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Sorry AfD: Die meisten Tatverdächtigen in Freibädern in NRW waren Deutsche

von | Okt 2, 2019 | Aktuelles, Analyse, Kommentar, Politik

Anfrage der AfD geht nach hinten los

Diesen Sommer erlebten wir das rechtsextreme „Freibad“-Narrativ der AfD, das auch von der BILD stark verbreitet wurde. Sie erzählten ihren WählerInnen, dass der „böse Ausländer“ inzwischen die deutschen Freibäder und Schwimmhallen unsicher mache. Das Märchen geht so: „Früher“ waren Freibäder schöne, entspannte Erlebnisse, dann kamen Merkel-Gutmenschen-Flüchtlings-Verbrecher und seitdem gibt es „drastische Zustände“ in deutschen Freibädern, weil dunkelhäutige Menschen sich natürlich nicht zu benehmen wissen. Wegen ihrer Hautfarbe und so.

Mit vielen echten oder erfundenen Einzelfällen versuchte die AfD, diesem Narrativ Glaubwürdigkeit zu verleihen. Für Nordrhein-Westfalen hat das Innenministerium deshalb für die Saison 2019 vor kurzem eine Statistik über die Straftaten in Freibädern veröffentlicht. Auf eine Anfrage der AfD zählte sie alle Straftaten auf, die bis zum 31. August mit der „Tatörtlichkeit Freibad“ notiert worden waren. Die AfD wollte auch wissen, welche Nationalität die TäterInnen hatten. Natürlich um es für ihre Hetze auszuschlachten.

Hinweis: Die Tatörtlichkeit bei Freibädern beinhaltet in der Regel auch Straftaten, die an der Adresse der Freibäder gemeldet wurden, nicht zwingend im Freibad selbst.



70% der Tatverdächtigen waren deutsche

Die große Enttäuschung für die AfD: Bei insgesamt 659 Straftaten wurden insgesamt 379 Tatverdächtige ermittelt. Davon besitzen aber 290 die deutsche Staatsangehörigkeit. Die meisten Straftaten waren dabei aber mit Abstand am Häufigsten Diebstähle (140 Fahrräder, 260 andere Diebstähle), etwa 10% waren Körperverletzungsdelikte. Da die AfD jedoch verfassungswidrig nicht alle Deutschen für Deutsche hält, auch wenn sie einen deutschen Pass hatten, hat sie ebenfalls nach Vornamen der deutschen Tatverdächtigen gefragt.

Die meisten Vornamen kamen nur einmal vor, und die wenigen Häufungen besitzen kaum Aussagekraft. So gibt es „Mohamed“ zwar mit immerhin sieben Nennungen unter 300 Namen, „Tim“ und „Maximilian“  aber ebenfalls jeweils sechs Mal. Warum eine Häufung von „Mohamed“ wenig verwunderlich ist, haben wir hier schon einmal erklärt. Somit steht fest: Die mit Abstand meisten Straftaten in Freibädern in NRW werden von Deutschen begangen. Sorry AfD, wenn das deinem rassistischen Weltbild widerspricht.

Und ja, liebe „Wir hätten gern den Ariernachweis wieder“-AfD. Auch von Deutschen, die „Maximilian“ und „Tim“ heißen. Vom AfD-Narrativ bleibt also nicht viel übrig. Zur Kriminalität, Proportionalität und Staatsangehörigkeit haben wir hier noch mehr Analysen:

Kriminalstatistik: Messer-Martin dreimal so kriminell wie Chorknabe Chalid?

Kein einziger Krawall im „Prinzenbad“:

Zur Stimmungsmache gehörten auch beispielsweise der Artikel in der BILD, der am 2. Juli titelte: „Deutschlands Chef-Bademeister klagt an: Das ist nicht mehr unser Freibad!“ In Form eines Live-Tickers stand darüber: „+++Schlägereien +++ Pöbeleien +++ Messer +++ Tränengas +++ Polizei“. Die BILD musste eine Gegendarstellung veröffentlichen. Im Prinzenbad in Kreuzberg gab es „keinen einzigen Krawall“. Mehr dazu:

Kein einziger Krawall im „Prinzenbad“: Das „Freibad-Narrativ“ bröckelt weiter

Tumulte im Rheinbad? Jugendliche waren deutsche

Auch die – tatsächlich existierenden – Tumulte im Rheinbad in Düsseldorf wurden für dieses Freibad-Narrativ verwendet. Die CDU sprach nach einem Vorfall Ende Juli sogar von schnelleren Abschiebungen. Da sieht man, wie stark das Narrativ bereits funktioniert. Dumm nur: Die Gruppe der „randalierenden“ Jugendlichen (Alle Straftaten: Zwei Ermittlungen wegen Beleidigung eines Polizisten und Bedrohung und Beleidigung einer Bademeisterin) war viel kleiner als berichtet. Und Deutsche. Männliche Jugendliche in Gruppen, die in Freibädern pöbeln sind kein Untergang des Abendlandes. Und kein Problem von Migration. Die ganze Geschichte:

Vorfälle im Rheinbad in Düsseldorf: Instrumentalisierung ging nach hinten los

Weitere Fakes zu Freibädern

Um das Fake-Narrativ weiter zu befeuern, verbreitete die AfD gerne Videos, die die „bösen Migranten“ beim Randalieren in „deutschen“ Freibädern zeigen sollen. Doch ein beliebtes Fake-Video ist aus Israel, ein anderes stammt aus dem Jahr 2014 – Lange bevor angeblich „alles so schlimm“ geworden ist. Es ist der Versuch, mit Lügen das Bild zu liefern, das die Worte und das Framing bereits vorbereitet haben. Unsere Recherche:

Fake! AfD verarscht ihre Wähler mit Video aus Israel – Rassistische Stimmungsmache

Zumindest für Sachsen gab es diese Lüge der AfD: „AfD-Anfrage in Sachsen deckt auf: Fast 70 Prozent aller Täter, die unsere Kinder und Jugendlichen im Schwimmbad sexuell belästigt haben, sind Männer aus islamischen Ländern.“ Sie basierte auf dieser Anfrage „Sexualisierte Gewalt im Sport — Nachfrage zu 6/17053“ (Link). Und reine Verarsche.

Denn um auch nur irgendetwas brauchbares zu finden, das man „Ausländern“ in die Schuhe schieben kann, lässt die AfD in den ganzen letzten zehn Jahren nicht nur die Bereiche „Sportanlage“ und „Turnhalle“ vollständig weg, sondern auch alle anderen Straftatbestände und pickt sich ausschließlich den Straftatbestand heraus, in dem Deutsche zufällig in der Minderheit sind. Hier im Detail:

Sexuelle Belästigung in Schwimmbädern: So täuscht die AfD Sachsen ihre Wähler über Straftaten

Weitere Zahlen – sind vorfälle mehr geworden?

Die Vorfälle vom Prinzenbad haben wir bereits abgehakt. Aber da wir bei den Fakes ja über das Columbiabad und über Berlin geredet haben, schauen wir uns einmal das an. 16 Anzeigen gab es 2019 bereits, und das obwohl das Bad erst seit dem 1.06 offen hat! Aber die Anzeigen wurden alle auch vor dem 16. Mai erstattet. Weil Vorfälle mit hineingezählt werden, die nur in der Nähe oder an der Adresse passiert sind. Und so ist das das ganze Jahr so (Quelle) – so kann man die Gefahr auch aufblähen, wenn man möchte.

Schauen wir mal die Jahre 2018 und 2017 an (Quelle). 2018 gab es 130 Anzeigen, 14 mal Körperverletzung, viermal um Beleidigung, zweimal um Bedrohung, Freiheitsberaubung oder Nötigung. Sexualdelikte wurden hingegen keine angezeigt. 67 mal Sonstiges. Also auch Autodiebstähle oder Hausfriedensbruch. Aber eben nur alles, was an dieser Adresse gemeldet wurde. Und diese blähen die Statistik auf.

Im Sommerbad Olympiastadion gab es 2017 23 Fälle von Körperverletzung, 2018 12 und bisher 2019 sechs. Und im Sommerbad Pankow gab es dieses Jahr bisher zwölf und zehn im Sommerbad Kreuzberg. Im Diebstähle gab es im Olympiastadion 54 und im Columbiabad 40 im Jahr 2018. 24 waren es im Kombibad Gropiusstadt und im Europasportpark 20. Letztere sind Hallenbäder, wo es etwas ruhiger ist (Quelle).



Fazit

Und bei all dem wäre es wahnwitzig, davon auszugehen, dass alle diese Straftaten, die in den letzten Jahren übrigens abgenommen haben, wie wir sehen können, von Nichtdeutschen begangen wurden. Noch dazu ausgerechnet von (abgelehnten) Asylbewerbern, wie es die CDU tat. Die AfD-Anfrage lässt vermuten, dass es selbstverständlich mehrheitlich Deutsche waren. Die aktuelle Anfrage der AfD zeigt es noch einmal deutlich. Wie bei den allermeisten Straftaten. Und es sind ohnehin nur sehr wenige Straftaten pro Jahr und bei zehntausenden Besucher*innen der Freibäder.

Gibt es Probleme und Streitigkeiten in Freibädern? Natürlich. Sind manchmal auch Menschen mit dunklerer Hautfarbe daran beteiligt? Selbstverständlich. Sind das dann automatisch Nichtdeutsche oder Asylbewerber? Auf keinen Fall. Überfüllte Freibäder und junge Männer in Gruppen sind die größten Problemherde, unabhängig vom Pass oder Hautfarbe. Das macht diese Debatte eben so absurd.

Die meisten Straftaten in Freibädern sind Diebstähle, meistens von Fahrrädern. Mit „Krawallen“ haben sie nichts zu tun. Die meisten Straftaten werden auch von Deutschen begangen. Das ganze Narrativ über „kriminelle Asylbewerber“ in Freibädern basiert auf Fake News und Einzelfällen. Und kann dementsprechend begraben werden. Die AfD hat wieder einmal rassistische Lügen erzählt.

Artikelbild: Mark Nazh, shutterstock.com, Screenshot