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Faktencheck: Die AfD fehlte wirklich am häufigsten im Bundestag

von | Okt 5, 2019 | Aktuelles, Analyse, Politik, Social Media

Die AfD fehlte wirklich am häufigsten im Bundestag

In einem Kontraste-Beitrag vom 26.09.2019 wurde erneut die Anwesenheit der Fraktionen bei namentlichen Abstimmungen im Bundestag ausgewertet. An der Spitze stand diesmal die AfD-Fraktion mit den höchsten Abwesenheitswerten (Fehlquote 13,57 Prozent). Wie auch Kontraste anmerkte, stand das im krassen Widerspruch zum eigenen Anspruch, es besser als die Abgeordneten der anderen Parteien zu machen. Die Meldung wurde von verschiedenen Medien aufgegriffen, so beispielsweise von der Tagesschau.

Rechte Blogs und inzwischen auch die AfD versuchen jetzt jedoch, es so aussehen zu lassen, als hätte Kontraste Fake News verbreitet. Kontraste wird vorgeworfen, nur einen bestimmten zeitlichen Ausschnitt erfasst zu haben, und Abstimmungsergebnisse weggelassen zu haben. Natürlich sei das in der paranoiden Weltanschauung der AfD Absicht gewesen und Teil der „Lügenpresse“-Verschwörung:



Faktencheck

Zwei Dinge sind zu beachten: Der Kontraste-Beitrag sind keine Fake News. Alles in dem Beitrag stimmt. Die AfD und die rechten Blogs tun jedoch so, also wäre im Beitrag etwas anderes gesagt worden. Kontraste macht jährlich – immer ein ganzes Jahr seit Zusammenfinden des Bundestages – eine Zählung über die Anwesenheit der Fraktionen bei den – ihrer Meinung nach wichtigen – namentlichen Abstimmungen. Bereits am 11.10.2018 wurden die ersten Ergebnisse für das erste Jahr im Bundestag veröffentlicht. In diesem Zeitraum führte die LINKE gefolgt von der AfD auf Platz 2.

Im zweiten Beitrag vom 26.09.2019 wird dementsprechend das zweite Bundestags-Jahr behandelt – Kontraste hat auch nie etwas anderes behauptet. Wenn die AfD und andere rechtsextreme Blogs es anders darstellen, ist es mutwillige Täuschung, um das „Lügenpresse“-Narrativ zu bedienen. Kontraste sagte:

„Wir von Kontraste sind ja hier in Berlin ganz nah dran am Klassenbuch des Bundestags – 2018 haben wir schon einmal ausgewertet, wer da am meisten Fehlstunden hat. Und Gregor Gysi war der Ober-Schwänzer. Genau ein Jahr ist seitdem vergangen, höchste Zeit, mal wieder hin zu schauen.“

Eine eigene Auswertung der Abwesenheiten von uns stellt die Fehlquoten über beide Jahre verteilt so dar:

Grafik: Phlip Kreißel (Volksverpetzer) Quelle

In diesem Zeitraum zwischen der ersten und der zweiten Sendung (dem zweiten Jahr) kann man aber gut sehen, dass die AfD am meisten gefehlt hat. Am Tag der Ausstrahlung selbst fehlten dann ganz viele Abgeordnete der Linkspartei. Wenn man die mit einrechnet, dann ist die Linkspartei vorne. Aber das konnte Kontraste ja noch nicht wissen. Es ist also sinnlos, ihnen das vorzurechnen.

Die drei am häufigsten fehlenden Personen

Am häufigsten fehlt FDP Mann Jimmy Schulz. Dieser hat jedoch Krebs im Endstadium. Auf Platz zwei liegt Markus Held (SPD). Gegen ihn laufen Ermittlungen, deshalb wurde ihm nahegelegt nicht mehr im Bundestag aufzutauchen. Auf Platz 3 kommt AfD-Mann Heiko Heßenkemper. Er kann laut seiner Website aus gesundheitlichen Gründen nicht an Abstimmungen teilnehmen. Für Reden bei PEGIDA reicht es aber anscheinend:

Danach kommt Frau Merkel, als Kanzlerin dürfte das jedoch auch selbsterklärend sein. Danach kommt die inzwischen fraktionslose Frauke Petry.

AfD hat zugegeben, dass Anwesenheit nicht wichtig ist

Viel interessanter dabei ist jedoch die Tatsache, dass Anwesenheit, auch bei namentlichen Abstimmung nicht die große Bedeutung hat, die man meinen möchte. Der Bundestag ist ein so genanntes „Arbeitsparlament„. Das bedeutet, dass abwesende Abgeordnete oft nicht einfach blau machen, sondern in Fraktionssitzungen oder Ausschüssen sitzen und arbeiten. In den Debatten im Plenum sind meistens nur die Fachpolitiker*innen der jeweiligen Parteien anwesend.

Im Konstraste-Beitrag selbst gibt Hansjörg Müller (AfD) sogar zu, dass die AfD erkannt hat, dass Anwesenheit bei Abstimmungen kein wichtiger Indikator ist.

„Ja, das ist natürlich ein Glaubenssatz gewesen, von uns als wir in den Bundestag eingezogen sind. Ja, wir wollen mehr Präsenz zeigen, wir wollen mehr arbeiten aber da stand eben dahinter, dass viele nicht wussten, vorher, weil ja alle Neulinge sind bei uns im Parlament, dass die eigentliche Arbeit eben nicht im Plenum stattfindet. Die findet hinter den Kulissen statt. Insgesamt sind wir in der Realität angekommen, deswegen ist die Quote jetzt auch bei den namentlichen der Fehlzeiten gestiegen.“

– Hansjörg Müller (AfD)

Ohnehin ist es lächerlich so zu tun, als hätte Kontraste es nur auf die AfD abgesehen – im Beitrag werden verschiedene Politiker*innen gesondert für ihre Abwesenheit kritisiert, so beispielsweise Gysi (Linke) oder Gabriel (SPD).

Fazit

Die AfD und andere rechtsextreme Blogs versuchen also durch Falschdarstellungen und Weglassen verschiedener Informationen es so aussehen zu lassen, als seien sie das Opfer einer absichtlichen Manipulation. Dabei sind die wahren Opfer einer Manipulation wieder einmal die AfD-WählerInnen.

Denn Kontraste hat nur einen Zwischenbericht über das zweite Jahr der Legislaturperiode gemacht, mehr nicht. Die Berichterstattung über das häufige Fehlen bei der AfD ist ein Fakt für den Zeitraum gewesen und wurde von Kontraste nicht einmal groß in den Vordergrund gerückt – Das kam erst bei der Berichterstattung anderer Medien.

Wenn „Kontraste“ Stimmung gegen die AfD machen wollen würde – Hätte sie sie nicht bereits im Titel erwähnt?

Die AfD hätte es dabei belassen können, dass Anwesenheit nun mal kein so wichtiges Kriterium ist. Jetzt darf sie sich über den Streisand Effekt freuen. Wir „schalten“ uns auch nur ein, wenn Fake News verbreitet werden.

AfD spielt nur das opfer

Fakt ist, dass Anwesenheit bei Abstimmungen aber auch keine derartig große Rolle spielt. Weshalb sich die Linke auch nicht wie die AfD empört (sondern hat Besserung versprochen – und eingehalten), weit oben auf der Liste zu stehen. Und das, obwohl Gysi ordentlich lächerlich gemacht wird. Und weshalb es keinen anderen Sinn für die AfD macht, sich als ein Opfer einer Manipulation darzustellen, außer um ihren WählerInnen ein weiteres vermeintliches Beispiel der ach so bösen „Lügenpresse“ zu liefern, das es wieder einmal nicht gibt.

Zu letzt bleibt jedoch auch die Frage, warum Kontraste überhaupt die Anwesenheit bei namentlichen Abstimmungen überprüft, wenn sie doch genau wissen sollte, dass es kein zuverlässiger Indikator dafür sein kann, wie gut eine Fraktion im Parlament arbeitet. Man könnte sich Gesetzesanträge anschauen. Oder kleine Anfragen. Bei letzterem macht die AfD allerdings ebenfalls keine gute Figur.

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