Daran, dass BILD, N-TV, Focus und die AfD auf eine Satire-Meldung der Titanic hereingefallen sind und die deutsche Presse ins Chaos gestürzt haben, sieht man deutlich, wie wenig journalistische Standards heutzutage bei bestimmten Medien und Parteien noch vorhanden sind.
Es war eigentlich viel zu einfach: Chefredakteur des Satire-Magazins „Titanic“, Moritz Hürtgen, hat seinen privaten Twitter-Account einfach kurzerhand in „hr Tagesgeschehen“ umbenannt und getwittert, dass die CSU und Union sich trennen würden. Im Wortlaut: Seehofer kündigt laut interner Bouffier-Mail Unionsbündnis mit CDU auf.“ Dazu gibt er auch seine private Telefonnummer als „heißen Draht zur Redaktion“ an.
Viele Journalisten glaubten diese Meldung ohne Prüfung: BILD, N-TV, der Focus und sogar Beatrix von Storch (AfD) fiel auf die Satire herein und blamierte sich.
Die @BILD-Redaktion und @Beatrix_vStorch sind ein unschlagbares Duo. #Seehofer #SeehoferRuecktritt #Titanic pic.twitter.com/8FuG8ebO9G
— BILDblog (@BILDblog) June 15, 2018
Hier sieht man, woran die deutsche Presse kränkelt
Es war ein lächerlich kleiner Aufwand, dass einige der größten deutschen Medien diese Falschmeldung glaubten. Wie konnte es dazu kommen? Die Erklärung liegt im gleichen Grund, warum so viele Fake News und verzerrte Weltsichten derzeit so modern sind: Keiner prüft mehr Fakten. Die neue Aufregungspresse um BILD (Wir berichteten), Focus und Co. und natürlich der vor allem davon profitierende parlamentarische Arm des Ganzen, die AfD verarbeiten alles, was sie entweder für Klicks oder Wählerstimmen instrumentalisieren können, ohne Rücksicht auf dessen Wahrheitsgehalt.
Die BILD, (die übrigens nicht zum ersten Mal auf eine Satire der Titanic hereingefallen ist) verarbeitet jede Meldung, die in die Agenda passt zu einem Bericht (So handeln bis zu 65% aller Titelcover nur über Flüchtlinge), die AfD nutzt alles, um gegen Flüchtende und Andersdenkende zu hetzen, ob es wahr ist oder nicht. Und viel zu viele Menschen, glauben einfach unhinterfragt alles, was sie im Netz zu sehen bekommen. Da hilft leider auch nicht ein unermüdliches Fact-Checker Team von Mimikama.
Doch das wäre gar nicht so schlimm, wenn wenigstens die „Influencer“, die großen deutschen Redaktionen ihren Job machen würden und Quellen überprüfen, bevor sie „Breaking News“ in die Welt setzen. Wir haben alle ein Vertrauen in einen Großteil der Medien, den sie teilweise schon lange nicht mehr erfüllen. BILD, AfD und Co. haben sich schon lange als seriöse Nachrichtenquellen verabschiedet.
Beleidigte Medien
Nein, entgegen Anschuldigungen der betroffenen Redaktionen hat der „Titanic“-Chefredakteur nichts falsch gemacht, und auf keine Unfähigkeiten von Journalisten Rücksicht zu nehmen. Es kann doch nicht die Aufgabe einer Satire-Redaktion sein, als einzige auf die Integrität des deutschen Journalismus Rücksicht zu nehmen. Wer unkritisch einfach irgendwelche Meldungen auf Twitter weitergibt, hat schlicht und ergreifend seinen Job nicht gemacht.
Ich wünschte, die betreffenden Redaktionen würden nicht nur bei Lippenbekenntnissen bleiben und aus dieser Sache lernen, dass es so nicht weitergehen kann. Das postfaktische Zeitalter des Journalismus kann nicht nur daraus bestehen, der aufregendsten Meldung hinterherzurennen. Wahrheit und Kontext sollten weiterhin Grundfesten der vierten Gewalt sein. Übrigens: Von den so viel kritisierten Öffentlich-Rechtlichen Medien hat kein einziges die Falschmeldung verbreitet.
Artikelbild: Screenshot Twitter
