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Die AfD will nicht, dass du liest, was in ihrem Wahlprogramm steht!

von | Okt 12, 2018 | Analyse

„Risiko, dass das jemand liest“

Gerhard Großkurth aus Neu-Ulm möchte nicht, dass man das Wahlprogramm der AfD Bayern liest. Tut uns leid, haben wir aber gemacht! Jaja, wir „linksgrüne Verschwörungstheoretiker“ versuchen nur seine Worte „umzudeuten“, er habe nur die „sprachliche Umsetzung“ gemeint. Aber abgesehen davon, dass man als „Patriot“ seine Sprache doch beherrschen müsste haben wir aber auch die logische und sachliche Umsetzung dieses Programms zu bemängeln.



1.) Mehr Sicherheit fordern, aber Extremisten den Zugang zu Schusswaffen erleichtern?!

Es ist regelrecht absurd: Während die AfD pausenlos über die Sicherheit in Deutschland lügt (Deutschland ist so sicher wie seit 1992 nicht mehr) und so tut, als würde das Land in kriminellem Chaos versinken, möchte sie gleichzeitig erreichen, dass beim Waffenkauf nicht mehr überprüft wird, ob derjenige vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Richtig, auf Seite 22 ihres Wahlprogramms fordert die AfD, dass Menschen, die unsere Verfassung bedrohen, leichter Zugang zu Schusswaffen erlangen können.

Gleichzeitig lügt sie im Wahlprogramm Bayern jedoch über die Gefahr von „islamistischen Gewalttätern“: „Bekannt dürfte sein, dass die tatsächlich größte Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung von islamistischen Gewalttätern ausgeht“ (S. 22). Was absolut und eindeutig falsch ist. Das Personenpotential der gewaltbereiten Rechtsextremisten ist 12-mal größer als das der Islamisten, sagt der Verfassungsschutz. Auch begehen Rechtsextremisten viel mehr Straftaten und viel mehr Gewalttaten:

Sie folgt dieseR Aussage im Wahlprogramm mit einer weiteren glatten Lüge:

„Ebenso bekannt dürfte auch sein, dass Funde von Waffen und Sprengstoff in der jüngeren Vergangenheit nicht bei islamistischen legalen Waffenbesitzern gemacht wurden, sondern dass sich der Kreis der Kriminellen gerade aus illegalen Waffenbesitzern zusammensetzt.“

Nach einer Anfrage (der AfD wohlgemerkt, sie muss also genau Bescheid wissen!) an die Bundesregierung (Drucksache 19/2458) wird deutlich: Vom Zeitraum 2000-2017 sind 69% der Sicherstellungen und Funde von Sprengvorrichtungen politisch dem Rechtsextremismus zuzuordnen, 13% dem Linksextremismus und 18% dem Islamismus. Fazit: Die AfD lügt über die deutlich größere Gefahr des Rechtsextremismus und möchte diesen Personen sogar den Zugang zu Schusswaffen erleichtern.

2) Sexuelle Aufklärung behindern, aber Abtreibung erschweren?

Wisst ihr, was die Hauptursache für ungewollte Schwangerschaften und damit auch Abtreibungen sind? Fehlende Aufklärung über Sex und Verhütungsmethoden. Was will die AfD Bayern erschweren? Sexuelle Aufklärung (S.50f) und gleichzeitig Abtreibungen (S. 42f). Die AfD behauptet – ohne Belege – Kinder würden unsachgemäß in der Schule aufgeklärt würden und es würde ihnen irgendwie schaden, kompetent und sachgemäß aufgeklärt zu werden. Die massenhafte Frühsexualisierung durch Internet-Pornographie erwähnt sie aber nicht.

Abtreibungen bezeichnet die AfD „grundsätzlich“ als „Unrecht“. Sie möchten Schwangerschaftsberatung einseitig danach ausrichten, von Abtreibungen abzuraten und vor allem vor den möglichen Gefahren einer Abtreibung warnen und Adoption als Alternative hervorheben. (S. 42) Das Problem hierbei ist, dass die freie Selbstbestimmung der Frauen aktiv eingeschränkt werden soll. Das Problem ungewollter Schwangerschaft könnte man aber angehen, wenn man besser aufklärt. Da schießt sich die AfD selbst ins Knie.

3.) AfD fordert Sinnloses und verfassungswidriges Verhalten beim Länderfinanzausgleich und begründet es mit Lügen

Ok, diese Forderung hat fast nichts mit der Realität zu tun. Die AfD möchte Bundesländern, die (ihrer Meinung nach) „rechtswidrig gehandelt“ haben, Zahlungen beim Länderfinanzausgleich verweigern. (S. 37) Das ist aus so unglaublich vielen Gründen völlig absurd und realitätsfern. Denn erstens hat „rechtswidriges Verhalten“ absolut nichts mit dem Länderfinanzausgleich zu tun, der schließlich ein Grundgesetz darstellt und nicht einfach einseitig und willkürlich eingestellt werden kann.

Zweitens: Was macht denn „rechtswidriges“ Verhalten aus? Wenn jedweder Rechtsverstoß irgendeines Amtes im Bundesland zählt, dann müsste keiner niemandem irgendetwas zahlen. Aber es kommt noch verrückter: Die AfD gibt ein Beispiel, nämlich: „Dies gilt in Fällen wie etwa dem „Asylkauf“ in Bremen.“ (S. 37.) Sie begründet dieses verfassungswidrige Verhalten mit Fake News. Es hat NIE EINEN KAUF VON POSITIVEN ASYLBESCHEIDEN in Bremen gegeben.

In lediglich 165 Asylverfahren gab es grobe Verstöße. Das sind nur 0,9 Prozent der überprüften Fälle, von mehr als 18.000 Asylverfahren. Und es handelte sich um Verfahrensfehler, Bestechung wurde niemals nachgewiesen – Der einzige Zeuge zog seine Aussage zurück. Übrigens gab es gleichzeitig 2017 aber 37.000 Fälle von fehlerhaft negativ ausgestellten Asylbescheiden – ein großer Teil davon in Bayern – Gilt das, im Gegensatz zu 165 Fällen, nicht als „rechtswidriges“ Verhalten? 

Drittens: Bayern war Mehr Jahre Nehmerland als Geberland

Ja, richtig. Die dahinterstehende Vorstellung, Bayern müsse „für den Rest der Republik zahlen“ ist Unsinn: Von 1950 bis 1987 bekam der Freistaat durchweg Geld aus dem Ausgleichstopf – insgesamt 3,39 Milliarden Euro (Quelle Bundesfinanzministerium). Erst seit 1989 ist Bayern ein Geberland, auch wegen der neuen Bundesländer. Das liegt daran, dass in Bayern die Steuereinnahmen viel größer ausfallen als im Osten und weil viele Unternehmen ihren Hauptsitz in Bayern haben. Das heißt, Unternehmen, die überall in Deutschland Umsatz machen, zahlen nur Steuern an Bayern. Natürlich ist nur fair, dass das verteilt wird.

Und viertens: Diese ganze Diskussion ist sowieso völlig hinfällig, weil der Länderfinanzausgleich 2020 sowieso abgeschafft wird, was bereits seit 2 Jahren beschlossen ist. Die neue Regelung, die danach folgt, verschafft den Bundesländern mehr Gelder als zuvor, die der Bund bezahlt. Jetzt also so zu tun, als würde Bayern von kriminellen Ländern abgezockt, ist absurd, realitätsfern und falsch.

4.) Unbezahlbarer Wohnraum als Problem ausmachen, aber dann Eigentumswohnungskauf für Reiche erleichtern

Vor allem die Ursache für Altersarmut macht die AfD in „im unbezahlbaren Wohnraum oder dem Fehlen von Wohneigentum“ (S. 93) aus. Und es stimmt: Die Mieten explodieren in Bayern, Grundstückspreise auch, und es fehlt massiv an Sozialwohnungen. Doch das Konzept „BayernWohnraum“ der AfD greift nichts davon auf, stattdessen ist es vor allem ein Steuererleichterungsprogramm für sowieso vermögende Haus- und Wohneigentümer.

Sie fordert den Wegfall der Grunderwerbssteuer, die mit 3,5% sowieso die niedrigste im gesamten Bundesgebiet ist und möchte Eigentumskauf auf dem Land erleichtern. Dass niemand, der in Altersarmut lebt oder an der Armutsgrenze, sich Eigentumswohnungen leisten kann, macht den Anspruch der Partei absurd. Mieter wird dadurch nicht geholfen, im Gegenteil!

5.) Verfassungswidriges Verständnis von Staastsbürgerschaft ohne Logik

Auf S. 17 schreibt die AfD in ihr Wahlprogramm Bayern: „Sofern ein Ausländer, der straffällig geworden ist, auch die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt […].“ Worum es hier geht, ist zweitrangig. Denn was die AfD da in ihr Wahlprogramm geschrieben hat, ist einfach logisch falsch. Und entspricht nicht deutschem Recht. Wer die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, ist Deutscher. Das steht so im Grundgesetz.

Er kann nicht gleichzeitig ein „Ausländer“ sein. Warum schreibt die AfD diesen unlogischen Blödsinn? Weil sie versucht, ihr eigenes Verständnis von „Deutsch sein“ durchzusetzen. Eines, das auf Abstammung und Herkunft beruht (Siehe Seite 18). Das ist nicht zufällig die gleiche Logik, die hinter dem Ariernachweis der Nazis steckte. (Mehr dazu).

Direkt danach schreibt sie. “Ferner müssen die Zugehörigkeit zu ausländischen Terrororganisationen sowie das Verüben schwerer Straftaten zum Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit führen“. Bei Gedanken an Terror und Kriminelle mag das vielleicht angemessen klingen. Aber es ist wieder mal unlogisch, verfassungswidrig und basiert auf fehlerhaften Vorstellungen von der Realität.

Eine Forderung, die vorne und hinten keinen Sinn ergibt

Erstens: Die Ausbürgerung in der Bundesrepublik Deutschland ist durch das Grundgesetz grundsätzlich verboten. Weil es ein beliebtes Mittel in der NS-Zeit war, um politische Gegner zu diskriminieren. (Ja, wieder einmal hat eine AfD-Forderung Parallelen zum Nationalsozialismus). Zweitens: Der Entzug der Staatsbürgerschaft als Strafe für eine Straftat ist völliger Blödsinn. Zum einen gibt es vorgeschriebene und angemessene Strafen für die jeweiligen Straftaten. Zum anderen hat die Nationalität nichts mit dem Strafmaß zu tun, im Gegenteil.

Drittens: So wie die AfD das da geschrieben hat, müsste zum Beispiel jedem Mörder in Deutschland die Staatsbürgerschaft entzogen werden. Das würde die meisten davon staatenlos machen. Das wäre verfassungswidrig und ganz ehrlich einfach sinnlos, kompliziert und dumm. Immerhin müsste das ja für alle Deutschen gelten, vor allem da der absolute Großteil aller (auch schweren) Straftaten von Deutschen begangen wird. Hier mehr dazu:

Mit diesen Fakten über Flüchtlingskriminalität zerlegst du die AfD in Diskussionen

Rassistische, Verfassungsfeindliche Ideologie

Falls – und davon gehe ich aus – die AfD damit nur diejenigen meinte, die eine doppelte Staatsbürgerschaft besitzen oder einen Migrationshintergrund haben, wird diese Forderung leider nicht sinnvoller. Denn: Auf welcher rechtlichen Grundlage möchte die AfD denn zwischen Deutschen und Deutschen mit Migrationshintergrund unterscheiden?

Möchte sie letztere zu Bürgern zweiter Klasse machen, für die andere Gesetze und Strafen gelten? Das ist verrückt und verfassungswidrig. Und wieder einmal etwas, das die Nationalsozialisten im Dritten Reich auch gemacht haben mit den Juden. Ich will gar keine Nazi-Vergleiche machen, aber das AfD-Wahlprogramm für Bayern ist eben voll mit diesem Denken!

6.) Sinnlose Forderungen nach einer Grenzpolizei, die es bereits gibt und die nichts bringt

Die AfD fordert auf Seite 23 vom Wahlprogramm Bayern die „Wiedereinführung der Bayerischen Grenzpolizei“. Erstens: Sie wurde bereits von der CSU wieder eingeführt, beschlossen wurde das bereits im März. Zweitens: die AfD begründet das mit der aktuellen Lage und der prognostizierten Wanderbewegung von Afrika und dem Nahen und Mittleren Osten Richtung Westeuropa“. Das ist aber falsch. Migration nach Europa und Deutschland ist inzwischen faktisch nicht mehr existent. Siehe hier:

Es kommen kaum noch Schutzsuchende in die EU: Jetzt wieder wichtigere Themen?

Drittens: Die Grenzpolizei, die die CSU bereits eingeführt hat, ist genau deshalb völlig sinnlos. In den ersten vier Monaten sind lediglich 4 aufgegriffene Personen bekannt. Bei 500 Grenzpolizisten. Das Innenministerium spricht von 220 Fällen von „illegalen Einreisen“, aber bei wie vielen es sich um an der Grenze aufgegriffene Schutzsuchende handelt, ist nicht klar. Auch hat die Polizei keine echte Befugnis für Zurückweisungen, auch wenn die AfD etwas ganz anderes behauptet.

Im Programm schreibt sie, dass Zurückweisungen „legal“ seien, ABER: In der kleinen Anfrage, auf die sie verweisen, steht:

“Nach Artikel 36 der Dublin III-Verordnung können die Mitgliedstaaten „untereinander bilaterale Verwaltungsvereinbarungen bezüglich der praktischen Modalitäten der Durchführung“ der Dublin III-Verordnung treffen, „um deren Anwendung zu erleichtern und die Effizienz zu erhöhen.“

Das heißt: Zurückweisungen wären nur theoretisch möglich. Aber dazu müsste der Staat, in welchen zurückgewiesen wird, diese annehmen. Und das macht zum Beispiel Österreich nicht. Eine direkte Zurückweisung an der Grenze ist unmöglich, da so ein Verfahren mehrere Monate dauern kann, in welcher Zuständigkeiten geklärt werden müssen, und so weiter. De facto ist eine Zurückweisung nicht praktikabel und eine Grenzpolizei sinnlos. Siehe auch:

2015 war vollkommen legal: Der rechte Mythos von der „illegalen Massenmigration“

7.) Absurder, populistischer Vorschlag: „Steuerverschwendung bestrafen“

Es mag vielleicht auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen, die ”Verschwendung von Steuergeldern bestrafen” (S. 38) zu wollen, aber es ergibt weder Sinn, noch ist es umsetzbar. Zum einen lassen sich finanzielle Unwägbarkeiten und der mögliche Misserfolg von Investitionen nicht immer abschätzen, zum anderen ist die Vorstellung, dass Einzelpersonen für gemeinschaftlich beschlossene Projekte haftbar gemacht werden könnten, verrückt. 

Wie und wer soll zur Verantwortung gezogen werden, wie soll man Verantwortung nachweisen? Müssten erfolgreiche Projekte dann auch finanziell belohnt werden? Wie sollen Privatpersonen für Fehlinvestitionen haftbar gemacht werden können? Wann ist etwas überhaupt eine „Fehlinvestition“? Dieses Konzept ergibt von vorne bis hinten überhaupt keinen Sinn. Bevor wir das tun: Sollten wir nicht zuerst Unternehmensvorstände für Betrügereien wie manipulierte Software bei den Diesel-Skandalen zu Verantwortung ziehen?

5 Beweise, dass die AfD rechtsradikal ist – Allein aus der letzten Woche

Artikelbild: screenshot facebook.com, Danke an KlarText für die Hilfe bei der Recherche!