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Fake-Hitlergruß, Panorama-Doku: 4 neue Fake News zu Carola Rackete

von | Jul 16, 2019 | Aktuelles, Analyse, Social Media

Neue Lügen über rackete und die seawatch-3

Nach der Verhaftung der Kapitänin der SeaWatch-3, Carola Rackete, die internationales Aufsehen erregte, gab es viele Falschinformationen und Missverständnisse über die Umstände. Viele davon wurden gezielt gestreut, um öffentliche Unterstützung für die Seenotrettung zu untergraben. Über vier Fake News und Falschaussagen haben wir seinerzeit bereits aufgeklärt. Wer wissen möchte, warum Carola Rackete die Geretteten nur nach Lampedusa bringen konnte, soll hier weiterlesen:

Lampedusa, Libyen, Waffenverkäufe? 4 Fake News über Carola Rackete

Inzwischen ist die Liste an Unterstellungen und Behauptungen länger geworden, deshalb befassen wir uns mit ein paar neuen Fake News um Carola Rackete und die SeaWatch-3.



1.) Kein Hitlergruß

Wie auch die Kollegen von Mimikama (Hier) bereits bestätigt haben, ist eine italienische Fotomontage inzwischen auch in Deutschland angekommen. Darauf soll Carola Rackete den Hitlergruß zeigen. Warum auch immer.

Wie man eigentlich auch mit eigenen Augen sehen kann, ist es eine Fotomontage. Das Original findet man vom 3. Juli 2019 auf der Seite „Ansa“.

Italienische Faktenchecker der Seite „Bufale“ haben bereits am 5. Juli den Fake entlarvt. Ziel des Fakes ist es natürlich einerseits, der Seenotretterin eine böswillige Gesinnung zu unterstellen. Ganz im Sinne der rechtsextremen Taktik, „Linke“ (gemeint sind damit alle ihre politischen Gegner) als die „wahren Nazis“ darzustellen. Sinn ist natürlich davon abzulenken, dass man selbst mit rechtsextremer Gesinnung anbandelt. Und wenn jeder angeblich Hitlergrüße macht, macht es ja quasi keiner, richtig? Es ist eine Ablenkungstaktik.

2. Dass Reporter an bord waren, war die ganze zeit bekannt

Eine weitere Taktik von Rechtsextremen (und Verschwörungstheoretikern) ist es, eine Tatsache als merkwürdig darzustellen, um Skepsis zu erzeugen. Ziel davon ist, Misstrauen zu säen und ebenfalls das politische Gegenüber zu diskreditieren. Anlässlich der Panorama-Reportage über die Reise der SeaWatch-3 und Carola Rackete wird mit allerlei Unterstellungen und ohne Beweise behauptet, das ganze Ereignis sei politisch „inszeniert“ worden.

Wie immer bei Verschwörungstheorien fällt diese Geschichte jedoch auseinander, wenn man auch nur ein bisschen darüber nachdenkt. Den Spekulationen bereitet Panorama auch in dieser Stellungnahme selbst ein Ende. Journalisten waren bereits seit dem 9. Juni an Bord der SeaWatch-3, fast drei Wochen vor der Verhaftung. Dass rechtsextreme Demagogen davon erst durch die Reportage erfuhren liegt nicht daran, dass es „verheimlicht“ worden wäre, denn die Reporter haben öffentlich davon schon lange davor berichtet, zu sehen unter anderem im NDR oder in der ARD. Das war kein Geheimnis.

Wenn man auch mal die „Lügenpresse“ lesen würde, hätte man das schon längst mitbekommen können. Sie dokumentierten den Funkspruch über das in Seenot geratene Schiff und die Bergung, ebenso wie die Verhaftung Racketes. Die politische und rechtliche Auseinandersetzung können sie gar nicht „vorhergesehen“ oder „geplant“ haben, u.a. weil Innenminister Salvini sein rechtlich dubioses Gesetz erst kurz zuvor erließ und die SeaWatch-3 zunächst über den EGMR versuchte, eine Anlegeerlaubnis zu bekommen. Nur durch das Weglassen all dieser Informationen funktionieren derartige Falschbehauptungen.

3.) Bouri wurde nie angelaufen

Angeblich soll Carola Rackete die Schiffbrüchigen nicht aus dem Meer gerettet haben, sondern einen „libyischen Hafen Bouri“ angelaufen haben. Belegt soll das mit einem Eintrag auf „Vesselfinder“ werden, der einen Eintrag für „Bouri“ bei der SeaWatch-3 zeigt. Doch „Bouri“ ist kein Hafen, sondern eine Bohrinsel im Mittelmeer. Schiffe werden dort automatisch registriert, um Kollisionen zu vermeiden. Das Schiff wurde vermutlich dort registriert, als es zufällig in der Nähe vorbei fuhr.

Doch die SeaWatch-3 befand sich zu keiner Zeit auf der Bohrinsel und hat erst Recht auch die Geretteten nicht dort aufgenommen, was Panorama mit ihrem Bild- und Videomaterial schließlich beweisen kann. Außerdem stimmen die Zeiten auch nicht miteinander überein. Auch dies ist eine Verschwörungstaktik, um mit irrelevanten Details das ganze Geschehen in Zweifel zu ziehen und zu diskreditieren, um Menschen, die sich nicht mit der Thematik auskennen (oder drei Sekunden googlen wollen) mit Lügen abzulenken.

4.) Rettung ist immer noch keine schlepperei

Und um es noch einmal zu wiederholen: Die Rettung von Menschenleben ist nicht nur moralisch geboten, sondern auch rechtlich, völlig egal, was ein rechtsextremer, italienischer Innenminister gerne hätte. Details im unten verlinkten Artikel. Lampedusa war aufgrund der Distanz und Gesetze und Menschenrechte neben Malta der einzig anfahrbare Hafen für Carola Rackete, egal was rechte Demagogen behaupten.

Keine Schlepperei, Lampedusa richtig: 4 juristische Fakten über die Freilassung von Carola Rackete

Es wird unterstellt, Seenotretter wie Rackete würden die Schlepperei fördern, jedoch wäre die Seenotrettung dafür ein lächerlich ineffektiver Weg. Von Januar bis April 2019 haben 206.500 Menschen Asyl in ganz Europa beantragt. Welche Rolle würden da 50 Menschen spielen, die man vor dem Ertrinken gerettet hat? Ganz zu Schweigen davon, dass am exakt gleichen Tag, als die SeaWatch-3 einlief, ein Boot mit 200 Flüchtenden ebenfalls in Lampedusa ankam. Das wäre lächerlich ineffektiv.

Salvini behauptet, er wolle durch die rechtlich dubiose Blockade verhindern, dass Italien nicht mit der Bürde der Flüchtenden allein gelassen werde, was nach der Dublin-III-Regel der Fall ist. Das ist jedoch bestenfalls eine groteske Falschdarstellung, da es schließlich rechte Regierungen vor allem aus Osteuropa sind, die sich bisher gegen eine gemeinsame Lösung stellen. Aufnehmen tun neben Deutschland nur Frankreich, Portugal und Luxemburg bisher diese Geretteten – freiwillig über das Selbsteintrittsrecht. Übrigens der gleiche legale Weg, der bereits 2015 zur Anwendung kam.

Lasst euch nicht von rechten Fakes verarschen

Ziel der rechtsextremen Verschwörungstheoretiker und Demagogen ist es natürlich, über Fake News und dem Erfinden einer Verschwörung Misstrauen zu streuen und ihre politischen Gegner in ein schlechtes Licht zu rücken. Mit dem Heranziehen von Fakten sieht das alles jedoch gleich anders aus und entlarvt es, als was es ist: Propaganda, die dazu gedacht ist, unbedarfte BürgerInnen dazu zu bringen, die Seenotrettung nicht mehr zu unterstützen.

Es handelt sich jedoch um Falschbehauptungen und Lügen, sogar um direkte Fotomontagen. Das ist alles eine Verwirrtaktik, die mit unwichtigen Details Verwirrung erzeugen soll oder Tatsachen durch falsche Behauptungen als merkwürdig und „verdächtig“ darstellen will. Es ist politische Desinformation und Manipulation. Deshalb ist es wichtig, skeptisch zu bleiben und sich von Rechtsextremen nicht hinter Licht führen zu lassen.

Artikelbild: Screenshot facebook.com / Ansa.it