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Fake: AfD hetzt mit 2 Jahre altem Bild von G20 gegen 1. Mai-Proteste

von | Mai 2, 2019 | Aktuelles, Analyse, Politik

AfD hetzt mit falschem Bild

Auf Twitter veröffentlichte Alice Weidel ein AfD-Bild, das Szenen einer Straßenschlacht zeigt. Mit dem Text auf dem Bild „1. Mai: Politik verschließt die Augen! Linksextreme werden behandelt wie rohe Eier“ und ihrem dazugehörigen Text unterstellt die AfD-Parteivorsitzende, „Linksextreme“ würden sich in „Krawallorgien“ Straßenschlachten mit der Polizei anlässlich der 1. Mai Demonstrationen liefern. Die Unterstellung, dass sich dabei ausschließlich um Sozialhilfeempfänger handelt ignorieren wir einmal als offensichtliche Provokation und typische AfD-Falschbehauptung. Später dazu mehr.

Screenshot twitter.com

Der Text und das Bild suggerieren eindeutig, dass es sich bei dem Bild um aktuelle „Krawallorgien“ vom 1. Mai handeln soll. Doch das stimmt nicht. Alice Weidel hat ein Foto der G20-Proteste in Hamburg aus dem Jahr 2017 für diese Hetze genommen. Denn auf dem Bild ist ausgerechnet der berühmte „Riot-Bike-Guy“ der G20 Proteste zu sehen, der auf vielen Bildern der G20-Proteste zu sehen war (Mehr dazu).

„Riot-Bike-Guy“

Bild: https://queeranarchism.tumblr.com

Dabei handelt es sich um den Hamburger Martin Bühler. Auf der Tumblr-Seite Queer Anarchism wurde sein Auftritt als Demo-Strategie interpretiert. Er sollte von der Polizei angegriffene Demonstranten durch seinen Auftritt als Zivilist Zeit gegeben haben, zu fliehen, da die Polizei nicht mit einem Zivilisten gesehen werden wolle, während sie überzogene Gewalt anwende. Das Verhalten der Polizei wurde im Anschluss an G20 heftig kritisiert, es wurden 138 Verfahren gegen die Beamten eingeleitet, auch vielen Verhafteten konnte nichts nachgewiesen werden (Mehr dazu).

Doch so spektakulär war der Auftritt Bühlers gar nicht. Wie die VICE berichtet, habe sich Bühler als neutraler Beobachter nur die Auseinandersetzungen ansehen wollen – und sich deshalb zwischen die Fronten gestellt. Damit ist jedoch eindeutig belegt, dass das Bild im Juli 2017 aufgenommen wurde und nicht 1. Mai-Proteste von 2019 zeigt. Auch gab es 2019 nirgendwo den Einsatz eines Wasserwerfers. Zusätzlich lässt sich noch bemerken, dass Weidel ausgerechnet ein Foto ausgewählt hat, in der drei Kamera tragende Journalisten zu sehen sind. Keine „Linksextremisten“. Ein ziemlicher Reinfall.



Was wirklich am 1. Mai 2019 geschah

Am 1. Mai gab es keine Krawalle. Zumindest nichts, was auch nur ansatzweise mit G20 oder den Krawallen in Paris zu vergleichen wäre, wo es hunderte Festnahmen und dutzende Verletzte gab (Quelle). Die meisten Demonstrationen, die man irgendwie als „links“ bezeichnen könnte, blieben absolut friedlich. Da wären eine Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Leipzig, ebenfalls der DGB friedlich in Augsburg (Und dort hat der CSU-Bürgermeister gesprochen, also wie „links“ das ist, darüber lässt sich streiten). Auch Berlin und Hamburg haben weitestgehend friedliche Kundgebungen erlebt (Quelle).

Ein paar der unzähligen friedlichen Demos gegen rechtsextreme Aufmärsche: In Wismar demonstrierten 1100 Demonstranten friedlich gegen 250 Neonazis (Quelle), in Chemnitz „Aufstehen gegen Rassismus“ , in Leipzig „Leipzig nimmt Platz“ und in Dresden „Dresden nazifrei“.(Quelle). Das sind natürlich nicht zwangsläufig „linke“ Demos, denn um gegen Faschismus zu sein, reicht es, Demokrat zu sein.

Einzig bemerkenswert sind ein paar Flaschenwürfe bei der Demonstration „Revolutionärer 1. Mai“ in Berlin mit rund 5000 Teilnehmern und zwei Körperverletzungen in Chemnitz. Darüber hinaus gab es auch viele rechtsextreme Demonstrationen von der AfD, Pro Chemnitz, „Der Dritte Weg“, Pegida, der ADPM und der NPD, die teilweise gemeinsam demonstrierten. Man überlegt sich, ob Weidel mit ihrem Vorwurf derjenigen, „die noch nie in ihrem Leben gearbeitet haben und stattdessen auf Kosten des deutschen Steuerzahlers leben“ dann nicht diese Gruppen mitgemeint hat.

Banale Hetze und Fake News

Letztlich bleibt also von den Unterstellungen nichts übrig. In Deutschland gab es keine „Krawallorgien“ und keine Auseinandersetzungen mit der Polizei auf einer politischen Demo. Diese Behauptungen sind gelogen. Auch das Bild, das die Bilder von Krawallen von G20 wieder hervorrufen soll, ist nicht vom 1. Mai, eben weil es von den G20 Protesten stammt. Nirgends hat die AfD geschrieben, dass dies nicht ein aktuelles Fotos sein soll und damit ihre Fans in die Irre geführt.

Es ist also wieder einmal Fake News, um das rechte Bauchgefühl der moralischen Überlegenheit zu füttern. Es hat jedoch nichts mit der Realität zu tun. Weidel musste ein fast 2 Jahre altes Foto verwenden, weil aktuell nichts dergleichen passiert ist. Und das Bild zeigt ausgerechnet auch noch vor allem Journalisten. Und zur Behauptung, es handele sich bei den „Linken“ um Sozialhilfeempfänger: Die meisten „linken“ Demos (und mit „links“ ist einschließlich auch die CSU gemeint) wurden von der DGB organisiert. Also Gewerkschaften. Zusammenschlüsse von Arbeitnehmern. Man könnte also leichter beweisen, dass die „Linksextremen“ arbeiten und Steuern zahlen als die Teilnehmern*innen der rechtsextremen Demos.

Danke an Gegen die Alternative für Deutschland für die Recherche zum Bild! Artikelbild: Screenshot twitter.com/queeranarchism.tumblr.com