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Erschreckender als jede Gasrechnung: Der wahre Preis fossiler Energien

von | Jan 2, 2023 | Analyse

Energiekosten steigen seit Monaten ins schier Unermessliche – Klar, Ukrainekrieg, Klimakrise. Zwar sind akut die Energiepreise so niedrig wie seit Monaten nicht – bei den Verbraucher:innen wird das nicht ankommen. Wäre als das nicht verwerflich genug – sie erfassen dabei auch noch lange nicht den wahren Preis (fossiler) Energien. Denn neben den internalisierten (also den im Preis enthaltenen) Kosten, gibt es immer auch „externalisierte“ Kosten. Diese stehen für alle negativen Auswirkungen, die fossile Energien mit sich bringen.

Da wären beispielsweise: Todesfälle durch Luftverschmutzung oder Schäden durch ausbleibende Ernten. Gleichzeitig gibt es auch positive externe Effekte von Energie, also deren Nutzen. Das ist beispielsweise der Vorteil, den wir davon haben, wenn eine Lampe uns Licht spendet. Expert:innen versuchen seit Jahren, solche schwer greifbaren Auswirkungen konkret zu bepreisen. Eine Metaanalyse hat bisherige Studienerkenntnisse nun zusammengefasst. Mit einem erschreckenden Ergebnis.

Fossile Energien treiben externalisierte Kosten in die Höhe

Die Metastudie The hidden costs of energy and mobility: A global meta-analysis and research synthesis of electricity and transport externialities möchte die sozialen Auswirkungen unseres Energiekonsums veranschaulichen. Dazu stützt sie sich auf 139 Studien, die versteckte externalisierte Kosten untersuchen. Diese Externalitäten beschreiben einen unbeabsichtigten Nebeneffekt, dessen Kosten nicht kompensiert werden – weder von den Produzierenden noch von den Konsumierenden. Es sind also all jene Kosten, die zusätzlich zu der Summe auf unserer Stromrechnung entstehen. Externalitäten teilen sich in positive und negative Effekte. Aus den positiven Externalitäten zieht die Menschheit oder bestimmte Gruppen einen Benefit (also Nutzen). Solche Benefits finden sich insbesondere im Bereich der Energieeffizienz, wo Energie gespart, Treibhausgase reduziert und Energiesicherheit erhöht wird. Sie belaufen sich jährlich auf einen positiven Wert von 312 Milliarden US-Dollar.

So viel zu den guten Nachrichten. Die schlechten: Im Bereich der Energie überwiegen die negativen Externalitäten, also die Kosten. Diese sind unterteilt in Luftverschmutzung, Klimawandel, chronische sowie katastrophale Unfälle, ästhetische Aspekte, Landnutzung, Verlust von Arten sowie Zerstörung von Lebensräumen und berufliche Belastung. Diese negativen Externalitäten bedeuten Kosten in Höhe von 11,644 Billionen (Ja, Billionen)* US-Dollar pro Jahr. Weit mehr also als die positiven Externalitäten. Tatsächlich entsprechen die negativen Auswirkungen unseres Energiekonsums 28,7 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts. Die führenden Übeltäter sind wohl nicht weiter überraschend: Sehen wir uns die Verteilung der Energienutzung an, so produzieren Öl, Gas und Kohle in den Vereinigten Staaten, der Europäischen Union und China am meisten externalisierte Kosten. Fossile Brennstoffe also. Öl und Kohle bringen zudem auch ganz unabhängig von der Frequenz ihrer Nutzung am meisten negative Externalitäten mit sich. Schlechter schneidet lediglich der entstehende Abfall ab.

Screenshot sciencedirect.com

Benefits der Erneuerbaren werden unterschätzt

Erdwärme, Solarenergie und Wasserkraft bringen weitaus weniger negative Externalitäten mit sich als fossile Brennstoffe. Die Metastudie von Sovacool et. al. betont: Die sozialen Kosten unseres Energiekonsums wären andere, wenn wir den Bedarf vermehrt mit erneuerbaren Energien befriedigen würden. So kam eine Studie zu dem Schluss: Decken wir den Strom-, Wärme- und Kältebedarf komplett mit Wind, Wasser und Sonnenlicht ab, so entstünden nur ein Viertel der externalisierten Kosten, auf denen wir aktuell jährlich sitzen bleiben. Auch im National Renewable Energy Laboratory heißt es, dass kohlenstoffarme Technologien im Hinblick auf positive Externalitäten – also Benefits – unterschätzt werden.

Fazit: Fossile Energien können wir uns nicht mehr leisten

Aufmerksamen Beobachter:innen ist es seit einer Weile klar, doch hier haben wir es Schwarz auf Weiß: Die negativen Auswirkungen unseres Energieverbrauchs kosten jährlich beinahe ein Drittel des globalen Bruttoinlandsprodukt. Wie diese Kosten konkret aussehen: Klimawandel, Luftverschmutzung, Landverödung. Das sind die drei dominierendsten Kosten, die der Konsum von Energie mit sich bringt. Fossile Brennstoffe kosten uns am meisten, ganz unabhängig davon, wie sich das auf unseren individuellen Rechnungen niederschlägt.

Die externalisierten Kosten unseres Energiekonsums sind letztlich nicht zwangsläufig da spürbar, wo sie entstehen. Stattdessen leiden häufig sozial benachteiligte Menschen unter den entstandenen Kosten, die Gesundheitsprobleme, Hungersnöte, Unfälle und andere Katastrophen auslösen können. 11.644 Billionen US-Dollar machen diese sozialen Schäden nun auch wirtschaftlich mehr als deutlich – für alle, denen Horror-Zukunftsszenarien und ganz aktuelle Auswirkungen des Klimawandels nicht reichen. Zugleich zeigt die Metastudie, dass sich die vermehrte Nutzung kohlenstoffarmer Technologien wirtschaftlich sogar rentieren würde.

Ein Ausweg aus der fossilen Kosten-Hölle könnte die häufig diskutierte Atomenergie sein. Emotionale Befürworter- wie Gegner:innen hören dabei ungern, dass sie weder die Lösung aller Probleme, noch der Teufel in Person ist. Wir haben für euch ein paar Fakten zur Atomkraft, die weder die eine noch die andere Seite wahrhaben will, gesammelt:

*In einer früheren Version haben wir den amerikanischen Punkt statt das deutsche Komma verwendet, es sind elf Billionen, nicht elf tausend Billionen. Artikelbild: Canva