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Verkürzte Zitate: Schwesig & Ramelow bezeichnen DDR als „Diktatur“

von | Okt 7, 2019 | Aktuelles, Analyse, Medien

Wie die medien zitate verkürzen

In einem Artikel in der BILD griff die Boulevard-Zeitung Aussagen der MinisterpräsidentInnen von Thüringen, Bodo Ramelow (Linke), und Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD) auf. Sie titelte „Schwesig und Ramelow sehen DDR nicht als Unrechtsstaat„:

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Das Problem: Die Darstellung wirkt so, als wären die beiden MinisterpräsidentInnen nicht der Ansicht, als sei das Regime der DDR verwerflich gewesen. Der Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak, zum Beispiel hat entweder nur diese irreführende Überschrift gelesen, oder sie absichtlich missverstanden:

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Faktencheck: Das sind die ganzen zitate:

Manuela Schwesig bezeichnete die DDR explizit als „Diktatur“:

„Die DDR war eine Diktatur. Es fehlte alles, was eine Demokratie ausmacht: Meinungsfreiheit, Pressefreiheit, Demonstrationsfreiheit, freie Wahlen, das Recht auf Opposition. Der Begriff Unrechtsstaat wird von vielen Menschen, die in der DDR gelebt haben, als herabsetzend empfunden. Er wirkt so, als sei das ganze Leben Unrecht gewesen. Wir brauchen aber mehr Respekt vor ostdeutschen Lebensleistungen. Das ist wichtig auch für das Zusammenwachsen von Ost und West“

Bodo Ramelow sagt: „Die DDR war eindeutig kein Rechtsstaat“

„Die DDR war eindeutig kein Rechtsstaat. Der Begriff ‚Unrechtsstaat‘ aber ist für mich persönlich unmittelbar und ausschließlich mit der Zeit der Nazi-Herrschaft und dem mutigen Generalstaatsanwalt Fritz Bauer und seiner Verwendung des Rechtsbegriffs ‚Unrechtsstaat‘ in den Auschwitz-Prozessen verbunden“

Die vollständigen Zitate finden sich auch im BILD-Artikel, doch da viele Leser*innen nur die Überschrift lesen, müssen sie ein völlig falsches Bild der Aussagen der beiden erhalten haben.

Fazit

Schwesig und Ramelow bezeichnen die DDR als „Diktatur“ und „eindeutig“ nicht als „Rechtsstaat“. Sie lehnen den Begriff „Unrechtsstaat“ nicht etwas deswegen ab, weil sie die DDR nicht als solchen empfinden, sondern weil sie den Begriff unpassend finden. Schwesig hält das Framing des Begriffs für unpassend, da angeblich nicht klar sei, dass nur das Regime mit „Unrecht“ gemeint sei, Ramelow findet es nicht richtig, die Nazi-Herrschaft und die DDR durch die gleichen Begriffe moralisch gleichzusetzen, auch wenn beides keine Rechtsstaaten waren.

Wenn die BILD nicht nur diese wesentliche Information in ihrer Überschrift weglässt, sondern es so formuliert, als würden beide dieser inhaltlichen Bewertung nicht zustimmen (sehen DDR nicht als „Unrechtsstaat“) ist das bewusste Lesertäuschung. Auch beispielsweise SPIEGEL ONLINE hat es ähnlich, wenn auch näher an der Wahrheit, dargestellt:

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Man hätte genau so gut titeln können, dass Frau Schwesig die DDR als „Diktatur“ bezeichnet habe und Ramelow, dass er die DDR nicht für einen „Rechtsstaat“ hält. Es wäre genau so wahr gewesen. Dennoch muss die Entscheidung, die verkürzte Darstellung in die Überschriften zu packen, eine bewusste gewesen sein. Es ist – besonders kurz vor den Wahlen in Thüringen – das bewusste Framing, um die Parteien in die Nähe von SED-Ideologie zu rücken. Im Falle Ziemiaks ist es auch offensichtlich gelungen, diese Darstellung zu erreichen, selbst wenn im Artikel selbst alle Informationen richtig sind.

Kommentierende Ergänzung:

Ob „Unrechtsstaat“, „Diktatur“ oder andere Begriffe für die DDR passender sind, kann ich nicht beurteilen. Auch nicht, ob „Unrechtsstaat“ besser für die NS-Diktatur passt oder ob manche Ostdeutsche nicht differenzieren können, dass der Begriff das Regime bezeichnet und nicht ihre Lebensleistungen. Es sind meiner Meinung nach unnötige Wortspielereien, um den Begriff zu vermeiden und gleichzeitig doch die DDR zu verurteilen.

Dennoch ist klar, dass die mediale Darstellung krass verkürzt ist, und nicht korrekt widerspiegelt, was Ramelow und Schwesig gesagt haben. Denn sie verurteilen beide jeweils die DDR. Ob der Begriff „Unrechtsstaat“ oder „Diktatur“ besser ist, mag eine besondere semantische Spitzfindigkeit sein, über die man sich sicherlich streiten kann. Und wofür man die beiden auch gerne kritisieren kann. Die meiste Kritik geht aufgrund der irreführenden Schlagzeilen jedoch völlig am Thema vorbei.

Artikelbild: Andrei Korzhyts, shutterstock.com / Screenshot bild.de