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Sind Talkshows schuld am Aufstieg der AfD?

von | Jun 9, 2018 | Aktuelles

Der Deutsche Kulturrat fordert ein Jahr Sendepause für Talkshow: Seit Anfang 2015 haben Maybrit Illner, Anne Will, Maischberger, und „Hart aber fair“ 113 mal über den Islam oder Flüchtlinge gesprochen.

Diese Tage könnte man sicherlich denken, Deutschlands größtes Problem seien kriminelle Asylbewerber. Paradox, wenn gleichzeitig die Polizeiliche Kriminalstatistik zeigt: Deutschland ist so sicher wie seit 1993 nicht mehr. Eine andere Studie besagt, die deutsche Presse berichtet negativer über Flüchtlinge als sie in Wahrheit sind. Und auch der Vorwurf wurde laut, dass die Medien mitschuld daran tragen, dass das Thema so überdramatisiert wird:

„Ich hab mir dann mal die Mühe gemacht: darüber diskutierten seit 1. Januar 2015 , , und . Themen mit weniger als 2 Sendungen hab ich ausgeblendet.“

„“Bild“ hilft mit ihrer Sprache, ihren Schwerpunkten, ihrer Aufregung bei Asyl- und Flüchtlingsthemen der enorm. Seit dem 21. April, also seit dem „BAMF-Skandal“, gab es fast jeden zweiten Tag irgendeinen Asyl-Aufreger auf der -Titelseite:“

Negatives Framing – „Wir“ gegen „Die“

Auslöser der Debatte waren jüngste Talkshows, die Suggestivfragen stellten, die unterstellten, man müsse Angst vor der „Kriminalität“ und „Integrationsunwilligkeit“ „dieser Menschen“ haben. Dieser Frame der Angst – der Rahmen, der die Stimmung des Lesenden vorgibt (Wie Framing funktioniert haben wir hier erklärt), baut ein einfaches Feindbild von „Wir“, „die Deutschen“ gegen „Die“, die Flüchtlinge oder „der Islam“ auf, das natürlich die Realität sträflich vereinfacht. Besonders dann, wenn Falschaussagen wiederholt werden.

Studien zeigen, dass selbst das Wiederholen von Falschaussagen, um sie zu widerlegen direkt dazu führt, dass diese mehr geglaubt werden. Anti-Asyl-Posts führen einer anderen Studie zu Folge direkt zu mehr Angriffen auf Flüchtlingsheime. Die Verantwortung, die Talkshows dann haben in der Verbreitung von Fake News, dürfen nicht mehr geleugnet werden, so der Kulturratsgeschäftsführer. „Hart aber fair“ bekleckert sich hier dabei nicht gerade mit Ruhm:

„Das bestreitet wohl kaum einer. Aber bleibt es nicht dennoch bei einer unverhältnismäßigen Schwerpunktsetzung bzw. einer Übernahme des rechten Diskurses? Jedenfalls geht es doch auch um das Framing des Themas. Das scheint mir verbesserungsbedürftig!“

„Framing? Als Journalisten können wir mit diesem Begriff wenig anfangen. Wir versuchen das, was Menschen beschäftigt, so darzustellen, wie es ist.“

Sind die Talkshows Schuld am Aufstieg der AfD?

Wobei dies natürlich alles valide Punkte sind, so ist fraglich, ob die häufige Behandlung dieser Themen der Talkshows die Ursache der rechtspopulistischen Stimmung sind oder ihre Folge. Wie das vorangegangene Zitat von „hart aber fair“ sagen möchte, die Talkshows versuchen nun mal auch aktuelle Themen zu behandeln.

In dem Zeitraum von über drei Jahren, als die Sendungen 25-mal über islamistischen Terror sprachen gab es auch etwa so viele islamistische Anschläge in Europa. Und zu erwarten, dass die Medien Themen wie den IS oder die Art und Weise der Integration, gerade von Asylbewerbern, ablaufen können, sollten alles andere als totgeschwiegen werden, im Gegenteil. Salafismus und gewaltbereite Islamisten sind natürlich auch ein Problem.

Nicht den Rechten nach dem Mund reden.

Aber dann wiederum gibt es laut Verfassungsschutz etwa 12-mal so viele gewaltbereite Rechtsextremisten als gewaltbereite Islamisten. Über Rechtsextremismus wird in den Talkshows kaum geredet. Ich denke, das Problem ist weniger, dass die Talkshows diese Themen behandeln – die rechte „Lügenpresse“ sollte nicht mit diesen Themen allein gelassen werden – sondern wie. Die Sorgen und Fragen rund um Asylbewerber und Integration sollen und müssen gestellt werden, dort gibt es sicherlich Probleme.

Doch im Versuch, den Erfolg rechter Medien und Populisten gerade in Social Media nachzueifern – in Themen und Methoden – ist letztendlich zum Scheitern verurteilt und stärkt dann eben doch die AfD. Die Talkshows haben den Vormarsch rechten Denkens nicht verursacht. Aber wenn sie die Sprache und besonders falsche Lösungsansätze der Rechten kopieren und ihren Fake News eine Bühne bieten, dann verstärken sie diese sicherlich.

Vielleicht soll es keine Talkshow-Pause geben – auch nicht von solchen Themen, das wäre etwas lächerlich. Doch wenn man über Integration und Flüchtlinge redet, muss man das nicht im Stil der Panikmacher und Populisten tun – Es gibt auch nicht-rassistische Lösungsansätze, mit diesen Problemen umzugehen. Sonst reden wir nur über vermeintliche Lösungsansätze, die nun mal aufgrund ihrer rassistischen Natur von vielen nicht mitgetragen werden können.

Als Programme im öffentlich-rechtlichen Fernsehen könnte sie durchaus ihren Bildungsauftrag ernst nehmen und versuchen, weniger mediale, aber nicht minder wichtige Themen in den Fokus zu rücken wie Bienensterben, Pflege, Armutslöhne, ungleiche Reichtumsverteilung, Plastik im Meer. Das wäre sicherlich erfrischend. Aber ihnen die Schuld daran zu geben, dass Rechtspopulisten im Bundestag sind, die ein rechtsextremes Netzwerk aufgebaut haben, ist wohl übertrieben.

Artikelbild: pixabay.com, CC0