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Zentralrat der Juden distanziert sich von AfD – wird Opfer von rechtem Shitstorm

von | Okt 6, 2018 | Analyse

Der Zentralrat der Juden veröffentlicht eine gemeinsame Erklärung verschiedener jüdischer Verbände und Organisationen.

https://www.facebook.com/124496620963841/posts/1904604902952995/

Darin rufen sie alle demokratischen Kräfte innerhalb und außerhalb der jüdischen Gemeinschaft auf, sich offen und sichtbar gegen jede Form von antidemokratischem, antisemitischem, rassistischem und völkischem Gedankengut zu engagieren.

Konkret beziehen sich die Ersteller dieser Erklärung auf die gegründete Vereinigung „Juden in der AfD“, und stellen fest: „Nein, die AfD ist keine Partei für Juden!“



Es folgte ein riesiger Shitstorm

Die Kommentator*innen echauffieren sich darüber, wie sich der Zentralrat gegen eine Partei stellen kann, die sich angeblich schon immer für die Juden und gegen Antisemitismus eingesetzt hat. Das führt sogar soweit, dass sich die AfD-Fans als „neue Juden“ sehen, die bald einen „blauen Stern tragen müssen.“

AfD fühlt sich „diskriminiert“ und hält sich für „die neuen Juden“ – Dass ich nicht lache!


Für die Neuen Rechten sind Juden nur ein Mittel zum Zweck

Die Rechtspopulisten oder die Neuen Rechten betonen schon seit langem, dass sie an der Seite von Israel stehen. Der Grund ist eigentlich ganz einfach: Die Juden sind Mittel zum Zweck!

Die Vordenker der Neuen Rechten haben sich bereits vor vielen Jahren eine Strategie überlegt, wie man ein neues Feindbild kreieren kann, ohne dabei sehr die nationalsozialistische Geschichte von Deutschland in den Köpfen der Menschen zu triggern. Was liegt da nahe? Der Schutz der Juden! Wer mag Juden nicht so? „Der Moslem“!

Und schon entsteht das Narrativ vom „massenhaft importierten Antisemitismus“. Juden müssen von uns vor dem Islam geschützt werden. Praktischerweise können wir so auch gleich noch Europa vor dem Islam schützen.

Die vielen antisemitischen Aussetzer der AfD

Gleichzeitig allerdings gibt es in der AfD und bei den Verbündeten der Neuen Rechten immer wieder antisemitische Aussetzer zu beklagen. Herr Gauland verharmlost die Zeit des Holocaustes und reduziert die industrielle Tötung von Menschen auf lediglich eine Zeitdauer von 12 Jahren. Auf einem Zeitstrahl ist das tatsächlich nicht viel. Bewertet man diesen Zeitstrahl aber, etwa mit „Toten pro Jahr“, dann erscheinen diese 12 Jahre in einem ganz anderen Licht. Das Ziel ist doch ganz klar: Er will die Geschichte verwässern. „Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft; wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit“ heißt es in Orwell „1984“.

Der AfD-Abgeordnete Petr Bystron verbreitete eine Karikatur von Anetta Kahane, der Vorsitzenden der Amadeu-Antonio-Stiftung. Über die selbst die „Junge Freiheit“ schreibt: „Es hilft nicht darum herumzureden: Diese Karikatur entspricht dem antisemitischen Klischee, wie einst Ferdinand Marians Darstellung in Veit Harlans „Jud Süß“.“

Bei einem Besuch einer AfD-Delegation im Konzentrationslager Sachsenhausen kommt es zu Verharmlosungen und störenden Unterbrechungen, immer an der Grenze, zu dem, was justiziabel gewesen wäre. Der AfD-Politiker Wolfgang Gedeon verglich Holocaust-Leugner wie Horst Mahler mit Dissidenten in China oder schrieb, dass „die talmudischen Ghetto-Juden der innere Feind des christlichen Abendlandes“ seien.

Es gäbe wohl noch einige Beispiele zu solchen Äußerungen. Da haben wir noch nicht mal über Bernd Höcke und „das Denkmal der Schande“ oder die von ihm gewünschte „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ geredet oder im Allgemeinen über die Verschwörungstheorien um George Soros, die von allen Neuen Rechten in Europa erzählt werden.

Der Kern dieser Erklärung des Zentralrates der Juden lautet übrigens:

„Die AfD agitiert unumwunden gegen Muslime und andere Minderheiten in Deutschland. Dabei versucht die AfD, „die“ Muslime als Feinde der westlichen Welt oder „der“ Juden darzustellen. Muslime sind nicht die Feinde der Juden! Die Feinde aller Demokraten in diesem Land sind Extremisten, egal ob aus rechtsextremer, linksradikaler oder radikal- muslimischer Gesinnung heraus. Wir lassen uns von der AfD nicht instrumentalisieren.“

Und noch ein Funfact zum Abschluss: Eine kurze Analyse hat ergeben, dass ca. 1/3 der Accounts in diesem Shitstorm sehr wahrscheinlich Sympathisanten der Identitären Bewegung waren. 

Ich frage mich, wo die liberalen AfD-Politiker sind, die das manipulative Spiel in den sozialen Netzwerken satt haben und die vor allem unsere demokratischen Grundwerte mit uns verteidigen wollen. Angriff auf die Medien („Lügenpresse“) oder die Jagd auf Künstler oder Lehrer gehören irgendwie nicht dazu.

Artikelbild: pixabay.com, CC0