Warum das Landesverfassungsgericht falsch liegt
Ein deutscher Parlamentarier streitet gerichtlich dafür, in einem deutschen Parlament (endlich wieder) das Wort “N*ger” sagen zu dürfen und bekommt Recht. Nikolaus Kramer ist Fraktionschef der AfD im Landtag Mecklenburg-Vorpommern. Kramers Fall zeigt einerseits, wie unantastbar die Meinungsfreiheit in Deutschland ist (und entzieht jeglicher Debatte um die bedrohte Meinungsfreiheit die Grundlage). Andererseits greift die gerichtliche Begründung viel zu kurz (Quelle).
Das Landesverfassungsgericht meint, Kramer hätte das Wort ‘N*ger’ in verschiedenen Gebrauchsweisen genutzt. Der Fehler der Landtagspräsidentin habe darin bestanden, zwischen den verschiedenen Gebrauchsweisen nicht sachlich getrennt zu haben und den Ordnungsruf pauschal für alle diese Gebrauchsweisen ausgesprochen zu haben. Schließlich habe Kramer das Wort ja auch ironisch genutzt.
Es stimmt, es gibt verschiedene Gebrauchsweisen des Wortes
Das Gericht vernachlässigt jedoch zwei entscheidende Punkte, die in der Linguistik sehr wichtig sind: 1. die Intention des Sprechers sowie 2. den Kontext.
Das Gericht beurteilt falsch, dass Kramer das Wort ja gerade bewusst eingefügt hat, um zu provozieren, wie dieser sogar selbst zugibt. Damit gebraucht er das Wort in der Tat in einer diskriminierenden Weise, denn er setzt diese Gebrauchsweise als Vorwissen bei allen Anwesenden voraus. Sonst könnte er gar nicht damit provozieren. Diese – sogar zugegebene – Absicht Kramers entlarvt sein Kalkül und es ist mir ein Rätsel wie ein Gericht das nicht erkennen kann.
Hinzu kommt die Bühne, die Kramer hier wählt. Das Gericht hätte ja Recht, der Gebrauch des Wortes “N*ger” kann durchaus nicht diskriminierend sein und zur inhaltlichen Auseinandersetzung über Rassismus beitragen, wie z.B. im Theater, im Kino, im sprachwissenschaftlichen Seminar oder eben in diesem Text. Aber diesen Kontext wählte sich Kramer nicht. Er sprach im Landtag und versuchte in der Tat zu erklären, warum das Wort keine Beleidigung sei: „N*gger wäre rassistisch, N*ger ist es nicht“. Aber womöglich hält Kramer den Landtag für ein Theater. In diesem Fall nun, wäre jedoch der Ordnungsruf der Landtagspräsidentin ebenfalls sehr berechtigt.
Kramer wollte mit dem Wort im Landtag provozieren und das geht in diesem Fall nicht, ohne das Wort diskriminierend zu gebrauchen. (Selbst wenn Kramer vorgibt, es nicht zu wollen.) Genau diese diskriminierende Gebrauchsweise gibt somit den Gesamtkontext vor, in den ALLE weiteren Anwendungen des Wortes innerhalb der Debatte fielen. Das hat die Landtagspräsidentin erkannt. Das Gericht leider nicht.
P.S.
Ein abschließendes Wort zu Provokationen: Provokationen sind im Rahmen der Meinungsfreiheit und in politischen Debatten erwünscht. Aber eben nur so weit, wie andere Menschen dadurch in ihrer Würde nicht herabgesetzt werden. Wo die Provokation zur Beleidigung wird, wird sie zur Straftat. Das sollte Kramer als Polizeioberkommissar und damit als Freund und Helfer aller Menschen dieses Landes wissen. Insofern bleibt unverständlich, warum Kramer an der Verbreitung eines Wortes Interesse hat, das gemeinhin als Beleidigung empfunden wird.
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