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Kein Scherz: Querdenken wollen unbedingt „Preis für Blödheit“ & drohen juristisch

von | Okt 15, 2020 | Aktuelles, Bericht, Corona

Diese „Querdenken“-Aktion geht nach hinten los

So etwas hat Giulia Silberberger von „Der Goldene Aluhut“ auch noch nie erlebt: Dass jemand so unbedingt ihren Negativpreis gewinnen möchte, dass er sogar juristisch dagegen vorgehen will, wenn er ihn nicht erhält. Dass die „Querdenken“-Bewegung besonders rational sei oder besonnen reagiert, ist man von dieser auch nicht gewohnt. Auf ihren Corona-Demos verkündeten sie beispielsweise, dass unsere Verfassung nicht mehr gültig sei und wollten eine eigene, neue Verfassung ausarbeiten – weil ihnen die Pandemie-Maßnahmen nicht passen.

Veranstalter der Berlin-Demos: Ist „Querdenken“ verfassungsfeindlich?

Und jetzt eskalieren sie völlig, weil sie unbedingt einen „Preis für Blödheit“ bekommen wollen, wie Silberberger den „Goldenen Aluhut“ selbst beschreibt. Doch von Anfang an: Der Goldene Aluhut ist ein Negativ-Award und wird von der gleichnamigen, gemeinnützigen Organisation jährlich verliehen. Sie beschäftigen sich humorvoll und mit viel Aufklärung mit Verschwörungsmythen und Fake News und beobachten die Szene der Verschwörungserzähler:innen schon lange. Der Goldene Aluhut-Award wird seit 2015 für besonders negativ aufgefallene Persönlichkeiten und Initiativen vergeben.

Der Goldene Aluhut 2020 – und die Server-Attacke

Das Voting auf ihrer Seite verlief 2020 zunächst auch ganz gewöhnlich und natürlich war auch die „Querdenken“-Bewegung nominiert und lag sogar in gleich zwei Kategorien vorne. Tatsächlich waren auch die Veranstalter:innen der Meinung, dass Querdenken 2020 den Award verdient hätte, wegen ihres negativen Einflusses auf die Bevölkerung und ihrer Mobilisierung und Radikalisierung der Pandemie-Leugner-Szene. „Ich hätte ihm den Award gegönnt“, meinte Silberberger.

Anscheinend wollte Michael Ballweg, der hinter den „Querdenkern“ steht, ebenfalls unbedingt den Preis gewinnen und rief letzten Freitag dazu auf, dafür abzustimmen, dass er den „Preis für Blödheit“ erhalten solle. Warum auch immer er das wollte.

Der Goldene Aluhut wurde daraufhin von der Trollarmee der Querdenker heimgesucht, es hagelte Beschimpfungen und negative Kommentare. Aber anscheinend sahen sich auch einige dazu berufen, mit schmutzigen Tricks die Abstimmung zu Gunsten der Querdenker zu manipulieren. Man beobachtete „Spamvotes“, also gekaufte und manipulierte Abstimmungen, wie beispielsweise hunderte Votes in einer Sekunde aus Litauen. Das ist gar nicht so ungewöhnlich, wie uns Silberberger erklärt, aber solche Fake-Stimmen werden üblicherweise herausgerechnet, um eine faire Abstimmung zu garantieren.

Doch dann kam anscheinend eine ganze DDOS-Attacke auf ihre Server. Die Fake-Votes wurden so enorm und so extrem, dass ihre Server überlastet wurden und notabgeschaltet werden mussten. Die technischen Angriffe waren so enorm, die Abstimmung wurde komplett sabotiert und unmöglich gemacht. Mit Müh und Not konnte gerade noch die Abstimmung vorzeitig beendet werden, um wieder auf den Server zuzugreifen. Inzwischen ermittelt sogar die Polizei wegen dem Fall.

„Querdenken“ wurde aus dem Voting genommen

Die Attacke ereignete sich nur wenige Stunden nach dem Aufruf der Querdenker und die Fake-Stimmen wurden auch für diese abgegeben. Die Veranstalter:innen werfen Ballweg und seinem Team nicht vor, die Server-Attacke persönlich in Auftrag gegeben zu haben. Silberberger erklärt uns, hier verhält es sich ähnlich wie beim „Stochastischen Terrorismus“: Die geistigen Brandstifter hetzen solange, bis einer ihrer Anhänger:innen zur Tat schreitet. Querdenken weist jedoch jegliche Verantwortung von sich.

Weil die Veranstalter:innen selbstverständlich empört waren, dass diese Bewegung nicht nur die Abstimmung manipulieren wollte, sondern sogar die ganze Abstimmung zerstört hat, haben sie die Stimmen für Querdenken vollständig ungültig gemacht. „Hier wurde nicht die Wahl manipuliert, hier wurden die Wahlurnen angezündet“, erklärte uns Silberberger. Doch damit ist die Geschichte irritierenderweise noch nicht vorbei. Anstatt dass Querdenken, die aus unverständlichen Gründen den Negativpreis haben wollen, sich mit „Der Goldene Aluhut“ verständigte – Als Preisträger wären sie auch zur Preisverleihung eingeladen gewesen, was man gerne getan hätte – inszeniert sich Querdenken jetzt als Opfer.

Auf Twitter kündigten sie an, eine Versammlung in (!) den Veranstaltungsräumen der Preisverleihung durchzuführen, um für eine „demokratische Abstimmung“ für einen Negativaward zu protestieren. Und wie „Der Goldene Aluhut“ heute öffentlich machte, wurde ihnen sogar vom „Querdenken“-Anwalt Ralf Ludwig juristisch gedroht, wenn sie nicht den „Preis für Blödheit“ erhalten wollen.

https://www.facebook.com/DerGoldeneAluhut/posts/2672987809630465

Veranstalter hielten es zuerst für einen Fake

Dass Querdenken völlig ohne rechtliche Grundlage derart eskalierten und sich als Opfer inszenierten, hielt Silberberger zunächst für einen Scherz oder einen Fake. Erst später war klar, dass die Verschwörungsideologen das tatsächlich ernst meinen. „Der Preis wurde nicht ausgelobt“, erklärt Silberberg. Ihr „blinder Aktivismus und ihre Selbstüberschätzung“ hätten ihnen selbst ihren Award gekostet. Sie hätten ihn ohne Aufruf gewonnen und wären eingeladen worden. „Jetzt müssen sie damit leben. Es ist meine Organisation, mein Award, meine Regeln. Ich habe auch kein eigenes Staatsgebiet, und muss mich auch nicht an eine demokratische Abstimmung halten. Die Querdenker müssen sich dringend mit ihrem Verständnis von Demokratie auseinandersetzen.“ Der Goldene Aluhut stehe für ein faires Abstimmungsergebnis, ja, aber wenn die Abstimmung nach einem Querdenken-Aufruf zerstört wird, habe sie keine Lust mehr darauf.

Silberberger weiß auch gar nicht, warum Querdenken derartig eskaliert. Juristisch haben sie in jedem Fall überhaupt gar keine Grundlage, einen Award einer privaten Organisation einzuklagen. „Wenn es ein PR Coup sein sollte, dann ging der aber nach hinten los.“ Das sei lediglich „Kindergartenniveau“. Ihr tue es nur leid, dass jetzt die Waldorfschulen stattdessen den Award gewannen, die das nicht so verdient hatten wie „Querdenken“, da sie sich von Corona-Verschwörungsmythen distanzieren.

„Der Goldene Aluhut“ hat keine Ahnung, was die Querdenker als nächstes machen und ob sie wirklich die Preisverleihung protestieren wollen. In jedem Fall wird die Polizei Berlin verstärkt vor Ort sein und die Veranstaltung schützen. Die Veranstalter:innen sind schon seit jeher Drohungen und Anfeindungen ausgesetzt. Silberberger schätzt sehr die Unterstützung der Polizei. Aufgrund von Corona werden Live-Streaming-Tickets für den 30.10. um 19 Uhr im Heimathafen Neukölln angeboten für 6€ brutto. Man kann hier vorbei schauen und sich demnächst Tickets sichern, die die Kosten der Veranstaltung decken. Wir halten euch auf dem laufenden, wie es mit dieser verwirrenden Aktion von Querdenken weitergeht.

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Artikelbild: Screenshots


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