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Chemnitz: Wie Nazis mit Falschmeldungen Pogromstimmung erzeugt haben

von | Aug 27, 2018 | Analyse

Falschmeldungen und selektive Berichterstattung.

Dass rechte und rechtsextreme Menschen in abgeschotteten Filterblasen leben, die ausschließlich gefüllt ist mit Geschichten von Straftaten von Nicht-Deutschen oder gar vielen Falschmeldungen, ist kein Geheimnis. Die rechte „Lügenpresse“, die von und für Rechte in einem Geflecht aus Blogs und Social Media Gruppen besteht, hat seit Jahren nur eine Aufgabe. Das Weltbild der Menschen, die fremdenfeindliche Einstellungen aufweisen, jeden Tag mit vermeintlichen Rechtfertigungen zu füttern.

Das geht so weit, dass die Realität unglaubwürdig erscheint: Dass Deutschland so sicher ist wie seit 1992, wird einfach nicht geglaubt. Auch spielt es keine Rolle, dass Nicht-Deutsche nur einen Bruchteil der Straftaten in Deutschland begehen. Oder dass anerkannte Schutzsuchende sogar unterdurchschnittlich kriminell sind. Mit realen, aber auch ausgedachten Straftaten wird jeden Tag weiter der Hass geschürt und das eigene Weltbild untermauert.



Gerüchte und Fakes um Chemnitz

Die tragische Ermordung des Daniel H. ist schlimm genug. Doch noch bevor bereits alle Fakten bekannt waren, hatten die Rechtsextremen bereits ihre Schuldigen gefunden. Dass sie deshalb oft, wie beispielsweise in Münster oder Viersen falsch lagen, kriegen sie oft gar nicht mit. Fakt ist jedoch: Es gab nur ein Opfer. Dem Streit, in welchem die tödlichen Stiche zugetragen wurden, ging KEINE sexuelle Belästigung voraus. Entgegen verschiedensten Fake News. (Quelle)

Doch mit Übertreibungen, Gerüchten und Falschmeldungen wurde der Fall in der rechten Filterblase hoch skandalisiert. Was die Rechtsextremen nicht mögen würden: Daniel H. bezeichnete die Pegida als „Spinner“, hörte links-autonomen Punkrock und war erklärter Gegner der AfD. Das Problem am Weltbild der Rechten: Bestraft und verurteilt sollen in diesem Land nur diejenigen werden, die sich etwas zu Schulden kommen haben lassen. Und nicht alle diejenigen, die „nicht deutsch“ aussehen.

Nazi-Menschenjagd als Entladung des Hasses

So bedauerlich der Mord auch ist, und so sehr die Täter auch ihre gerechte Strafe verdient haben und auch bekommen werden. Nichts davon rechtfertigt den Hass gegen Millionen unschuldige Menschen, erst Recht nicht Selbstjustiz oder Gewalt. Und genau deshalb ist eine Menschenjagd, wie wir sie gestern in Chemnitz gesehen haben, absolut inakzeptabel.

Doch die Rechtsextremen, die jetzt auf die Straße gehen, sind förmlich in ihrer menschenfeindlichen Ideologie gehirngewaschen. Das ist keine Entschuldigung, im Gegenteil. Das macht sie umso gefährlicher. Denn mit diesen Menschen und den anderen, die rechtsextreme Parolen verbreiten und rechtsextreme Parteien wählen, kann man nicht mehr diskutieren. Man kann sie nicht mehr durch Entgegenkommen politisch „zurück holen“.

Sie belügen sich selbst und uns, wenn sie Einzelfälle herauspicken, um ihre menschenverachtende Ideologie zu rechtfertigen. Sie haben keine ernst zunehmenden politischen Positionen, außer die Abschaffung des Rechtsstaats und der Demokratie. Deswegen dürfen wir das nicht zu lassen. Wer sich dagegen stellt, ist nicht „links“. Sich gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit zu stellen sollte der Normalzustand in unserer Gesellschaft sein.

Neo-Nazi-Aufmarsch in Chemnitz

Wer sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht explizit von dieser Ideologie distanzieren kann oder will, macht sich zum Mittäter. Auf der heutigen Demo in Chemnitz bezeichnen sich die Rassisten als „frei, national, sozial“, zeigen Hitlergrüße, rufen fremdenfeindliche und verfassungswidrige Parolen. Das ist kein legitimer Protest. Kein Trauermarsch. Und kein legitimer Protest. Das ist Faschismus.

Durch selektive Wahrnehmung, Bots und Fake-Accounts und Fake News wurde in den letzten Jahren der Grundstein für den Faschismus gelegt. 2015 wurde zur Dolchstoßlegende des 21. Jahrhunderts konstruiert. Ein austauschbarer Anlass wurde genutzt, um die Früchte des Hasses zu ernten und auf die Straße zu tragen. Und jetzt, wird in Chemnitz auf der Straße ausgetestet, ob sich der Faschismus auch da draußen halten kann.

Deswegen ist es umso wichtiger, dass wir das nicht zu lassen. Dass die Berichterstattung nicht den Fehler macht, die Rechtsextremen sprachlich irgendwie zu verharmlosen oder die Menschen, die sich dem Faschismus entgegenstellen als irgendetwas anderes darzustellen. Die Zivilgesellschaft und unsere Demokratie steht vor einer gefährlichen Herausforderung. Wir dürfen jetzt nicht falsche Toleranz zeigen. Und klar für unsere Werte einstehen.

Artikelbild: pixabay.com, CC0