Dank euch im Einsatz!  ❤️‍🔥Jetzt Spenden!

👕 Mit HALTUNG in den Herbst! Shop 👕

🎙️ Neue Podcast-Folge! 🎙️

1.640

Wann kommt endlich die echte Migrationswende?

von | Okt. 21, 2025 | Analyse

Seit Jahren heißt es in der Migrationspolitik nur: härter, strenger, kälter werden. Dass das keine Erfolge bringt, sondern im Gegenteil die rechtsextreme AfD noch stärkt, teilweise rechtswidrig ist und gleichzeitig unnötiges menschliches Leid verursacht, scheint der Politik egal zu sein. Mehr noch: Die CDU-Spitze kopiert mittlerweile einfach offen rassistische AfD-Rhetorik

Der Volksverpetzer kritisierte die deutsche Migrationspolitik in der Vergangenheit regelmäßig und zeigte auf, was falsch läuft. Aber wir wollen nicht immer nur kritisieren. Heute werfen wir einen Blick auf konkrete, integrative und lösungsorientierte Ansätze in der Migrationspolitik. Anders gesagt: Wie könnte eigentlich die echte Migrationswende aussehen, von der immer alle sprechen? Und nein, Herr Merz, wir meinen damit nicht die „Rückführungsoffensive“ des Bundesinnenministers, sondern ECHTE Migrationspolitik.

Seit Jahren heißt es "So kann es nicht weitergehen in der Migrationspolitik!" und gemeint ist immer "Mehr Härte!". Aber seit Jahren ist "mehr Härte" die Devise! Warum wird das einfach akzeptiert? Wenn wir nicht aussprechen, dass "Mehr Härte" nicht funktioniert, wird das immer die Scheinlösung sein!

Der Volksverpetzer (@volksverpetzer.de) 2025-03-17T09:33:25.843Z

Migration war schon immer da und wird auch immer da sein

In unserer heutigen, oft polarisierten Debatte um Migration wird der Anschein erweckt, entweder man ist „für“ oder „gegen“ Migration. Doch man könnte genauso gut fragen, ob man dafür oder dagegen ist, dass sich die Erde weiterdreht. Migration ist eine Realität, die die Menschheitsgeschichte für immer begleiten wird. Migration gehört zum Menschsein wie Essen, Schlafen oder Atmen. Es ist kein Phänomen des 21. oder 20. Jahrhunderts – Menschen zogen schon immer umher. Schon seit der Mensch vor etwa 120.000 Jahren Afrika verlassen hat und die ganze Welt besiedelte, gibt es Migration. Menschen zogen damals und ziehen auch immer noch umher, um sich woanders bessere Wohn- und Arbeitsverhältnisse aufzubauen, um vor Kriegen zu fliehen, um sich selbst zu verwirklichen und viele Gründe mehr. Auch deutsche Auswanderer sind da keine Ausnahme:

Die Frage ist daher nicht: „Wird es Migration in Zukunft geben?”, die Frage ist: „Wie gestalten wir auf politischer und gesellschaftlicher Ebene die Herausforderungen und Chancen von Migration auf eine sinnvolle Art und Weise?” Und daran hapert es in der sehr polarisierten Debatte über Migration massiv. In der närrischen Überzeugung, der AfD in Migrationsthemen immer mehr nach dem Mund plappern zu müssen, rückt die Bundesregierung immer weiter nach rechts. Raum für Differenzierung bleibt da kaum, wie Landrat Ali Doğan (SPD, Kreis Minden-Lübbecke, NRW) treffend analysierte:

„Nur selten drängt eine differenzierte Analyse ins Scheinwerferlicht der Talkshows. Dabei müsste es mal präziser um Asylpolitik, mal um Einwanderung, mal um Bildungs-, Arbeitsmarkt- oder Sozialpolitik gehen. Die Ideologisierung der Debatte in für und wider, in gut und schlecht führt nicht nur zu einer defizitorientierten Grundstimmung, sondern auch zu einer unscharfen und eindimensionalen Problemanalyse. Der Blick auf Ressourcen und Chancen wird in reflexartiger Abwehrhaltung verstellt.”

5 Beispiele einer wahren Migrationswende

Klar sollte uns eigentlich allen sein: So wie bisher kann es in der Migrationspolitik nicht weitergehen. Wir tun so, als könnte Deutschland trotz Schengen-Regeln seine Grenzen dauerhaft schließen und rechtswidrige Maßnahmen wie die Zurückweisung von Asylsuchenden an der Grenze einfach so fortführen. Wie Naika Foroutan, Professorin für Integrationsforschung und Gesellschaftspolitik, treffend beschreibt

„Es fehlt Deutschland an jeglicher Form von Zukunftserzählung. Migrationspolitik wird nur im Hier und Jetzt, reaktiv und von rechter Seite gar rekonstruktiv verhandelt – mit dem Versprechen, durch Massenausweisungen eine Vergangenheit wiederherzustellen, in der es keine Migranten gab.”

Wie könnte eine progressive Zukunftserzählung aussehen? Die folgenden fünf Beispiele zielen sowohl auf Flucht- als auch auf Erwerbsmigration ab. Während manche Zuwandernde primär Schutz vor Verfolgung und/oder Krieg suchen, wandern andere zuallererst aufgrund eines konkreten oder abstrakten Jobangebots nach Deutschland aus. Doch diese vermeintlich strikte Trennung muss keine solche sein. Denn auch Asylsuchende finden in großer Mehrheit ihren Platz im Arbeitsmarkt. Gleichzeitig macht das Menschenrecht auf Asyl klar, dass Asylsuchende bedingungslosen Schutz genießen.

Aber wir haben ja eingangs ganz konkrete, vielversprechende Ansätze einer möglichen Migrationspolitik versprochen. Hier also fünf Beispiele, wie eine echte Migrationswende aussehen könnte.

1. Best Practice: Kommunales Matching

Das erste Beispiel schaut auf die kommunale Ebene. Denn obwohl häufig die Diskussionen in Berlin im Fokus stehen, sind es letztendlich die Gemeinden in Deutschland, die für Aufnahme, Versorgung und Integration von Asylsuchenden zuständig sind. Bisher werden Asylsuchende in Deutschland zunächst Erstaufnahmeeinrichtungen der jeweiligen Bundesländer zugeteilt und später nach landesinterner Quote auf die Kommunen. Die Aufteilung in die Bundesländer erfolgt nach dem Königsteiner Schlüssel. Der wird jedes Jahr neu berechnet und setzt sich zu zwei Dritteln aus dem Steueraufkommen und zu einem Drittel aus der Bevölkerungszahl des jeweiligen Bundeslandes zusammen. Es ist ja auf den ersten Blick logisch: Größere Bundesländer (gemessen an der Bevölkerungszahl), die gleichzeitig mehr Steuern einnehmen, sollten gerechterweise auch mehr Asylsuchende aufnehmen. Derzeit nimmt Nordrhein-Westfalen zum Beispiel über 21 Prozent, das Saarland dagegen etwas mehr als ein Prozent aller Asylsuchenden auf. 

Kommen viele Asylsuchende gleichzeitig in Deutschland an, kann es durchaus vorkommen, dass die Kommunen überlastet sind. Das war beispielsweise 2015/16 so. Doch in vielen Kommunen hat sich die Lage auch wieder entspannt:

Doch Überlastungsprobleme sind in vielen Kommunen trotzdem real. Und auch andere Herausforderungen bleiben. Dadurch, dass vor allem nach Quote verteilt wird und wenig danach, ob Kommune und Asylsuchende überhaupt zusammenpassen, können Probleme entstehen. Und nein, Geflüchtete dürfen das Gebiet, dem sie zugewiesen wurden, nicht einfach verlassen. Je nach Bleibeperspektive greift eine mehr oder weniger strenge Residenzpflicht.

Algorithmus berechnet, ob Schutzsuchende und Kommune zusammenpassen

Um Kommunen und Geflüchtete besser zu matchen, entwickelten Forscher:innen einen neuen Ansatz. Die Idee dahinter: Ein Algorithmus könnte berechnen, wie gut eine schutzsuchende Person zu einer Kommune passt. Seitens der Kommune werden zum Beispiel die Faktoren Wohnungsangebot, Mobilität und weitere erfasst. Seitens der Geflüchteten spielen Faktoren wie Beruf, Familienstand und andere eine Rolle. Die Idee des sogenannten Match’in-Verfahrens siehst du hier:

Screenshot Stiftung Mercator

Ein interdisziplinäres Projektteam hat an der Umsetzung der Idee bereits mehr als drei Jahre lang gearbeitet. Einbezogen waren schon Pilotkommunen und Behörden in mehreren Bundesländern. Nun liegt es an der Politik, diesen vielversprechenden Ansatz weiterzuverfolgen.

2. Mehr von den Erfolgen der Ampel

Das nächste Beispiel steht im Kontext bundesweiter Gesetzgebung. Obwohl die Ampel-Koalition krachend gescheitert ist und viele von uns vermutlich eher die Misserfolge und weniger die positiven Eindrücke in Erinnerung haben, wäre es falsch zu sagen, alles an ihr war schlecht. Konkret in der Migrationspolitik gab es auch Erfolge und fortschrittliche Ansätze. Während sich die Ampel mit der Zeit vom Irrglauben beeinflussen ließ, Verschärfungen in der Asylgesetzgebung würden die AfD eindämmen (das Gegenteil ist der Fall), startete sie vergleichsweise innovativ und hat mit einzelnen Gesetzen die Integration gestärkt.

Ihr haben wir es beispielsweise zu verdanken, dass ausländische Mitbürger:innen nicht mehr wie früher acht Jahre warten mussten, um die deutsche Staatsbürgerschaft zu beantragen, sondern nur noch fünf – in besonderen Fällen sogar nur drei (dieser Sonderfall wurde mittlerweile wieder abgeschafft).

Auch die Möglichkeit, eine doppelte Staatsbürgerschaft zu besitzen, führte die Ampel ein. Und nicht nur das: Im Zuge des Chancen-Aufenthaltsrechts wurde endlich ein Instrument zur Einführung einer dauerhaften Bleibeperspektive für Menschen mit jahrelangem Duldungsstatus geschaffen. Zur Erinnerung: Geduldete haben in Deutschland keinen Aufenthaltstitel, sondern sind eigentlich ausreisepflichtig. Aus praktischen Gründen ist aber die Ausreise oder Abschiebung faktisch oft nicht möglich. Viele Menschen leben in Deutschland jahrelang mit einer Duldung und sind dadurch in einem Limbo aus Furcht vor drohender Abschiebung und eingeschränkten Rechten gefangen.

Das Chancen-Aufenthaltsrecht wird Ende 2025 auslaufen. Der Koalitionsvertrag von CDU und SPD sieht keine Fortführung des Chancen-Aufenthalts vor. Eine Folgeregelung ist geplant, aber mit höheren Voraussetzungen (siehe Koalitionsvertrag S. 96). 

Die Migrationswissenschaft ist sich einig: legaler Aufenthalt und realistische Bleibeperspektiven sind die besten Instrumente einer gelungenen Migrations- und Integrationspolitik. Daher dürfen wir die Ampel-Migrationserfolge, die es ja durchaus gab, nicht vergessen und müssen sie weiter ausbauen. Könnte das mal jemand Union und SPD sagen?

3. Wer keine „illegale“ Migration will, muss legale Wege schaffen 

Stell dir vor, in deinem Land bricht Krieg aus und du bist nicht mehr sicher und entscheidest dich zu fliehen. Wäre es da nicht am besten, du müsstest nach potenziell bereits traumatischen Kriegserfahrungen nicht auch noch eine Fluchtroute wählen, auf der du dein Leben riskierst? 

An diesem Punkt setzt die Idee des koordinierten „Resettlements“ an. Zunächst fliehen ja (anders als von beispielsweise Unionspolitikern propagiert) die weltweit meisten Flüchtlinge in Nachbarländer. 69 % der weltweit Schutzsuchenden suchen im Nachbarland Zuflucht (UNHCR Global Trends Report S. 21). Ergibt ja auch Sinn: Flüchten ist gefährlich und kostet Geld – kurze Distanzen sind oftmals schlichtweg die machbarsten Optionen.

UNHCR definiert „Resettlement“ so: 

„Resettlement ist die organisierte Aufnahme von durch UNHCR anerkannten, besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen, die weder in ihr Heimatland zurückkehren, noch in dem Land bleiben können, in das sie geflohen sind. Resettlement und humanitäre Aufnahmeprogramme stellen wichtige Elemente der internationalen Verantwortungsteilung dar und können Schutzbedürftigen eine Perspektive schaffen, wenn es daran im Erstaufnahmeland mangelt. Sie bieten einen legalen und sicheren Zugang zu Schutz in einem Drittland und stellen damit einen wichtigen Baustein des internationalen Flüchtlingsschutzes dar.”

Können beispielsweise anerkannte Flüchtlinge aus Eritrea nicht im Nachbarland Äthiopien bleiben, gibt es für besonders vulnerable Flüchtlinge die Möglichkeit, auf sicherem und legalem Weg in ein Drittland ausgeflogen zu werden. Diese 10 Aufnahmeländer (meist die Nachbarländer von Krisenregionen) bräuchten am stärksten Resettlement-Unterstützung:

Screenshot UNHCR

Freiwillige Aufnahmen schaffen Planbarkeit und verringern „illegale“ Migration

In der Theorie soweit gut, in der Praxis erhalten nur fünf Prozent der Flüchtlinge, die Resettlement nach UNHCR-Definition benötigen würden, einen Aufnahmeplatz in einem der 21 mitmachenden Drittstaaten. Für 2025 erwartet UNHCR, dass die Resettlement-Quoten den niedrigsten Stand seit 2003 erreichen. Und daran trägt auch Deutschland Verantwortung, denn: Merz & Co. haben den freiwilligen Aufnahmeprogrammen, darunter auch Resettlement, eine Absage erteilt. Das Resettlement-Programm läuft bis zum Jahresende aus, weitere Programme wird es laut Koalitionsvertrag nicht geben. 

Das ist fatal – doch wir haben euch ja Best Practice Beispiele versprochen. Neben dem UNHCR-Resettlement-Programm, das dringend wieder mehr Aufnahmekapazitäten benötigt, bieten sogenannte humanitäre Visa die Möglichkeit einer legalen Flucht. Sie können das Grundrecht auf Asyl selbstverständlich nicht ersetzen, bieten aber die Möglichkeit, bereits im eigenen Land ein gültiges Visum für ein Aufnahmeland zu beantragen. Asylanträge können in der Regel nur auf dem Territorium des Zielstaates gestellt werden. Deswegen fliehen ja so viele Menschen über lebensgefährliche Routen in Drittstaaten, um dort – vor Ort – Asyl beantragen zu können. 

Wichtige Bausteine für mehr legale Zuwanderungswege

In Einzelfällen kann man in einer deutschen Botschaft im Ausland ein „Visum zur Einreise aus humanitären Gründen“ beantragen. Darauf gibt es jedoch keinen Rechtsanspruch, dieses Visum wird nur sehr selten erteilt. Es gibt kein EU-weites Recht auf ein humanitäres Visum. Und in Deutschland laufen freiwillige Aufnahmeprogramme aus, zum Beispiel ist das Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan ausgesetzt.

Fortschrittlicher ist da beispielsweise Brasilien. Das südamerikanische Land begann schon 2012 ein humanitäres Visum für Haitianer:innen einzuführen, als Reaktion auf das tragische Erdbeben in dem karibischen Land im Jahr 2010. Antragstellende können einen Antrag in der brasilianischen Botschaft in Port-au-Prince stellen und dann mit dem humanitären Visum nach Brasilien fliegen. Dort können sie Asyl oder eine befristete Aufenthaltsgenehmigung aus humanitären Gründen beantragen. Humanitäre Visa gibt es auch für afghanische und syrische Schutzsuchende. Für die Flüge nach Brasilien müssen die Antragstellenden aber selbst aufkommen. 

Aufnahmeprogramme dürfen nicht als Ersatz des individuellen Asylrechts gesehen werden. Sie sind aber, beispielsweise neben dem Familiennachzug, wichtige Bausteine für mehr legale Zuwanderungswege.

4. Sanctuary cities: Mit Haltung gegen Abschiebungen

Definitiv ein mutmachendes Beispiel, wie Migrationspolitik mit Haltung aussehen kann, sind die sogenannten „sanctuary cities” (Zufluchtsstädte) in den USA oder auch „cities of solidarity” in Europa. Los Angeles ist ein prominentes Beispiel einer „sanctuary city”, die bestimmt hat, dass weder finanzielle noch personelle Ressourcen der Stadt verwendet werden dürfen, um bei der Abschiebekampagne von Trump mitzumachen. Das Selbstverständnis dahinter zeigt Haltung und zielt darauf ab, auch Migrant:innen ohne Papiere zu schützen. Auch Migrant:innen ohne Papiere sind genauso Menschen mit vollen Menschenrechten wie alle anderen. Und keine Menschen zweiter Klasse. Das wird in vielen Diskussionen regelmäßig vergessen.

Die Bewegung geht in den USA bis in die 1980er Jahre zurück und reicht über die Ablehnung von Abschiebekampagnen hinaus. In den „sanctuary cities” haben undokumentierte Migrant:innen oftmals auch Zugang zur grundlegenden sozialen Infrastruktur. Wichtig zu betonen ist an dieser Stelle, dass das Konzept der sanctuary cities zwar zunächst nichts an beispielsweise Trumps faschistischer Abschiebepraxis ändern kann. Doch sie sind buchstäblich ein Akt des Widerstands, des zivilen Ungehorsams. Und besonders für undokumentierte Migrant:innen bieten sie Schutz und Teilhabe an der Gesellschaft. 

In Europa gibt es etwas Ähnliches, nämlich die sogenannten „cities of solidarity”, darunter zum Beispiel Barcelona. Der Solidaritätsgedanke ist dem US-amerikanischen Modell ähnlich, doch die Rechtsprechung funktioniert EU-weit etwas anders. In Deutschland beispielsweise haben Städte und Kommunen weniger Freiheiten als in den USA. Dennoch können sie ein Zeichen für Solidarität gegenüber Geflüchteten setzen. 320 Kommunen und Städte in Deutschland sind sogenannte „Sichere Häfen”. Sie sind bereit, mehr Menschen aufzunehmen, als sie müssten. Gleichzeitig fordern die jeweiligen Bürgermeister:innen und Stadträt:innen die Entkriminalisierung der Seenotrettung. Die Organisation „Seebrücke“ hält auf ihrer Website genau fest, welche Kommune bereits wie viele Anforderungen eines sicheren Hafens erfüllt hat.

5. Wir dürfen die Vorbilder nicht verschweigen 

Schon eingangs haben wir Landrat Ali Doğan (SPD, Kreis Minden-Lübbecke, NRW) zitiert. Er plädiert nicht nur für eine differenziertere Analyse der deutschen Migrationspolitik, sondern fordert auch mehr Repräsentation von Menschen mit Migrationsbiografie in der Politik. Er sagt:

[W]ir brauchen Repräsentation. Vorbilder, d.h. Menschen, die hier gut angekommen und Teil unserer Gesellschaft sind. Menschen, die eine Brücke bauen können. Bundesweit sind Menschen mit Migrationsbiografie auf kommunaler und Landesebene deutlich unterrepräsentiert. Besonders deutlich gilt das für Flächenländer wie NRW. Ich selbst bin ein gutes Beispiel dafür: Der einzige „meiner Art“ von 31 Landräten im bevölkerungsreichsten Bundesland.”

In Deutschland macht sich beispielsweise das Refugee Advisory Board für mehr Teilhabe von Geflüchteten stark. Eines der Ziele des Boards ist es, die „Stimmen und das Fachwissen von Flüchtlingen, Asylsuchenden und anderen Vertriebenen durch ihre aktive und sinnvolle Beteiligung an politischen Entscheidungsprozessen auf nationaler und internationaler Ebene zu stärken“.

Bei der aktiven Teilhabe von Geflüchteten steht weniger stark eine bestimmte „Quote”, die es zu erfüllen gilt, im Fokus. Viel wichtiger ist es doch, dass unsere Einwanderungsgesellschaft beispielsweise im Bundestag auch als solche repräsentiert ist und Rechte und Interessen von Zugewanderten eingefordert werden. Gleichzeitig ist es wichtig, Menschen mit Migrationsbiografie nicht auf diese Biografie, die bei allen Zugewanderten unterschiedlich ist, zu reduzieren. 

Derzeit sitzen nur 73 Abgeordnete mit Migrationshintergrund im Bundestag. Das entspricht 11,6 Prozent der Abgeordneten. Knapp 30 Prozent der Bevölkerung hat aber eine Migrationsbiografie, unter den Wahlberechtigten sind es 14,4 Prozent. 

Screenshot Mediendienst Integration

Fazit: Eine Migrationspolitik der Härte wird scheitern – wir brauchen funktionierende Lösungen 

Selbstverständlich ist die Migrationspolitik komplex und umfasst ganz verschiedene Bereiche. Das wollen wir hier auch keinesfalls kleinreden. Insbesondere in der Asylpolitik gibt es jedoch gewisse Knackpunkte, die viel stärker im Fokus von Debatten stehen sollten, als sie es bisher tun. Erstens: Das individuelle Asylrecht darf nicht angetastet werden. Zweitens: legale Zuwanderungswege müssen ausgebaut werden. Das macht Flucht für viele Menschen nicht nur sicherer, sondern schafft auch Planbarkeit für die Kommunen. Drittens: eben diese Kommunen müssen nachhaltig gefördert werden – mit Geld für lokale Integration, Schulen, Wohnungsbau, aber auch mit personellen Ressourcen für die Ausländerbehörden.

Renommierte Migrationswissenschaftler:innen betonen immer wieder, dass „eine Migrationspolitik der Härte scheitern wird“. Wie wir anhand dieser fünf Best Practice Beispiele gesehen haben, gibt es vielversprechende Ansätze. Wir dürfen sie nur nicht ignorieren.

Artikelbild: Michael Matthey/dpa & Canva

Passend dazu: