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Zufrieden, AfD? Die 10 absurdesten Abschiebungen des Jahres

von | Dez 22, 2018 | Kommentar

DAS LAND IM ABSCHIEBE-WAHN

Die deutsche Politik lässt sich von Rechtsextremen vor sich her treiben. Aus Angst vor der Ein-Themen-Partei AfD versucht die Groko, und besonders die CSU, so viele Menschen wie möglich aus dem Land zu werfen. Seien es Arbeitende, Menschen in der Ausbildung oder andere, unschuldige, rechtschaffene Bürger. Bei diesem Abschiebe-Irrsinn werden verzweifelt Gründe gesucht, Asylanträge abzulehnen.

Selbst nach Afghanistan wird abgeschoben, wo es allein in diesem Jahr bis August bereits mindestens 77 Anschläge gab, mit hunderten Toten. Mehrere Afghanen, die abgeschoben worden sindsind inzwischen nicht mehr am Leben. Das liegt darandass es kaum ausreisepflichtige Asylbewerber gibt und die Regierung, teils aus Absicht, teils aus Überforderung, Anträge fälschlicherweise ablehnt. Pro Asyl hat hier 10 absurde, herzlose und grausame Beispiele des Abschiebe-Wahnsinns gesammelt. Wir zählen sie noch einmal auf:



1. Abschiebung aus dem Kindergarten

Frau Man­neh* lebt bereits seit zehn Jah­ren in Deutsch­land. Wie immer bringt sie ihre Toch­ter Ami­na­ta* am Mor­gen in den Kin­der­gar­ten. Danach geht sie ein­kau­fen. Ihre bei­den älte­ren Kin­der nimmt sie mit, da gera­de Schul­fe­ri­en sind. Doch als die drei nach Hau­se zurück­keh­ren, war­tet die Poli­zei bereits vor der Haus­tür. Völ­lig uner­war­tet sol­len sie nach Gam­bia abge­scho­ben wer­den. Um auch noch Ami­na­ta ein­zu­sam­meln, fah­ren die Polizist*innen anschlie­ßend mit ihnen in den Kin­der­gar­ten.

Eine Erzie­he­rin aus dem Kin­der­gar­ten wen­det sich spä­ter an PRO ASYL und berich­tet uns von dra­ma­ti­schen Sze­nen: »Es war gera­de Mit­tag­essens­zeit, als eine Poli­zei­be­am­tin mit der wei­nen­den Frau Man­neh her­ein kam und nach Ami­na­ta such­te. Die­se klam­mer­te sich sofort an mein Bein und ich muss­te sie davon über­zeu­gen, mit in das Auto zu stei­gen«.

Alle drei Kin­der sind in Deutsch­land gebo­ren und waren noch nie in Gam­bia. Als ihr Vater, der auf­grund einer Dul­dung zunächst in Deutsch­land blei­ben darf, von der anste­hen­den Abschie­bung sei­ner Fami­lie hört, fährt er von der Arbeit direkt zur Poli­zei­sta­ti­on. Auch hier geht es herz­los zu: Ihm wird nicht erlaubt, sich von sei­nen Kin­dern und sei­ner Part­ne­rin zu ver­ab­schie­den. Auch Geld darf er sei­ner Fami­lie kei­nes mit­ge­ben.

2. Abschiebung während der Geburt des Kindes

Ähn­lich unglaub­lich ist ein Bericht aus Saal­feld, den der Flücht­lings­rat Thü­rin­gen doku­men­tiert hat: Gegen zwei Uhr Nachts wird Herr Ibra­him* von acht Polizist*innen aus dem dor­ti­gen Kran­ken­haus abge­holt, wäh­rend sei­ne Frau bereits die ers­ten Wehen hat. Die Behör­den wis­sen von der bevor­ste­hen­den Geburt, es liegt auch eine vor­ge­burt­li­che Vater­schafts­an­er­ken­nung vor.

Nichts­des­to­trotz soll der Betrof­fe­ne abge­scho­ben wer­den, und auch als er in der Unter­kunft nicht auf­zu­fin­den ist, wird die Abschie­bung nicht abge­bro­chen. Er wird trotz des Pro­tes­tes der Heb­am­men aus der Ent­bin­dungs­sta­ti­on des Kran­ken­hau­ses abge­führt und an den Flug­ha­fen in Frank­furt ver­bracht. Als der Betrof­fe­ne sich gegen die Abschie­bung wehrt, wird die Pro­ze­dur dort end­lich abge­bro­chen und der wer­den­de Vater kann zurück zu sei­ner schwan­ge­ren Frau.

3. rechtswidrige Abschiebungen

Ver­mehrt kommt es durch den Druck, mög­lichst vie­le Abschie­bun­gen durch­zu­füh­ren, auch zu klar rechts­wid­ri­gen Aktio­nen der Behör­den. So wur­de im Novem­ber durch das Regie­rungs­prä­si­di­um Gie­ßen ein Jesi­de nach Russ­land abge­scho­ben, obwohl er nie über die Ableh­nung sei­nes Asyl­an­trags infor­miert wor­den war. Da er nicht frist­ge­recht dage­gen kla­gen konn­te, muss er nun zurück­ge­holt wer­den. Eben­so wie Has­ma­tul­lah Fazel­pur, der trotz eines lau­fen­den Kla­ge­ver­fah­rens nach Bul­ga­ri­en und von dort sogar wei­ter in den Ver­fol­ger­staat Afgha­ni­stan abge­scho­ben wur­de.

4. Mit der Kanüle im Hals ins Heimatland

Aber nicht nur lau­fen­de Kla­ge­ver­fah­ren wer­den mitt­ler­wei­le igno­riert, auch ärzt­li­che Beschei­ni­gun­gen sind für Behör­den häu­fig kein Abschie­be­hin­der­nis mehr.  Trotz eines aktu­el­len Rei­se­un­fä­hig­keit-Attes­tes einer Ärz­tin für Strah­len­the­ra­pie wird Herr Khor­kad­ad­ze* Anfang Sep­tem­ber aus Hes­sen nach Geor­gi­en abge­scho­ben. Mit­ten in der Nacht und nach Schil­de­rung sei­ner Ehe­frau, die allei­ne in Deutsch­land zurück­blieb, fast unbe­klei­det. Dafür mit Kanü­le im Hals, Kathe­ter in der Bauch­de­cke – und vor Ende sei­ner Strah­len­the­ra­pie.

Wäh­rend sei­nes Auf­ent­hal­tes in Deutsch­land wur­de bei ihm näm­lich ein kom­pli­zier­ter Tumor im Kopf-Hals-Bereich dia­gnos­ti­ziert.  Nach meh­re­ren Ope­ra­tio­nen folg­ten eine Che­mo- und letzt­lich Strah­len­the­ra­pie in einem hes­si­schen Kran­ken­haus, er muss­te über eine Magen­son­de ernährt wer­den. Als sich sein Zustand lang­sam sta­bi­li­siert, wird er völ­lig uner­war­tet abge­scho­ben. Auch ein tele­fo­ni­scher Pro­test der behan­deln­den Ärz­tin beim zustän­di­gen Rich­ter hat kei­nen Erfolg

5. Abschiebung aus dem Gericht

Der Baye­ri­sche Flücht­lings­rat infor­miert im Sep­tem­ber über das Schick­sal von Frau Amoo­ti* aus Ugan­da. Sie lebt seit rund 14 Jah­ren in Deutsch­land, ist sehr gut inte­griert, spricht deutsch und ist ehren­amt­lich aktiv. Ihr Antrag auf eine Auf­ent­halts­er­laub­nis für Alt­fäl­le wird vor Gericht ver­han­delt und nega­tiv ent­schie­den, weil Frau Amoo­ti unter­stellt wird, sich lan­ge nicht um einen Pass bemüht zu haben.

Inzwi­schen hat sie den Pass aller­dings vor­ge­legt – und die Aus­län­der­be­hör­de nutzt ihn, um der her­vor­ra­gen­den Inte­gra­ti­on der Frau noch ein jähes Ende zu set­zen: Nach Ende der Ver­hand­lung war­ten bereits Poli­zei und Mit­ar­bei­ter der Aus­län­der­be­hör­de. Frau Amoo­ti wird durch den Hin­ter­aus­gang des Gerichts geführt und zum Flug­ha­fen trans­por­tiert, es bleibt ihr kei­ne Mög­lich­keit, ihre Sachen zu ord­nen oder sich von ihren Unterstützer*innen und Freund*innen zu ver­ab­schie­den. Auch ihr Bar­geld – rund 400 EUR – wird ihr ohne Quit­tung abge­nom­men. Als sie sich gegen die Abschie­bung wehrt, wird die­se abge­bro­chen und Frau Amoo­ti in Abschie­be­haft gebracht – für gan­ze drei Mona­te. Mitt­ler­wei­le liegt ihre Geschich­te bei der Här­te­fall­kom­mis­si­on.

6. Schwangere am Bahnhof sitzen gelassen

Mit­te Okto­ber soll in Rhein­land-Pfalz eine ira­ni­sche Fami­lie nach Kroa­ti­en abge­scho­ben wer­den, wie ver­schie­de­ne Medi­en berich­ten. Die schwan­ge­re Frau befin­det sich zur Dia­be­tes-Behand­lung im Kran­ken­haus. Dort wird sie nachts aus dem Bett geholt und im Ret­tungs­wa­gen an den Flug­ha­fen in Han­no­ver ver­bracht – obwohl die Kli­nik kei­ne Rei­se­fä­hig­keit attes­tiert hat­te.

Doch damit nicht genug: Die Abschie­bung schei­tert nur, weil der Pilot sich wei­gert, Fami­lie Navid* zu beför­dern. Herr Navid wird dar­auf­hin kur­zer­hand in die Abschie­be­haft zurück­ver­bracht, Mut­ter und Sohn las­sen die Poli­zei­be­am­ten ein­fach unzu­rei­chend beklei­det und mit ledig­lich 100 EUR am Bahn­hof in Han­no­ver zurück. Nur dank eines freund­li­chen Bahn­mit­ar­bei­ters kann die schwan­ge­re Frau Navid mit ihrem Sohn über­haupt zurück in die Unter­kunft nach Rhein­land-Pfalz fah­ren.

7. Aus der Reha geholt

Herr Ato­ev* aus Zen­tral­asi­en soll gemäß der Dub­lin-Ver­ord­nung nach Litau­en über­stellt wer­den. Bei einer Aus­weis­kon­trol­le springt er in Panik aus dem Fens­ter sei­ner Unter­kunft in Bay­ern und ver­letzt sich schwer – er denkt, man wol­le ihn abschie­ben. Nach meh­re­ren Ope­ra­tio­nen wird ihm eine drei­wö­chi­ge Reha-Maß­nah­me geneh­migt. Die Behör­den indes den­ken nicht dar­an, die Abschie­bung erst ein­mal aus­zu­set­zen oder auch nur die Gene­sung abzu­war­ten.

Wäh­rend der Reha-Maß­nah­men ver­schwin­det Herr Ato­ev dann plötz­lich aus der Kli­nik, ohne dass Pfle­ge­per­so­nal und Unterstützer*innen wis­sen, wo er sich befin­det. Am Abend ruft Herr Ato­ev dann unver­mit­telt aus Litau­en an: Um 5 Uhr mor­gens sei er unan­ge­kün­digt und gegen sei­nen Wil­len von der Poli­zei aus der Kli­nik abge­holt wor­den.

Es stellt sich her­aus, dass die Poli­zei bereits zwei Tage zuvor an der Rezep­ti­on nach sei­ner Zim­mer­num­mer gefragt hat. Dabei wäre die soge­nann­te Über­stel­lungs­frist, vor deren Ablauf die deut­schen Behör­den eine Abschie­bung durch­füh­ren müs­sen, um nicht sel­ber für den Asyl­an­trag zustän­dig zu wer­den, auch nach Ende der Reha-Maß­nah­me noch nicht abge­lau­fen.

Nach kur­zer Zeit wird Herr Ato­ev von Litau­en in sein Her­kunfts­land abge­scho­ben.

8.

8. Abschiebung statt Unterricht

Der 11-jäh­ri­ge Mer­gim* geht in Baden-Würt­tem­berg zur Schu­le – bis Anfang Dezem­ber die Poli­zei im Unter­richt erscheint und ihn mit­nimmt. Mer­gim hat aller­dings eben­so wenig etwas ange­stellt, wie sei­ne Schwes­ter Bes­ja­na* (6), die zeit­gleich aus dem Kin­der­gar­ten abtrans­por­tiert wird. Zusam­men mit ihren Eltern und einem wei­te­ren Geschwis­ter­chen wer­den die bei­den nach Alba­ni­en abge­scho­ben, wäh­rend Lehrer*innen und Sozialarbeiter*innen alle Hän­de voll zu tun haben, die ver­stör­ten Mit­schü­ler und Freund*innen zu beru­hi­gen, wie der Flücht­lings­rat Baden-Würt­tem­berg berich­tet.

9. Gut integriert ab nach Afghanistan

Jeden Monat aufs Neue wer­den Men­schen nach Afgha­ni­stan abge­scho­ben. Seit dem Som­mer han­delt es sich dabei meist über­wie­gend nicht, wie oft behaup­tet, um Straf­tä­ter oder Gefähr­der. Exem­pla­risch für all die­se Fäl­le infor­miert der Säch­si­sche Flücht­lings­rat über Herrn Mas­sud*, der im Dezem­ber aus Zwi­ckau abge­scho­ben wird.

»Ein jun­ger Mann und ein zuver­läs­si­ger Mit­ar­bei­ter, der sich nie was zu Schul­de hat kom­men las­sen, wur­de von einem Tag auf den ande­ren aus sei­nem neu auf­ge­bau­ten Leben geris­sen. Wir ver­lie­ren mit ihm einen wun­der­ba­ren Mit­ar­bei­ter«, schreibt sein Arbeit­ge­ber über Herrn Mas­sud, der schon knapp fünf Jah­re in Deutsch­land gelebt hat­te und in psych­ia­tri­scher Behand­lung war. Weder sei­ne Erkran­kung, noch dass er trotz­dem in Voll­zeit arbei­te­te, waren für die Behör­den aller­dings Grün­de, ihn nicht abzu­schie­ben.

10. Kleine Kinder gewaltsam aus dem Schlaf geholt

Auch das, was der Initia­tiv­aus­schuss Migra­ti­ons­po­li­tik Rhein­land-Pfalz aus dem Rhein-Huns­rück-Kreis berich­tet, ist – lei­der – nur ein Bei­spiel von vie­len. Mitt­ler­wei­le ist die nächt­li­che Abschie­bung gän­gi­ge Pra­xis. Auch auf klei­ne Kin­der wird da kei­ne Rück­sicht genom­men: Anfang Novem­ber bricht die Poli­zei die Zim­mer­tü­ren der Unter­kunft von Fami­lie Hago­pi­an* aus Arme­ni­en auf – um vier Uhr nachts, als die Eltern und ihre drei Kin­der, das jüngs­te gera­de ein­mal sie­ben Mona­te alt, noch schla­fen.

Dazu kommt: Der Fami­li­en­va­ter ist erst am Vor­tag aus einer psych­ia­tri­schen Kli­nik ent­las­sen wor­den, in der er wegen aku­ter Sui­zi­da­li­tät in Behand­lung war. Was der­lei Erleb­nis­se für Aus­wir­kun­gen auf die Psy­che des Vaters, aber auch der Klein­kin­der haben kön­nen, scheint den Behör­den dabei einer­lei zu sein.

Mehr zum realen und brutalen Abschiebe-Irrsinn auf ProAsyl.

Artikelbild: fizkes, shutterstock.com