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Was wirklich hinter dem Begriff „Willkommensklatscher“ steckt

von | Jan 14, 2019 | Analyse

Wenn Gute Menschen lächerlich gemacht werden sollen

Ein paar Gedanken von mir zur Verwendung des Begriffs „Willkommensklatscherin“ in einem aktuellen Profil-Interview mit Wiens Vizebürgermeisterin Vassilakou. Danke für die anschauliche Collage. Das ist nicht „hart gefragt“ oder „provokant“.

„Willkommensklatscher“ ist eine Begriffsneuschöpfung ca. Ende 2015/Anfang 2016 aus dem Kreise rund um die Identitären und das IfS. Sehr schnell hat er seinen Weg zu allen rechtsextremen Zeitungen und Blogs gefunden und ist einer der Hauptkampfbegriffe der extremen Rechten. Andere Begriffe, die ca. zur selben Zeit und mit der selben Intention erfunden wurden sind etwa die „Teddybärenwerfer“, die „Bahnhofsklatscher“, die „Asylforderer“ und die „Rapefugees“. Jeder dieser Begriffe ist in sich zynisch und es lohnt sich das genaue Sezieren von Inhalt und Form.

Was das Wort genau bedeutet

Alle haben das selbe Ziel: Menschen, die sich für irgendeine Art von rechtsstaatlicher Asylpolitik einsetzen, zu diskreditieren. Das muss noch nicht mal besonders links sein. Allein der Verweis auf die Genfer Flüchtlingskonvention und die Menschenrechte genügt, um „Willkommensklatscher“ zu sein.
„Willkommensklatscher“ setzt sich zusammen aus „Willkommen“ und „Klatschen“, zwei normativ positiv bewertete Begriffe.

In einer zynischen Wendung wird versucht, die beiden zusammen gepanschten Begriffe in einem Neologismus in etwas Negatives zu Verkehren. Das funktioniert durch Wiederholung. Die Strategie kennen wir übrigens in der Literaturgeschichte – in Shakespears Julius Caesar die berühmte Rede von Marc Anton mit „honourable men“ (Quelle). Durch ständige übertriebene Wiederholung wird das Positive ins Negative verkehrt. Genauso wie bei „Willkommensklatscher“.

Der Kontext von Gewalt

Neben der Wiederholung funktioniert der Begriff „Willkommensklatscher“ auch deswegen, weil er immer im Kontext von Gewalt gebracht wird. Jeder Gewalttat von Asylwerbern (sic) werden die „Willkommensklatscher“ gegenüber gestellt. Das erzeugt Diskrepanz in unserem Kopf.
Denn „Gewalt“ und „Willkommen“ und „Klatschen“ passen ja in unseren Moralvorstellungen nicht zusammen.

Durch beständige Wiederholung und Kontextualisierung werden so die positiven Bezüge von „Willkommen“ und „Klatschen“ ins genaue Gegenteil verkehrt. Das ist etwas tief Zynisches. So wie rechtsextreme Politik in letzter Konsequenz immer sehr zynisch ist. Ehrliche Freude, Menschlichkeit, Solidarität, Hilfsbereitschaft, Liebe werden als Schwäche belächelt und abgetan. Drill, Autorität, Gehorsam, Disziplin, Hörigkeit sind hingegen Stärke.

Im Nationalsozialismus wurde das zum Beispiel schon mit dem Begriff „Gutmensch“ gemacht. Auch der feiert wieder Renaissance. Als ob es das Schlimmste auf der Welt wäre, ein guter Mensch zu sein (nach welchem religiösen oder säkularen Code auch immer).

Wie rechtsextreme Begriffe in den Diskurs gelangen

Nun geistern diese Begriffe durch rechtsextreme Blogs und Medien. Auch nach reaktionär-bürgerlichen Standards in einer gefestigten Demokratie sind diese Begriffe damit für den demokratischen Diskurs tabuisiert und unbrauchbar. Möchte man meinen. Wir leben aber in einer prekären Demokratie mit Kontinuitäten antidemokratischen Denkens, die weder Repressalien fürchten müssen, noch groß bekämpft werden. Ja, sie bilden sogar die Eliten der Gesellschaft.

Damit fungieren sie als Transmitter rechtsextremer Begriffe in dem Diskurs. Das heißt, sie fügen rechtsextreme Begriffe und Sprachbilder in den demokratischen Diskurs ein. Nach und nach. Dadurch wird rechtsextreme Ideologie für eine breite Masse fruchtbar, da sie normalisiert und legitimiert wird. Das ist ja nicht nur ein Begriff, sondern ein Weltbild. Wer sind die Leute, die hier als Brücke und Übersetzer fungieren?

Es sind Parteien wie die AfD und die FPÖ

Aber nicht nur. Auch die ÖVP oder die CSU fallen in diese Rolle. Anbei ein Auszug aus dem Protokoll des Nationalrats, wo die ÖVP genauso klatscht wie die FPÖ (Quelle). Es sind außerdem jene bürgerlichen Kommentator_innen, die sich gerne als Tabubrecher_innen inszenieren und die keinerlei Abgrenzungsbedürfnis zu menschenfeindlicher, zynischer Politik haben. Dabei ist Provokation durch Menschenfeindlichkeit denkbar einfach und fad.

Dieser Begriff ist weder neutral, noch zufällig und er transportiert eine Gesamtsicht auf die Welt. Er ist für Demokrat_innen nie nutzbar. Damit eine „provokante“ Frage stellen zu wollen ist eine eitle Dummheit. Diesen Begriff ironisch zu verwenden nicht möglich. Es gibt keine ironische Politik.

Die Verwendung dieses Begriffs ohne Erklärung, als wäre er völlig normal, zeugt viel mehr von einem Erfolg der extremen Rechten im Kampf um Hegemonie. Im Kampf um unser Denken und mit welchen Worten wir die Realität um uns herum beschreiben. Ich hätte mir mehr Reflexion erhofft.

Autorin: Natascha Strobl, Twitter, hier zum Original-Thread@Rabid_Glow Zusammen mit Julian Bruns und Kathrin Glösel hat sie „Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa“ geschrieben. 

Artikelbild: Eugenio Marongiu, shutterstock.com