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Der BAMF-„Skandal“, der keiner war: Alle Fakten

von | Jun 14, 2018 | Analyse

Die Empörung über den angeblichen „BAMF-Skandal“ war groß in den deutschen Medien, doch mit den Fakten, die inzwischen ans Licht kamen, stellt sich heraus: Kaum ein Vorwurf hat sich erhärtet.

Groß hatten AfD und FDP einen Untersuchungsausschuss gefordert, die deutschen Medien waren empört. Worum ging es? Angeblich sollten Asylbescheide ohne ausreichende Rechtsgrundlage ausgestellt worden sein. Bei der Außenstelle des Bundesministeriums für Migration und Flüchtlinge (BAMF), war von Korruption und Kriminalität die Rede. 1200 Menschen soll unrechtmäßig Asyl gewährt worden sein. (Wir berichteten)

Doch kaum einer dieser Vorwürfe hat sich erhärtet. Zum einen ist die Zahl der Fälle deutlich geringer als zuvor angenommen. Das Bundesamt erklärte nach einer internen Revision auf Anfrage von NDR und Radio Bremen, „In dem Bericht vom 11. Mai 2018 werden 975 der 1336 durch Bremen positiv entschiedenen Verfahren als nicht plausibel eingestuft. Diese Einschätzung bedeutet nicht zwingend, dass diese 975 Verfahren materiell falsch sind.“ Die eingesetzten Prüfer stellen fest, dass nur „in 578 Fällen ein Widerruf geboten“ sei.

Das heißt nicht, dass diese rechtswidrig getroffen worden sind, sonst würde man von einer „Rücknahme“ sprechen, der Erlass sei rechtmäßig getroffen worden, nur habe sich die Rechts- oder Sachlage geändert. Die anderen Fälle beinhalteten zwar formelle Fehler, „dennoch wäre die Entscheidung auch von anderen Organisationseinheiten exakt gleich getroffen worden“.

Es ging alles mit rechten Dingen zu

Weitere Vorwürfe lauteten, dass extra Asylbewerber nach Bremen gefahren wurden, um dort ihre Asylanträge zu stellen. In der Tat hat die Bremer Außenstelle eine außergewöhnlich hohe Zahl an Fällen bearbeitet, jedoch ist das nichts skandalöses: Sie hatten Fälle aus dem Umland übernommen, um andere Behörden zu entlasten, was nichts außergewöhnliches ist.

Verdächtig war die angeblich hohe Schutzquote in Bremen. Dies hatte aber lediglich den Grund, dass es sich vor allem um Jesiden handelte. Die Schutzquote für Jesiden lag bundesweit bei 86.44%, in Bremen waren es 94,02%. Das hatte damit zu tun, dass Jesiden auf der Flucht vom „Islamischen Staat“ waren und besonders verfolgt wurden. Die Vereinten Nationen klagten einen Völkermord an, dementsprechend gut begründet waren die meisten Asylanträge.

Die Vorwürfe zum Vorfall entsprangen vornehmlich aus Hörensagen – Angeblich solle man Beamte bestechen hätte können. Der einzige Zeuge, ein Dolmetscher, auf dessen Grundlage die Polizei ermittelte, sei aber gar nicht geeignet gewesen, die Amtsleiterin Ulrike B. direkt zu belasten, da er keine konkreten Vorwürfe formuliert habe. Außerdem verweigert er sich inzwischen, verwertbare Angaben zu machen. Seine Glaubwürdigkeit wird inzwischen weiter in Frage gestellt: Er hatte Hausverbot in der Bremer Außenstelle, er habe unerlaubterweise Dokumente kopiert.

BAMF-„Skandal“ basieren im Grunde genommen auf Fake News

Hinweise auf Bestechungsgelder gibt es bis heute keine einzigen. Auch gibt es bis jetzt neben Ulrike B., der beschuldigen Amtsleiterin, keine weiteren Beschuldigten. Vorwürfe bezüglich einer Hotelübernachtung, die ihr bezahlt worden sei, konnten sich auch nicht erhärten: Ihr Anwalt sagt, es gäbe eine Quittung, die belege, dass sie die Übernachtung selbst gezahlt habe.

Nach dem derzeitigen Stand gibt es also keine unrechtmäßig ausgestellten Asylanträge und keine Bestechung. Das bleibt also alles von dem großen BAMF-„Skandal“ übrig, den Medien und Rechtspopulisten und Rechtsextreme groß ausschlachteten als „Beweis“ für die Unrechtmäßigkeit des Asylsystems. So viel zur „Herrschaft des Unrechts“.

Der wahre Skandal liegt woanders: 37.000 Asylbescheide wurden zu Unrecht abgelehnt32.500 haben Gerichte gekippt, der Rest wurde von den Ämtern revidiert. Wenn es zu Unrecht ausgestellte Bescheide gibt, dann vor allem zum Ungunsten von Asylbewerbern. Dabei soll nicht einmal böse Absicht unterstellt werden, immerhin hat das BAMF 2017 fast 100.000 Überstunden angehäuft, was ein Indikator für die Überarbeitung der Mitarbeiter darstellt und Fehler in großem Maße erklären könnte.

Der Skandal liege darin, dass das BAMF überfordert und unterbesetzt war und ist und dass die Politik zu wenig unternommen hat, um die Beamten zu unterstützen. Im Gegenteil, aufgrund des Verbots von Kettenverträgen könnte es passieren, dass das BAMF mehrere hundert erfahrene Angestellte entlassen muss, auch wenn das verhindert werden soll.