich, aber vereinzelt noch von der „Community“ per Spende getragen worden. Die Inhaftierung könnte ihr nun niemand aus der Szene mehr abnehmen. Um eine Wiederholungsgefahr zu unterbinden, wurde ihr zudem ein dreijähriges Berufsverbot auferlegt. Aus Querdenkerkreisen gab es Lob für die mutige Ärztin und ihr Durchhaltevermögen.

t-online zitiert die Direktorin des Amtsgerichts, Christine Schäfer, wie folgt: „Der Richter habe keine Reue und Einsicht (der Angeklagten) festgestellt und damit keine günstige Prognose für die Zukunft stellen können“.

Pikantes Detail: ihr Ehemann war im Besitz einer Waffenbesitzkarte welche er allerdings wegen „Unzuverlässigkeit“ verlor. 

Ärztin fristlos gekündigt: gefälschter Impfpass

Eine Ärztin aus dem Kreis Lippe war in einem Bielefelder Klinikum tätig und soll Ende November 2021 einen gefälschten Impfpass vorgelegt haben. Heraus kam dies, nachdem ihr eigener Sohn sie angezeigt hatte, im Klinikum selbst fiel die Fälschung nicht auf. Nachdem das Klinikum über das Gesundheitsamt Bielefeld von der Anzeige erfuhr, haben sie die Ärztin fristlos gekündigt. Als Begründung soll sie angegeben haben, sie habe dem „sozialen Druck“, sich impfen zu lassen, nicht länger standhalten können. Sie räumte die Fälschung zwar ein, wollte die Kündigung allerdings nicht akzeptieren und klagte vor dem Arbeitsgericht gegen die fristlose Kündigung – erfolglos. Dennoch will ihr Anwalt nun am Landesarbeitsgericht in Hamm in Berufung gehen. Parallel dazu läuft noch ein Verfahren wegen Urkundenfälschung gegen die Medizinerin.

Frau Aufgrund von Fuellmichs „Rechtstipps“ verurteilt

„Man soll nicht alles glauben, was im Internet steht.“ schrieb schon Albert Einstein 1794 auf Twitter. Hätte die Reichsbürgerin und Querdenkerin aus Oberbayern lieber mal dieses Zitat auf Telegram gefunden statt die „Rechtstipps“ vom berühmt berüchtigten Reiner Fuellmich. Wobei das Finden das geringste Problem ist. Wir dürfen die kreativen Ergüsse aus der Querdenkerszene ja auch regelmäßig lesen und uns fragen. Fragen, ob sie das alles ernst meinen, was sie da schreiben. Die nun Verurteilte hat nichts hinterfragt, sondern für bare Münze genommen. Dabei fing alles eigentlich harmlos an: 43,50€ für zu schnelles Fahren, 230€ für den Mobilfunkanbieter waren zu zahlen. Dies wollte sie offensichtlich nicht zahlen, da ihr der Handyvertrag untergejubelt worden sei und suchte nach Tipps wie mit gerichtlichen Einsprüchen umgegangen werden soll.

Da sie laut eigener Aussage weder Zeitung liest, noch Nachrichten schaut, informierte sie sich überwiegend auf Telegram. Dort gelang sie dann über verschiedene Kanäle auf die Internetseite von Fuellmich auf welcher sich ein Video befand, welches erklärte, dass die Gesetze über Ordnungswidrigkeiten, die Zivilprozess- und die Strafprozessordnung nicht mehr gültig seien. Der Richter habe sich das Video teilweise, aber nicht bis zum Schluss angesehen, denn bereits davon sei ihm „leicht übel und schwindelig“ geworden. Sie verfasste ein Schreiben an das Gericht und forderte es u.a. auf dessen Legitimation nachzuweisen. Für den Fall, dass das nicht geschehe, machte sie ein so genanntes „Pfandrecht“ in Höhe von 700.000€ geltend.

Problem an der ganzen Sache: in Deutschland funktioniert so etwas nicht. Es wurde daraufhin ein Strafbefehl gegen sie erlassen, gegen welchen sie Einspruch wegen „versuchter Erpressung“ einlegte. Nach kurzer Verhandlung erging das Urteil: 90 Tagessätze a 40€, gesamt also 3600€. Fazit: 273,50€ wären günstiger zu bezahlen gewesen und man hätte seine Lebenszeit nicht mit den Rechtstipps von Dr. Reiner Fuellmich verschwendet. Rechtstipps, die der Frau teuer zu stehen gekommen sind.

Artikelbild: shutterstock