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Studie: Corona stammt wahrscheinlich von Tieren – Schock für Laborthese-Fans

von | Mrz 27, 2023 | Analyse

Es ist mehr als drei Jahre her, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) das Covid-19-Virus am 11. März 2020 zur globalen Pandemie erklärte. Damals war klar: Das Virus ist in China ausgebrochen. Bis heute wissen wir dagegen nicht mit Sicherheit, was der exakte Ursprung des Virus ist. Wissenschaftliche Tendenzen gibt es dennoch. Sie sprechen aktuell stark dafür, dass das Virus von Marderhunden auf den Menschen übertragen wurde und damit eher gegen die Laborthese. Diese Vorsicht und scheinbar langsame Wahrheitsfindung sind keine Schwächen der Wissenschaft, wie „Querdenker“ behaupten. Tatsächlich ist es der Beweis, dass die Wissenschaft sorgfältig arbeitet.

Im März 2020 waren wir jedoch weit von dieser Erkenntnis entfernt. Damals kursierte sehr prominent die Vermutung, das Virus stamme von Fledermäusen – und passende Memes dazu fluteten die sozialen Medien. Expert:innen erwogen tatsächlich, dass das Virus in Form einer Zoonose von Fledermäusen über mehrere Zwischenwirte an den Mensch geraten sei. Noch heute ist es eins der wahrscheinlichsten Szenarien. Volksverpetzer ließ eine Molekularbiologin damals dazu aufklären.

Und dann wäre da noch eine weitere These, die sich wie ein Lauffeuer verbreitete: Das Virus sei (beabsichtigt oder unbeabsichtigt) aus einem chinesischen Labor entwischt. Besonders Querdenker:innen halten hartnäckig an der These fest, weil sie sehr gut in viele ihrer wirren Verschwörungsmythen passt.

Wissenschaftler:innen halten Zoonose für wahrscheinlich

Wissenschaftler:innen haben mit der Laborthese insbesondere deshalb zu kämpfen, weil es aktuell keine Möglichkeit gibt, sie endgültig zu widerlegen. Dafür bedürfte es eines Beweises, dass Covid-19 auf dem Markt in Wuhan von Tieren auf Menschen übergegangen ist. Diese Beweisführung erweist sich jedoch als unmöglich, weil die damals anwesenden Tiere beseitigt wurden, ohne dass vorher Abstriche gemacht werden konnten. Was jedoch da ist: Abstriche von Beginn des Jahres 2020, die genommen wurden, nachdem der Markt bereits geschlossen hatte. Sie ermöglichten es Forscher:innen nun, einige Tiere zu identifizieren, die zur Zeit des Ausbruchs des Corona-Virus auf dem Markt vertreten sein mussten: Marderhunde, malaiische Stachelschweine, Amur-Igel, Zibetkatzen und Bambusratten.

Bei zwei dieser Tiergruppen wurden die Wissenschaftler:innen besonders hellhörig. Denn Marderhunde sind dafür bekannt, anfällig für SARS-CoV-2 zu sein und die Infektion ohne klare Krankheitssymptome an andere Marderhunde zu übertragen. Sowohl Marderhunde als auch Zibetkatzen wurden außerdem mit einem Virus in Verbindung gebracht, das dem aktuellen SARS-Virus beinahe identisch ist und 2003 ausbrach. Zudem weisen Erkenntnisse über Zibetkatzen darauf hin, dass sie sich ebenfalls mit SARS-CoV-2 infizieren können. Die beiden Tiergruppen könnten endlich die Lücke der Zwischenwirte füllen.

Obwohl also der wahrscheinlichste Ursprung aus Sicht der Wissenschaft eine Übertragung vom Tier auf den Menschen ist, wie auch weitere Studien belegen, zirkulieren weiterhin faktenwidrige, gegensätzliche Behauptungen. Klar, Querdenker:innen, Rechtsextreme und Impfgegner:innen verbreiten gern jede Nachricht, die irgendwie nach Verschwörungstheorie klingt. Auch die Laborthese ist Teil dieses Lügenkonstruktes, das ist nichts Neues. Was dagegen wirklich besorgniserregend ist, sind öffentliche Behörden, die ohne wissenschaftliche Grundlage behaupten, die Laborthese sei der „wahrscheinlichste Ursprung“ des Corona-Virus. Genau das ist in den USA passiert.

Die meisten US-Behörden gehen von Tier-Ursprung aus, nicht Laborthese

Eins vorab, auch in den USA ist die Mehrheit der Behörden entweder zurückhaltend oder tendiert zur Zoonose-Theorie. Vier weitere Behörden sprechen sich vorsichtig für die Zoonosen-Theorie aus, zwei sind unentschieden. Die beiden Ausnahmen sind das Energieministerium und das FBI. Während also Forscher:innen also immer wieder Anzeichen für eine Zoonose finden, hält US-amerikanische FBI die Laborthese aufrecht. So verkündete FBI-Direktor Christopher Wray Anfang März 2023 gegenüber dem rechten Propagandasender Sender Fox News, dass eine Laborpanne in China „höchstwahrscheinlich“ für die Ausbreitung des Corona-Virus verantwortlich sei. Nähere Informationen konnte er laut eigener Aussage aufgrund von Geheimhaltung und weiterhin offenen Untersuchungen nicht nennen.

Warum das FBI diese unwissenschaftliche Behauptung verbreitet, kann natürlich nur vermutet werden. Ausführlichere Debatten machen indessen deutlich, dass die Laborthese auch in den Vereinigten Staaten als Politikum instrumentalisiert wird und die Diskussionen um den Ursprung von Corona symptomatisch für die schwierige Beziehung zu China stehen.

Ähnlich unverständlich ist der kürzliche Kursschwenk des Energieministeriums (!) der USA. Natürlich ist das Energieministerium nicht gerade die erste Adresse für Gesundheitsfragen. Dennoch gibt es rechten Narrativen unnötig Aufschwung, wenn eine offizielle Stelle ohne Not den aktuellen Stand der Wissenschaft derart verfälscht darstellt. Noch dazu, wenn eine eigentlich seriöse Zeitung das Narrativ in ihrem Framing weiter verzerrt, wie es das WallStreetJournal tat:

Screenshot The Wall Street Journal, Bearbeitung Volksverpetzer

Wissenschaftler:innen gehen ganz offensichtlich sorgfältig mit Forschungserkenntnissen um

Okay, fassen wir nochmal den Stand zusammen: Auf der einen Seite haben wir verschiedene Studien, die gegen die Laborthese und für einen natürlichen Auslöser sprechen. Auf der anderen Seite besteht das FBI auf der Laborthese und auch die WHO revidierte bereits 2021 eine Studie, in der sie die Laborthese laut eigener Aussage vorschnell verwarf. Klar ist, dass nichts klar ist, es jedoch wissenschaftliche Tendenzen gibt, die gegen die Laborthese sprechen.

Dass die Laborthese bisher nicht vollständig verworfen wurde, ist entgegen der „Querdenker“-Logik kein Beweis dafür, dass sie wahr ist. Sondern ein Anzeichen dafür, dass Wissenschaftler:innen tatsächlich alle Theorien sorgfältig prüfen, bevor sie zu einem Ergebnis kommen. So kann zwar die Laborthese noch nicht verworfen werden, aber das „Querdenker“-Narrativ der gesteuerten Wissenschaften definitiv.

Artikelbild: Carmelo1293