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3 Lügen über die Kita-Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung

von | Nov 29, 2018 | Analyse

Klarstellung

Die Fachstelle Gender und Rechtsextremismus der Amadeu Antonio Stiftung brachte im Herbst 2018 eine Borschüre heraus. Den Inhalt kann man hier einfach selbst nachlesen. Zum Inhalt hatte die Broschüre „Ideen für den Umgang mit Rechtsextremismus, Rechtspopulismus und Rassismus im Kita-Kontext“. So weit so unspektakulär. Doch ganze drei Monate später „entdeckten“ rechte Blogs und die AfD die Broschüre und versuchten, sie mit verzerrten Darstellungen als etwas anderes zu präsentieren.

Man sprach von „Kinderdressur“, vom „Stasi“, „linksradikale Agitation in Kindergärten“ und sogar dem „Vergreifen an Kinderseelen“ (Wtf?!). Dann landete der Pseudo-„Skandal“ in der B.Z., Cicero und schließlich heute in der BILD. Es ist wieder einmal ein Paradebeispiel, wie rechte Narrative immer und immer wieder wiederholt werden, damit sie in den Mainstream kommen und am Ende geglaubt werden.



Stiftung schlägt zurück: Was steht denn drin?

Die Amadeu Antonio Stiftung sah sich jetzt gezwungen, eine Klarstellung zu veröffentlichen, die man hier einlesen kann. Den Inhalt der Broschüre fassen sie so zusammen:

Es geht um Fallanalysen aus dem Bereich Kita-Arbeit, die Pädagog*innen, Träger oder Eltern vor Fragen stellen: Was tun, wenn bekannt wird, dass eine Kita-Erzieherin in der organisierten rechtsextremen Szene aktiv ist? Was tun, wenn ein Kind in der Kita Hakenkreuze zeichnet und sagt, zu Hause sei dies etwas Gutes? Wie damit umgehen, wenn Erzieher*innen oder Eltern flüchtlingsfeindliche oder rassistische Aussagen in der Kita vor Kindern treffen, geflüchtete Kinder oder Eltern direkt angreifen oder subtil ausgrenzen wollen?

Wie lässt sich argumentieren, wenn Eltern sich darüber empören, wenn Beispiele von Familienvielfalt in der Kita thematisiert werden? Erläutert werden Gegenstrategien, die für alle Kinder in der Kita Vielfalt erlebbar machen: Demokratiepädagogik, vorurteilsbewusste und anti-rassistische Erziehung. Es geht darum, so formuliert es Professor Stephan Höyng im Interview: „Kindern Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen – jenseits von Klischees.“

Faktencheck

Simone Rafael von der Amadeu Antonio Stiftung klärt über einzelne absichtliche Fehlinterpretationen der Broschüre auf. Ähnlich wie beim Migrationspakt verlassen sich rechte und rechtsextreme Blogs und PolitikerInnen darauf, dass ihre AnhängerInnen diese selbst gar nicht lesen, sondern einfach den vorgekauten Meinungen vertrauen. Und ebenso wie beim Pakt steht nicht drin, was darüber behauptet wird (Siehe hier). Zur Broschüre:

1. Geht es darum, rechte Eltern aufzuspüren?

Nein, es geht um Fallbeispiele aus der Kita-Praxis, in denen Eltern oder Erzieher*innen selbst aktiv durch rechtsextremes oder rassistisches Verhalten auffallen oder bekannt ist, dass sie rechtsextremen Gruppierungen angehören – und den Umgang damit.

Es geht im Kern um das Wohl eines jeden Kindes. Mit einem rechtsextremen Weltbild werden Kinder zum Hass erzogen und ihre freien Entfaltungsmöglichkeiten eingeschränkt. Es geht in der Handreichung um demokratische Bildung, die Stärkung von Kindern und ihren Rechten. Für alle, die eine plurale Gesellschaft wollen, sollte das eine Selbstverständlichkeit sein.“

2. Geht es darum, „rechtslastige Elternhäuser“ zu erkennen?

„Es geht um konkrete Fälle aktiven rechtsextremen und rassistischen Verhaltens. Es geht darum, darauf zu reagieren, wenn etwa Diskriminierungen in der Kita geäußert werden und z.B. Kinder rassistisch begründet ausgeschlossen werden.“

3. Erkennt man Kinder aus „völkischen Elternhäusern“ dadurch, dass die Mädchen Zöpfe tragen?

„Steht das so in der Handreichung? Nein. Das Zitat ist aus einem konkreten Fallbeispiel entnommen, bei dem es um Eltern geht, die bekanntermaßen einer rechtsextremen Kameradschaft angehören. Dieser entscheidende Punkt ist bisher in der Auseinandersetzung immer ausgelassen worden. Die Strategie der Rechtspopulist*innen durch entscheidende Auslassungen diffamierende Missverständnisse zu verbreiten, ist hier erneut aufgegangen.

Wird gesagt, Kita-Erzieher*innen oder andere Eltern könnten an diesem Dingen erkennen, dass es eine rechtsextreme Familie ist? Nein, es wird lediglich beschrieben, dass in diesem konkreten Fall die traditionellen Rollenbilder auf diese Weise vermittelt werden. Sie sind dabei nicht das Problem – das ist die rechtsextreme Einstellung der Eltern.

Übrigens ist die Gegenstrategie, die empfohlen wird, eine Einladung an die betreffenden Eltern zu einem Gespräch. Nicht, ihnen die Kinder wegzunehmen, auch nicht sie beim Verfassungsschutz zu melden oder sie wegen Kindeswohlgefährdung anzuzeigen. […]

Nirgendwo werden Mädchen mit Zöpfen unter generellen Rechtsextremismus-Verdacht gestellt. Also keine Sorge, Sie dürfen Ihren Töchtern und Söhnen auch weiterhin Zöpfe flechten und Kleider anziehen.“

gezielte Auslassungen, falsche Zitierungen und gewollte Missinterpretationen

Es ist eine typische rechte Strategie: Durch gezielte Auslassungen, falsche Zitierungen und gewollte Missinterpretationen erweckt man absichtlich einen völlig falschen Eindruck der Broschüre. Warum? Weil die Broschüre dazu helfen könnte, dass man im Dialog rassistische Einstellungen revidieren könnte. Wie man auch an den Melde-Portalen für LehrerInnen der AfD erkennt, soll kritische Auseindersetzung mit Rechtsextremismus unterbunden werden.

Die 8 lustigsten Eingaben in das AfD-Spitzel-Portal

Eine Broschüre zum Umgang mit konkreten Fällen von Rechtsextremismus und Rassismus wird so falsch dargestellt, dass das Zielpublikum denken muss, man wolle politische Einstellungen von Eltern erfassen und kontrollieren. Das ist Quatsch. Hier wird einfach wieder einmal durch Lügen und Täuschungen versucht, den sinnvollen Umgang mit rechter Ideologie zu behindern. Dass auch seriöse Medien und die BILD auf diesen Zug aufspringen ist eine Kapitulation des Diskurses und widerspricht den Fakten.

Artikelbild: Screenshot bild.de, bz-berlin.de