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Großeinsatz: Der Höhepunkt einer Drohkampagne gegen Demo-Journalisten?

von | Sep 19, 2019 | Aktuelles, Bericht

Polizei-Großeinsatz nach Pulver-Brief

Wer hinter dem Angriff steckt, ist offiziell noch unklar. Allerdings bestehen wenig Zweifel daran, wer für diesen Großeinsatz der Polizei verantwortlich sein muss. In Dortmund gab es am Dienstagabend einen Anschlag auf einen Demo-Journalisten. Die Rede ist von Robert Rutkowski, der seit Jahren Neonazi-Aufmärsche kritisch begleitet, Verbindungen dokumentiert und Straftaten zur Anzeige bringt und dabei als Zeuge geladen wird. Der rechtsextremen Szene ist er deshalb schon seit Jahren ein Dorn im Auge. Morddrohungen gab es schon in der Vergangenheit. Auch Hakenkreuzschmierereien an seinem Haus hat der Journalist bereits ertragen müssen.

Wie uns Rutkowski im Interview mitteilt, ist anscheinend bereits seit mehreren Wochen eine Schikane-Kampagne gegen ihn am laufen. Ihm ist relativ klar, dass Neonazis dahinter stecken, die ihn einschüchtern wollen. Er erhält immer wieder Lieferungen von Paketen, die er nicht bestellt hat oder falsche Einschreiben. Der Journalist wird zu unzähligen Newslettern angemeldet. Er bekommt Rückrufe von Unternehmen, denen erzählt wurde, er würde sich für ihre Angebote interessieren. Von Autos über Shishas bis HIV-Tests war alles dabei.

Doch als er den vermeintlichen Brief vom Finanzamt am Dienstagabend öffnete und ihm plötzlich weißes Pulver samt einer Drohung entgegen kam, das war anders. „Da hört Spaß auf jeden Fall auf.“ Sofern man zuvor von ‚Spaß‘ hätte reden können. Er vermutete gleich, dass das Pulver wohl harmlos sein würde, und dass es eine „nur“ Drohung und eine Einschüchterung sei. Er rief dennoch umgehend die Polizei, was zu einem Großeinsatz führte, der mehrere Stunden dauerte. Auch der Staatsschutz ermittelt nun.

Foto: Robert Rutkowski



„Sie versuchen druck aufzubauen, das funktioniert bei mir nicht“

„Ich werde von ihnen getrollt“, meint Rutkowski. Aber der Pulver-Brief sei noch einmal eine ganz andere Nummer, die die Neonazis da aufziehen. Dass sie offenbar eine Person den ganzen Tag dafür abbestellen, um ihn zu schikanieren, ist lächerlich. Doch einschüchtern lässt er sich nicht. Die Unternehmer, die hereingelegt wurden, sind stets betroffen, wenn sie von den Umständen erfahren und schicken ihm als Trost Werbegeschenke. Einen Stick, den er geschenkt bekam, nutzt er heute noch.

Auch wenn der Brief eine rote Linie überschreitet, wird das nichts an seiner wichtigen Arbeit ändern. Es ist schließlich eine „ständige Drohkulisse“, die sie versuchen aufzubauen, um kritische Journalist*innen abzuschrecken. Natürlich löse das Ängste aus, aber es ist auch „eine Bestätigung meiner Arbeit. Ich nerve sie. Ich bleibe dabei.“ Im Gegenteil, „das motiviert mich sogar mehr.“ Nach dem Vorfall erhielt er auf Twitter enormen Zuspruch, mehrere hundert Solidaritätsbekundungen gingen in kürzester Zeit ein. „Das ist toll und gut so.“

Journalist*innen durch Rechtsextreme bedroht

Das ist bei weitem kein Einzelfall. Regelmäßig wird von Rechtsextremen versucht, kritische Journalist*innen mundtot zu machen. Während man sich gleichzeitig selbst als Opfer inszeniert. Wir berichteten im Mai von Morddrohungen gegen linke Journalisten.

Morddrohungen gegen linke Journalisten durch Neonazis

Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union beklagte in einer Pressemitteilung die Gefahr für unabhängigen und kritischen Journalismus, die von Rechtspopulisten und Rechtsextremen in vielen Ländern ausgeht. Eine Studie zeigt, dass sich in Deutschland nach Chemnitz die Angriffe auf Journalist*innen mehr als verdreifacht haben.

Wegen Chemnitz: Gewaltsame Angriffe auf Journalisten haben sich mehr als verdreifacht

Auch der Verfassungsschutz geht von einer wachsenden Gefahr von Rechtsextremisten aus. So soll es mindestens 12.700 gewaltbereite Rechtsextreme geben (Quelle). Während sich laut Konstantin Kuhle, innenpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Bundestag, immer mehr Rechte Online zu gewalttätigen Straftaten verabreden und politische Gegner*innen und Journalist*innen angreifen, wird gleichzeitig ein rechtes Opfernarrativ verbreitet. So werden vermehrt Auseinandersetzungen und Vorfälle der „Antifa“ zugeschrieben, oder gar gestellt, wie kürzlich in Fellbach durch die AfD.

Opferinszenierung: AfD erwischt, wie sie eigenen Infostand zerlegt – Schuld sei „die Antifa“

Solidarität mit Journalist*innen

Ziel ist natürlich, sich selbst als Opfer darzustellen, damit wiederum die eigentlichen Angriffe und Einschüchterungsversuche wie durch die Morddrohungen und den Pulver-Brief auf Rutkowski als gerechtfertigt präsentiert werden können. Und um die wahrgenommen Gegner*innen zu entmenschlichen.

Wer den Demokratie-Gegnern und Feinden der Pressefreiheit zeigen möchte, dass ihre Droh-Aktion den genau gegenteiligen Effekt hat, kann Robert Rutkowski Solidarität zeigen und ihn am besten direkt selbst für seine Arbeit (Hier seine Website) unterstützen. Die Unabhängigkeit der Presse ist eines der wichtigsten Güter in einer Demokratie und es darf nicht sein, dass politische Extremisten unbehelligt einzelne Presseleute derart einschüchtern.

Die Polizei hingegen habe laut t-Online erklärt, alles zu versuchen, „vor allem mit unseren technischen Möglichkeiten den Verursacher der Briefe ausfindig zu machen und diese Bedrohungs- und Einschüchterungsversuche gegenüber den Journalisten zu unterbinden“.

Artikelbild: Robert Rutkowski