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Der Verfassungsschutz in Oberösterreich stuft „Omas gegen rechts“ als linksradikal ein?

von | Jan 17, 2020 | Aktuelles, Bericht, Medien

Linksradikale Omas??

Gestern machte ein Bericht des Kurier die Runde, der titelte: „Omas gegen rechts“ laut Verfassungsschutz in OÖ linksradikal. „Im ‚Handlungskonzept gegen Extremismus‘ sollen die Teilnehmer der Donnerstagsdemos in Linz als ‚linksradikal‘ eingestuft worden sein“, hieß es dort. Die Begründung sei laut Kurier gewesen, dass sie „schließlich gegen rechts“ seien.

Das führte zu einigem Spott und Verwunderung in Social Media und auch bei den „Omas gegen rechts“ selbst. Diese wandten sich in einem offenen Brief an den oberösterreichischen Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP). Sie wollten von ihm wissen, was „linksextrem“ sei, wenn sie sich für die parlamentarische Demokratie, Gleichberechtigung und soziale Rechte einsetzten. Stelzer fühlte sich nicht zuständig, in die „kompetente Arbeit der Exekutive“ einzugreifen, versicherte aber, die Landesregierung wolle nicht Demonstrationsteilnehmer*innen „pauschal“ als Extremisten*innen verurteilen (Quelle).



„Omas gegen rechts“ doch „linksliberal“?

Polizei-Sprecher David Furtner widersprach dann der Meldung, „Omas gegen rechts“ seien „linksextrem“. Sie seien stattdessen als „ganz friedlich“ bezeichnet worden. Er „korrigierte“ die Meldung, wonach der betreffende Bericht die Demos als stattdessen als „linksliberal“ bezeichnete. Die Erklärung, wie es zu der Wahrnehmung gekommen sei, der Verfassungsschutz in Oberösterreich halte die „Omas gegen rechts“ für „linksradikal“, liegt wohl darin, dass das Referat Linksextremismus vom Landesverfassungsschutz auch ihre Demonstrationen beobachtet habe und sie in ihrem „Handlungskonzept gegen Extremismus“ erwähnt habe.

Darin zeigt sich auch das Problem der simplifizierenden Definitionen von „Extremismus“: In Österreich gibt es drei Referate. Jeweils für Rechtsextremismus, dem „politischen Islam“ und Linksextremismus (In Deutschland gibt es noch relativ diffus „ausländische Ideologie“). Das führt dazu, dass verschiedenste politische Strömungen, die friedlich und demokratisch sind, in diese drei eindimensionalen Kategorien gepresst werden müssen. Und dass andere politische Ideologien unkritisch entpolitisiert werden.

Unzureichende Extremismus-Definition

So kommt es, dass beispielsweise Klimaaktivist*innen (Ende Gelände, Fridays For Future), antifaschistische Gruppen (und Demos gegen rechts allgemein), Anarchisten, Kommunisten, Anti-AKW-Proteste, G20-Proteste, Antigentrifizierungs-Demonstrationen, Anti-Militarismus-Demos und mehr alles unter „Linksextremismus“ fällt. Auch wenn viele dieser Dinge nichts miteinander zu tun haben und völlig unterschiedliche Motivationen darstellen. Während sich Rechtsextremismus beispielsweise auf Neonazis und Reichsbürger beschränkt. Rassismus aber übrigens nicht unbedingt zum Beispiel.

Der Vorfall führt aber bereits – zumindest in Österreich – zu einem Umdenken: So soll der Bericht in Zukunft um eine Rubrik erweitert werden. Das ist begrüßenswert, aber es löst ein grundlegendes Problem nicht, dass diese Sicht auf „Extremismus“ auch dazu führt, dass alles, was als „Extremismus“ gebrandmarkt wird, auf eine gleiche Stufe gestellt wird. In Zeiten, in denen die Zahl der Rechtsextremisten in Deutschland um ein Drittel gestiegen ist (Quelle) und es auch in Oberösterreich laut SPÖ-Sprecher „die höchste Zahl an rechtsextremen Handlungen“ gibt, ist eine Gleichsetzung gefährlich. Es sind einfach unterschiedliche Dimensionen an Kriminalität und Gewalt, die diese Einteilung nicht reflektiert.

Zahlen von 2018, Grafik von Frank Stollberg, Quelle

Fazit

Extermismusexperten kritisieren, dass Todfeinde wie Faschisten und Kommunisten durch diese Definition in einen Topf geworfen werden, aber von ihrer Ideologie dem Faschismus ähnliche Strömungen wie Nationalkonservativismus werden herausgerechnet. „Extremismus“ wird somit zum „inhaltsleeren Kampfbegriff“ und „Diffamierungsintrument“, der nicht nur ideologische Differenzen ausblendet, sondern auch die Dimensionen der Bedrohung (Mehr dazu bei der Bundeszentrale für politische Bildung).

Die friedlichen und demokratischen „Omas gegen rechts“ werden also zum Glück noch nicht als „linksradikal“ angesehen. Aber bereits jetzt wird von vielen politischen Akteuren diese vereinfachte Weltsicht genutzt, um Klima-Aktivismus oder auch Demonstrationen gegen Rechtsextremisten auf eine Stufe zu stellen mit genau diesen: Rechtsextremisten. Dieses Denken ist höchst gefährlich, weil es demokratischen Widerstand tabuisiert. Und letztlich nur denjenigen hilft, die damit eigentlich bekämpft hätten werden sollen.

Artikelbild: Koldunov, shutterstock.com

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