36.520

So widerlegt ihr Querdenker, die die Übersterblichkeit durch Corona vertuschen wollen

von | Jan 17, 2021 | Aktuelles, Analyse, Corona, Corona-Fake

So wollen Querdenker Übersterblichkeit vertuschen

Beitrag von Laurin U.

Von einer Übersterblichkeit spricht man, wenn mehr Menschen als in den Vergleichsjahren (zu 2020 normalerweise 2016-2019) sterben. Die Vergleichsjahre sind so gewählt, weil man sie so noch am ehesten mit diesem Jahr vergleichen kann, da sich zum Beispiel die Demographie kaum ändert. Die Lebenserwartung und die Lebensumstände haben sich in diesem Zeitraum ebenfalls am wenigsten verändert. Komplett verschiedene Länder lassen sich kaum vergleichen, denn Altersstruktur, Lebenserwartung kann man kaum sinnvoll mit einbeziehen.

Auch relative Todeszahlen sind aus den gleichen Gründen kritisch zu betrachten. Deswegen ist es auch schwierig, unterschiedliche Länder miteinander zu vergleichen. Wer sich dafür interessiert, wie destatis unter anderem die Gründe für eine Übersterblichkeit feststellt, dem kann ich diesen Podcast empfehlen (Link).

Der beliebteste Trick der Pandemie-Leugner:innen: November und Dezember heimlich weglassen:

 

Jetzt könnte man bei dem Link zu destatis.de, ja denken, dass es stimmen muss, aber dem ist nicht so. Denn destatis (statistisches Bundesamt) hat noch keine Zahlen für das komplette Jahr 2020 amtlich bestätigt. Das kann es auch noch gar nicht, denn für das Jahr 2020 liegt noch keine Gesamtauswertung der Todesfälle vor. Das heißt, die Verschwörungsgläubigen vergleichen die noch nicht vollständigen Zahlen aus 2020 nur bis November. Mit den vollständigen Zahlen aus den Vorjahren (Quelle). Ihr seht, wie sehr sie täuschen müssen.

Durch die Verbreitungen solcher Graphiken wollen die Pandemieleugner:innen die Gefährlichkeit des Coronaviruses immer noch herunterspielen und das Gefühl erzeugen, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie unverhältnismäßig seien. Dadurch, dass sie so tun, als hätte das statistische Bundesamt dies veröffentlicht, erhoffen sie sich den Anschein der Seriosität. Doch lasst euch nicht verarschen.

Wir haben die Zahlen seit Anfang März verglichen

Oft wird das 2020 mit dem gesamten Durchschnitt der Vorjahre verglichen. Das macht nur bedingt Sinn, denn die Pandemie startete bei uns in Deutschland erst Anfang März. Dadurch, dass die Todeszahlen zu Beginn von 2020 unterdurchschnittlich waren, gibt es somit einen „Puffer“. Sie rechnen also nicht nur die ersten Monate ohne Pandemie dazu, sondern lassen die schlimmsten Monate der Pandemie weg. Äußerst manipulierend. Dies sollte man im Hinterkopf haben, wenn das gesamte Jahr 2020 mit den Vorjahren verglichen wird. Schauen wir uns den Zeitraum circa März bis Dezember an:

Auffallend ist trotzdem, dass 2020 die Sterblichkeit fast die gesamte Zeit über dem Durchschnitt liegt. In Fakt lag 2020 in 35 der 42 Verglichenen Wochen über dem Durchschnittswert der Vergleichsjahre. Das Jahr 2020 liegt aber nicht nur über dem Durchschnitt der Vorjahre, in 23 der 42 verglichenen Wochen stellt das Jahr 2020 einen neuen Höchstwert im Vergleich zu den Vorjahren auf.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Lockdown nicht nur die Todeszahlen durch Corona gesenkt hat, sondern auch aus vielen weiteren Ursachen: So gab es 2020 26% weniger Verkehrsunfälle mit fast 24% mit Tiefständen bei den Verkehrstoten (Quelle). Die Maßnahmen haben nebenbei die Grippe 2020 fast komplett aufgehalten, deren jährliche Todesfälle 2020 entsprechend wegfallen (Quelle). Das gilt auch für alle Infektionskrankheiten wie Windpocken, Rotavirus oder Norovirus (Quelle). Fast so, als wirken die Maßnahmen.

Regional besonders starke Übersterblichkeit: Fast doppelt so viele Tote im Dezember in Sachsen wie sonst

Besonders regional gesehen ist teilweise eine noch viel stärkere Übersterblichkeit zu beobachten. In Sachsen zum Beispiel liegen die Zahlen für die KW51 um 109% über dem Durchschnittswert der vier Vorjahre (Quelle). Die KW50 hat das Katapult-Magazin visualisiert:

In Sachsen übersteigen die Coronatoten bei weitem die Influenzatoten, die es 2018 gab. Viele Pandemieleugner:innen behaupten, dass das Coronavirus nicht gefährlicher als die Grippe ist. In der Grippesaison 2018, die als die tödlichste der letzten 30 Jahre gilt sind insgesamt 168 Sachsen (laborbestätigt) an der Grippe verstorben (Quelle). Zum Vergleich: An oder mit dem Coronavirus sind bisher schon 4982 Sachsen verstorben (Quelle). Für den Dezember sagt das Statistische Landesamt Sachsens im Dezember sogar eine Übersterblichkeit von 97% (Quelle, Quelle)

Stirbt man AN oder MIT Corona? Molekularbiologe zerlegt Verharmloser

Einige Landesämter haben die Zahlen für Dezember bereits: In Sachsen-Anhalt gab es im Dezember eine Übersterblichkeit von 29% (Quelle).

Nicht nur in Deutschland gibt es eine Übersterblichkeit.

Ein weiterer „Trick“ der Pandemie-Leugner:innen: Den Blick nur auf Deutschland zu lenken, das bis zum November im internationalen Vergleich relativ gut durch die Pandemie gekommen ist. Denn Corona ist Corona, nicht nur in Deutschland. Viele andere Länder hat es deutlich härter getroffen. In den USA sind 2020 so viele Menschen gestorben, wie noch nie zuvor (Quelle). In den Vereinigten Staaten sind 15,4 % mehr Leute gestorben, als durchschnittlich 2016-2019. Es hat aber auch Teile der EU stark getroffen. In Belgien starben 16,1 % mehr, in Spanien sogar 18,7 % mehr als durchschnittlich im Vergleichszeitraum (Quelle).

Aber gucken wir uns mal andere Länder an, hier Polen:

Daten, Quelle

Hier haben wir den Vergleich für Belgien visualisiert:

Hier haben wir mit den verfügbaren die relative Entwicklung der Sterbefälle im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr für europäische Länder aufgeführt:

Wenn man aber die gesamte EU vergleichen möchte gibt es ein Problem. Viele Länder haben noch nicht ihre Daten veröffentlicht. Deswegen schauen wir uns mal nur KW1 bis KW46 an, um möglichst viele Länder mit einzubeziehen. Im Vergleich zum Vorjahr gab es in diesem Zeitraum 4,81% mehr Tote. In absoluten Zahlen sind das 197.505 Menschen, die in diesem Zeitraum mehr verstorben sind als 2019. Während der Grippewelle 2018, die viele Pandemieleugner:innen als gleichwertig darstellen möchten, stieg die Zahl der Toten lediglich um 61.877 im Vergleich zu 2017. In Prozentzahlen entspricht das nur 1,51% (Quelle).

Schauen wir uns zum Schluss aber noch mal die erschreckend eindrucksvollen Zahlen für die USA an für die KW1 bis KW49 im Vergleich zum Zeitraum seit 2013-2020:

Mittlerweile gibt sogar die AfD zu, dass es eine Übersterblichkeit gibt

Nicht einmal mehr die rechtsextreme AfD, die komplett auf den Zug der Pandemie-Leugnung aufgesprungen ist, kann eine Übersterblichkeit durch das Coronavirus leugnen. Während einer Sitzung des sächsischen Landtags gab Jörg Urban (AfD) zu, dass es in Sachsen eine Übersterblichkeit zu beobachten gäbe. Bei den Todeszahlen auch sehr schwer. Die Schuld dafür sieht er allerdings natürlich bei der Regierung. Diese Meinungsänderung kommt durchaus überraschend, denn vor etwas mehr als einem Monat hatte er selber noch behauptet, dass 2020 „genauso wenig Menschen wie in den Vorjahren“ sterben würden (Quelle).

Fazit: Fast 5% Mehr Tote als 2016-19 (KW 10-51)

Viele Pandemieleugner:innen und Verschwörungsgläubige verbreiten weiterhin, dass es in Deutschland keine Übersterblichkeit geben würde. Um diesen Fake zu verbreiten, müssen sie aber deutlich an den Zahlen herumspielen. Deutschland ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern noch glimpflich weggekommen. Trotzdem sind in Deutschland zwischen KW10 und KW51 37.346 mehr Menschen verstorben als durchschnittlich in diesem Zeitraum in den vier Jahren zuvor. Das entspricht einem Anstieg von fast fünf Prozent.

Dabei bisher nur die Zahlen bis zur KW51 (bis 20. Dezember) vom statistischen Bundesamt veröffentlicht. In dieser Woche starben 24% mehr als im Durchschnitt der Vorjahre, ein weiterer Anstieg (Quelle). Und die letzte Dezember-Woche wird wohl noch größer sein. Trotz des ersten Quartals größtenteils ohne Corona und der relativ erfolgreichen Maßnahmen im Frühjahr zeigt sich in den letzten zwei Monaten 2020, wie stark die Übersterblichkeit auch in Deutschland ist. Ein Blick in andere Länder zeigt noch dramatischere Ausmaße. Aber auch ohne die schlimmsten Wochen der Pandemie in Deutschland sieht man eine Übersterblichkeit 2020.

Man wird nie wissen, was ohne Lockdowns und andere Maßnahmen passiert wäre, Modellrechnungen gehen aber davon aus, dass es sonst 2020 in Deutschland vermutlich 370.000 bis 770.000 zusätzliche Todesfälle gegeben hätte (Quelle). Lasst euch deswegen nicht von Pandemie-Leugner:innen oder Rechtsextremen etwas einreden, die seit Monaten mit Lügen Corona verharmlosen wollen.

Beitrag von Laurin U. Artikelbild: Chaikom

Unsere Autor:innen nutzen die Corona-Warn App des RKI: