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„Irreführende Vorwürfe“: „WELT“ verbreitet Fakes über DIVI-Auslastung – Intensivmediziner entsetzt

von | Mai 17, 2021 | Aktuelles

„WELT“ verbreitet Fake News über DIVI-Auslastung

Es ist extrem beunruhigend zu sehen, dass die immer wissenschaftsleugnender berichtende „WELT“-Zeitung weiter Desinformation über die Corona-Pandemie verbreitet und dafür großen Applaus in Kreisen von Rechtsextremist:innen und „Querdenker:innen“ erhält. Auf Basis eines grundlegend fehlerhaften und unvollständigen Thesenpapiers unter Führung von Nicht-Intensivmediziner Matthias Schrappe hat die „WELT“ völlig falsche Schlussfolgerungen weiterverbreitet und Fake News über die Auslastung der Intensivbetten und des DIVI-Registers, sowie Verschwörungsnarrative verbreitet und legitimiert. Ein breites Bündnis an Intensivmediziner:innen (DIVI, Marburger Bund und DKG) ist empört und entsetzt wegen dieser Desinformation und weist die „irreführenden Vorwürfe aufs Schärfste zurück“ (Quelle). Wir machen den Faktencheck hinter der querdenker’esquen Kampagne und dem Hashtag #DiviGate.

Faktencheck: das Thesenpapier

Das problematische Thesenpapier, das dieser Desinformations-Kampagne zugrunde liegt, stellt unter anderem folgende Thesen auf:

  • Sie behaupten aufgrund falscher Berechnungen und fehlender Daten: „Die Angst vor knappen Intensivkapazitäten oder der Triage war unbegründet.“
  • Sie behaupten, man habe die Intensivbettenkapazitäten nicht erhöht, obwohl dafür Geld geflossen sei.
  • Sie behaupten ebenfalls, dass in Deutschland extrem überproportional Covid-Patient:innen auf den Intensivstationen gewesen seien. Dass sie im Vergleich zu europäischen Nachbarn so hoch lagen, nehmen die Autor:innen als Indiz für eine Verschwörung. Die Wahrheit ist einfacher: Sie liegen einfach falsch.

Die Autor:innen unterstellen der Bundesregierung sogar direkt ganz im Stil von extremistischen „Querdenker:innen“, die Zahlen manipuliert zu haben, und die maximale Zahl der Intensivbetten im DIVI-Register retrospektiv herunter korrigiert zu haben. Das ist extrem unseriös, unprofessionell und falsch, denn die Autor:innen (und auch die „WELT“) hatten offenbar kein Interesse an der Erklärung der Diskrepanzen, sondern viel mehr daran, verschwörungsideologische Narrative zu bedienen. Das sind typische wissenschaftsleugnende Methoden, die dazu dienen sollen, die öffentliche Meinung zu manipulieren.

Fake 1: Autor:innen unfähig, die Daten richtig zu verstehen; seit 4. März werden Kinder-Intensivbetten nicht mitgezählt

Hauptautor des Thesenpapiers Schrappe sagt im WELT-Interview unter anderem:

„Wir haben die Zahlen seit Sommer regelmäßig dokumentiert. Wenn wir diese Daten mit den heutigen Zahlen im DIVI-Archiv vergleichen, sind da plötzlich nicht mehr in der Spitze knapp 34.000 Betten gemeldet, sondern nur noch rund 30.000. Man hat rückwirkend systematisch eingegriffen, sodass überall 3.000 Betten weniger verzeichnet sind. Das ist anrüchig, weil diese Zahlen politische Konsequenzen hatten.“

Im Thesenpapier wird sich gefragt, wie es zu der Korrektur der Zahlen kam, die „erklärungsbedürftig“ sei.

Die Autor:innen spekulieren eher, dass es „gezielter Bettenabbau“ möglich gewesen wäre, anstatt die Erklärung selbst zu recherchieren. Im DIVI-Tagesreport vom 4.3.2021 steht die Erklärung der Anpassung.

„Die Tabelle »Intensivmedizinische Behandlungskapazitäten« berichtet nun in den Versorgungskategorien (Low-,High-Care, ECMO) nur noch die Kapazitäten für Erwachsene. In eckigen Klammern wird weiterhin die Summe der Kinderkapazitäten berichtet. Begründung: Die Kapazitäten für Erwachsene stehen in der gegenwärtigen SARS-CoV-2 Pandemie im Fokus, da schwere Verläufe vordergründig bei Erwachsenen auftreten.“

Der Unterschied sind ziemlich genau die 3.000 Betten, von denen Herr Schrappe spricht. Weder die zehn Autor:innen, noch die WELT, deren journalistische Aufgabe es gewesen wäre, derartige Thesen kritisch zu hinterfragen, haben das recherchiert.

Fake 2: Thesenpapier ignoriert große Dunkelziffer aufgrund fehlender Daten, wundert sich über komische Ergebnisse

Im Thesenpapier von Schrappe et al. gibt es noch einen weiteren gravierenden Fehler. Angeblich werden in Deutschland 44 % der Covid-Patient:innen, die im Krankenhaus liegen, auch auf der Intensivstation behandelt. Im Papier wird der Prozentsatz dadurch berechnet, dass die Zahl der angeblich derzeit hospitalisierten Covid-19-Patient:innen mit der Anzahl derjenigen auf der Intensivstation verglichen wird. Dabei wird auch mit anderen europäischen Ländern verglichen, um zu zeigen, dass dort der Anteil viel geringer sei.

Das Problem hierbei ist jedoch, dass die Zahl der Corona-Patient:innen, die im Krankenhaus sind, falsch ist. Genauer: Es gibt unseres Wissens nach keine verlässliche Zahl, die aussagt, wie viele Menschen derzeit wegen Corona im Krankenhaus sind. Die Corona-Intensivpatient:innen im DIVI-Intensivregister werden täglich exakt erfasst, die Zahl, die Schrappe et al. zum Vergleich herangezogen haben, stammt aus dem RKI-Bericht (Link). Das ist aber nicht die Gesamtzahl aller derzeit im Krankenhaus befindlichen Kranken, sondern nur die Zahl der wöchentlichen Neuzugänge! Da Behandlungen von Corona im Median 10 Tage dauern, ist das sicherlich nicht die aktuelle Gesamtzahl, da viele Patient:innen länger als nur eine Woche im Krankenhaus sind (Quelle).

Sprich: Dass die Anzahl der Intensivpatient:innen in der Rechnung so hoch ist, liegt nicht daran, dass hier eine Verschwörung der Regierung vorliegt, die „künstlich“ die Belegung der Intensivbetten hochschrauben will, sondern weil das Thesenpapier falsche Zahlen verwendet. Wenn man mit dem Medianwert der Aufenthaltsdauer die 8.112 Krankenhausfälle umrechnet, ist die realistischere Zahl bei 11.589, und damit sinkt der Anteil auf 31 %, und damit nicht mehr so weit weg in Relation zu den anderen Ländern. (Berechnung via Malte Kreutzfeldt.) Mit neuen Corona-Mutationen erhöht sich die Behandlungszeit sogar noch (Quelle). Die Zahl entspricht auch dem geschätzten Anteil, den das Forschungsinstitut Risklayer errechnet hat: 32,23 % (Quelle).

Zahlen scheinen realistisch

Der Blick auf einzelne Bundesländer zeigt, dass diese Werte relativ normal sind. Im Saarland lag der Anteil an dem entsprechenden Tag bei 28,6 % (Quelle).

Im verlinkten Artikel steht es auch noch einmal deutlich: „Konrad Schwarzkopf, der Leiter der Intensivmedizin am Saarbrücker Winterbergklinikum sagte im SR-Interview, die Lage auf der Intensivstation des Klinikums Saarbrücken habe sich »in den letzten zwei bis drei Wochen nicht entscheidend verändert.« Die Auslastung durch Corona-Beatmungspatienten und Corona-Patienten liege durchgehend bei etwa 30 Prozent.“ Dass Deutschland im Übrigen einen überdurchschnittlichen Anteil an Intensivpatient:innen hat, oder gar Spitzenreiter ist, ist auch zu erwarten, da Deutschland einen der höchsten Altersdurchschnitte in Europa hat und dadurch eine gefährdetere Bevölkerung (Quelle).

Woher kommen plötzlich 61 %?

Es geht um den gleichen Fehler, aber während in der Tabelle der Anteil angeblich das Verhältnis bei 44 % lag, beschreibt das Thesenpapier für den 27.04. plötzlich einen Wert von 61 %. Die Autor:innen schlussfolgern nicht, dass sie sich aufgrund unvollständiger Zahlen verrechnet haben, sondern: „Offensichtlich stellt man in Deutschland die Indikation zur Intensivbehandlung von CoViD19-Patienten deutlich schneller als in anderen Ländern.“

Wir vermuten, dass er hier irgendwie mit den Zahlen der ECDC für neu Hospitalisierte rechnet, aber können seine genannte Zahl schlicht nicht nachvollziehen. Schrappe vergleicht also die systematisch erfasste Zahl der täglichen Auslastung der Intensivbetten mit extrem lückenhaften Daten wöchentlicher Neuaufnahmen von Patient:innen. Das ist ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen. Und zu alledem kommt noch ein weiterer Faktor hinzu, der die Dunkelziffer vergrößert: Nicht bei allen Corona-Fällen ist der Hospitalisierungs-Status angegeben (Quelle). Das deutet auf eine Dunkelziffer in der Größenordnung von 1/3 der Fälle hin. Diese Zahl ist wirklich nicht belastbar.

Fake 3: In der 1. Welle gab es 3.000 Patient:innen gleichzeitig, nicht insgesamt

Außerdem behaupten Schrappe et al., in der ersten Welle wären insgesamt 3.000 Personen intensivmedizinisch behandelt worden. Das ist schlicht falsch. Es waren „gleichzeitig“ knapp 3.000 am Höhepunkt, aber auch davor und danach gab es ja Neuzugänge und Abgänge (Quelle). Das Thesenpapier verwechselt auch wieder die Rekordwerte eines einzigen Tages und lässt sie wie eine Gesamtzahl aussehen, was die zweite und die dritte Welle betrifft.

© Statista 2021

Laut TU Berlin wurden allein im Kalenderjahr 2020 (also vor „Belegungshöhepunkt“ der 2. Welle) 35.661 Patient:innen in Intensivbetten versorgt (Quelle, Quelle), wie Tobias Wilke feststellte.

Grafik via Tobias Wilke

Laut DIVI-Intensivregister waren bis heute (17.5.21) demnach 105.000 Corona-Patient:innen in Deutschland auf der Intensivstation.

Fake 4: Abbau von Intensivkapazitäten ist auch erfunden

Das Papier stellt auch die These auf, dass die DIVI-Zahlen zu den Intensivbetten seit Sommer 2020 gesunken seien.

Ein Rückgang an Intensivkapazitäten liegt auch zum Teil daran, dass Corona-Patient:innen mehr Personal als normale Patient:innen benötigen. Intensivbetten, die zwar vorhanden sind, aber aufgrund mangelnden Personals nicht betrieben werden können, sollten nicht mitgezählt werden. Zu Beginn der Pandemie hat man das noch getan, später (Oktober 2020) haben die Krankenhäuser das dann richtig gemacht und bereinigt, auch deshalb sanken die Zahlen der verfügbaren Betten im Sommer 2020. Aber wenn der Anteil der pflegeintensiveren Corona-Patient:innen steigt, wird pro Patient rechnerisch mehr als nur ein Bett „verbraucht“, weil für den Betrieb der restlichen Betten nicht genug Pflegepersonal verfügbar ist. Entsprechend ändert sich auch die Anzahl im DIVI-Intensivregister (Quelle).

Zum 1.2.2021 haben sich die Personaluntergrenzen von 2,5 (Tag) bzw. 3,5 (Nacht) auf 2:1 und 3:1 geändert, sprich weniger Patient:innen kommen auf eine Pflegekraft. Wenn weniger Patient:innen durch eine Pflegekraft versorgt werden dürfen, sind entsprechend weniger betreibbare Betten im System verfügbar. Dazu kommt, dass Intensivmediziner:innen sich selbst infizieren oder wegen Burn-out abbrechen müssen (Quelle). Bei WELT und Schrappe et al. wird aber so getan, als stecke ein perfider Plan dahinter, um die Anzahl der freien Intensivbetten zu manipulieren.

DIVI und andere Verbände erklären dazu :

„Für den Rückgang der Intensivbettenzahl im weiteren Verlauf des Jahres gibt es mehrere Gründe. Bereits Anfang August kam es im DIVI-Intensivregister zu einem Rückgang der Intensivbettenzahl. Dieser ist auf eine Änderung bei der Abfrage der intensivmedizinischen Kapazitäten sowie dem Einsetzen der Pflegepersonaluntergrenzen zurückzuführen. In der Konsequenz haben zahlreiche Kliniken ihre Bettenmeldungen an diese Personalvorgaben angepasst. Außerdem werden seitdem die Notfallreservekapazitäten separat abgefragt.

Die Angaben zur Anzahl der freien betreibbaren Bettenkapazitäten haben sich in den folgenden Meldungen entsprechend reduziert. Die Daten legen nahe, dass ein Teil der vorher gemeldeten freien Bettenkapazitäten nun als Notfallreservekapazität gemeldet wird. Die Notfallreserve kann stückweise aktiviert werden, indem andere Behandlungen abgesagt bzw. verschoben werden.“ (Quelle)

Mehr dazu:

Hilferuf der Intensivmedizin: Aber Wagenknecht würde lieber Pflegekräfte verheizen?

Fake 5: 18.500 neue Pflegekräfte, nicht 43.000

Des Weiteren wird behauptet, dass 43.000 neue Pflegekräfte im Jahr 2020 eingestellt worden seien. Von diesen 43.300 neuen Pflegekräften entfielen allerdings nur 18.500 auf Krankenhäuser, der Rest kam in die Altenpflege (Quelle).

Grafik via Tobias Wilke

Hierbei ist zu berücksichtigen, wie Tobias Wilke feststellt, dass auch nicht klar ist, wie viele davon Intensivpfleger:innen sind. Möglicherweise ist die Zahl weiterhin noch irreführend, da nicht ausgeschlossen ist, dass hier Personen gezählt wurden und nicht Vollzeitstellen. Viel Personal arbeitet in Teilzeit (Quelle). Beispielrechnung: 50 Halbtagskräfte sind mehr als 40 Vollzeitkräfte, können aber über ein Drittel weniger Dienste leisten.

Update 18.05 15:30: Korrekturen im Papier/Ergänzungen von uns

  • Nach einem Hinweis von Malte Kreuzfeldt lag die durchschnittliche Verweildauer von Covid19-Patient:innen im Krankenhaus bei 11,2 Tagen – und damit noch über den obig geschätzten 10 Tagen (Quelle).
  • Ebenfalls laut Kreuzfeldt hat Schrappe bestätigt, dass er die zugrundeliegende Zahl der im Krankenhaus befindlichen Personen mit der pro Woche neu aufgenommenen verwechselt hat (Quelle). Inzwischen wurde in einer aktualisierten Fassung des Thesenpapiers der Quotient mit einer Verweildauer von 10 Tagen korrigiert, womit die zitieren Zahlen (44 % bzw. 61 %) auf im europäischen Vergleich viel näheren (31 % bzw. 41 %) fallen, was dann allerdings die rein spekulativen Erklärungsversuche der Autor:innen nicht mehr stützt. Im WELT-Artikel fehlen darüber hinaus bis auf einen neutralen Verweis auf das Update des Papers Hinweise auf die falschen Zahlen.
  • Im Thesenpapier wurden außerdem die bei Fake 3 beschriebenen Fehler korrigiert. Jetzt wird darauf hingewiesen, dass es bei der ersten und zweiten Welle „pro Tag“ 3.000 respektive 6.000 Patient:innen waren. Das ist allerdings immer noch nicht richtig, es handelt sich bei diesen Zahlen lediglich um die Spitzenwerte. Dadurch werden die in Krankenhäusern behandelten Personen z. B. in der zweiten Welle versehentlich auf 900.000 überkorrigiert, wie Journalist Tobias Wilke feststellt (Quelle).

Weitere Gegenbeweise: Anekdotische Evidenz

Die Grundthese, die durch diese ganzen Rechenfehler aufgebaut wurde, ist gewesen, dass Deutschland zu keinem Zeitpunkt eine Überlastung der Intensivstationen gedroht hätte. Dagegen sprechen diverse reale Ergebnisse. Mehrere Krankenhäuser in Hessen verhängten einen Aufnahmestopp (Quelle). Wittich in Rheinland-Pfalz (Quelle)- Köln war so überlastet, dass Menschen in andere Kliniken verfrachtet werden mussten (Quelle), Stuttgart wollte OPs verschieben (Quelle). Auch aus Thüringen mussten Patient:innen verlegt werden (Quelle). Dazu auch die Doku Charite Intensiv, die die Realität zeigt.

Intensivmedizinier:innen widersprechen lautstark auf Twitter

Dass die falschen Thesen, die vom Thesenpapier und völlig unverantwortlich von WELT verbreitet werden, der Realität und dem Alltag vieler Pflegekräfte widersprechen, wird auch auf Twitter deutlich.

Auch Karl Lauterbach hält die pseudowissenschaftlichen Behauptungen für „unwürdig“.

Gemeinsame Erklärung von DIVI, Marburger Bund und DKG: „weisen Vorwürfe von Matthias Schrappe aufs Schärfste zurück“

Die Verbände der DIVI und anderen Intensivmediziner:innen sind entsetzt ob der tendenziösen Berichterstattung der WELT und des unseriösen Thesenpapiers. In einer gemeinsamen Erklärung weisen DIVI, Marburger Bund und DKG die „Vorwürfe von Matthias Schrappe aufs Schärfste zurück“ (Quelle).

„Die Aussagen des Ökonomen Prof. Dr. Matthias Schrappe und Kollegen in der WELT sorgen für Empörung. Die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) e.V., der Marburger Bund Bundesverband und die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) e. V. weisen die irreführenden Vorwürfe vom Spiel mit der Angst, von der Manipulation offizieller Statistiken und sogar die Unterstellung, rein aus finanziellem Interesse Patienten intensivmedizinisch zu behandeln, aufs Schärfste zurück. Auch die Behauptung, die Krankenhäuser hätten zu Unrecht Fördergeld für nie aufgebaute Intensivbetten kassiert, ist nicht haltbar. Viele der Anwürfe Schrappes basieren auf Fehleinschätzungen und mangelnder Kenntnis der tatsächlichen Lage in Kliniken.“

Auf Anfrage von Volksverpetzer erklärte uns eine Sprecherin der DIVI, dass sie zusätzlich zur öffentlichen Gegendarstellung ein „wissenschaftliches Paper als Gegendarstellung zu der Veröffentlichung von Schrappe et al. in den nächsten Tagen“ veröffentlichen werden.

Für die WELT-Desinformation gibt es viel Applaus von Rechtsextremen und „Querdenkern“

Die Desinformation aus dem Thesenpapier und der „WELT“ wird sofort dankend von Rechtsextremist:innen und „Querdenker:innen“ aufgegriffen. Auf Facebook wird der Artikel vor allem von verschwörungsideologischen Seiten geteilt, auch von einer AfD-Bundestagsabgeordneten.

Die in großen Teilen rechtsextreme AfD springt sofort auf die Desinformationskampagne auf. Auch rechtsextreme, vom Verfassungsschutz überwachte Magazine, sowie bekannte „Querdenker:innen“ teilen die WELT-Fake News sofort.

WELT möchte Klicks von Extremist:innen?

Es ist in letzter Zeit relativ deutlich geworden, dass in der WELT-Redaktion entweder Personal sitzt, dass derartigem verschwörungsideologischen Denken anhängt oder man zynisch die teilungsfreudige Blase von Rechtsextremist:innen, Pandemie-Leugner:innen & Co. mit vermeintlicher Bestätigung ihrer wissenschaftsfeindlichen Weltanschauung bedienen will. Oder beides. Wir bei Volksverpetzer haben bereits viele Faktenchecks von fehlerhaften WELT-Artikeln machen müssen, die in das gleiche Horn bliesen wie „Querdenker:innen“. Wie hier über PCR-Tests:

WELT täuscht über Fakten zum PCR-Test – bekommt Applaus von Rechtsextremen und Querdenker:innen

Oder hier mit irreführendem „Querdenker“-Framing:

Querdenker-Framing: Wie die „WELT“ aus dem Nichts einen Skandal fabriziert

Ausführlich haben wir die wissenschaftsfeindliche Einstellung der WELT in diesem Artikel analysiert, als Dr. Drosten die Desinformations-Methoden des WELT-Chefs Poschardt angeprangerte und kritisierte.

„Verkürzung durch die Medien“: Drosten entlarvt Rhetorik von WELT-Chef Poschardt

Poschardt bezeichnete Corona-Maßnahmen als „absurd“ (Quelle), er bezeichnete Wissenschaftler:innen, die NoCovid forderten, als „Panikfreunde“ (Quelle) und immer wieder bediente er das gleiche Narrativ: Wer funktionierende Maßnahmen fordert, ist verblendet, mindestens ideologisch beeinflusst, man selbst ist hingegen lediglich für „Freiheit!“ (Quelle). Aber anscheinend halt nicht für „Wissenschaft!“ Und das ist nicht alles. Wie alles andere als wissenschaftlich die Agenda der „WELT“ teilweise aussieht, konnte man im Februar bereits deutlich sehen, als der leitende Redakteur für Zeit- und Kunstgeschichte der „WELT“ Drosten als „Panikmacher“ bezeichnete und ihm glatt unterstellte „wahrscheinlich Hunderttausende Menschenleben auf dem Gewissen“ zu haben.

Der gleiche Autor bezeichnete den Inzidenzwert auch als „völliger Unfug“, bezeichnete Corona als „Hysterie“, verharmloste und verbreitete weitere Fake News über das Virus. Die „extrem zugespitzte Formulierung“ bedauerte er später aber und löschte den Kommentar (Quelle). Nicht zu vergessen auch, dass für WELT „Don Alphonos“ schreibt, der eine nicht unbedeutende rechtsextreme Followerschaft hat.

Warum Tweets von WELT-Autor Don Alphonso immer noch zu Hass & Morddrohungen führen

In diesen Kontext passt auch die neue Desinformation über die DIVI-Intensivbettenauslastung der WELT. Man verzichtet auf journalistische Sorgfalt, lässt Nicht-Expert:innen verschwörungsideologische Behauptungen aufgrund falscher und fehlender Zahlen aufstellen, und lässt hingegen keine echten Expert:innen oder Betroffene zu Wort kommen, um eine einseitige und falsche Darstellung zu erzwingen.

FAZIT: WELT bietet unseriöser Desinformation eine prominente Bühne

Halten wir fest: Aufgrund eines inhaltlich schlechten und auf falschen und unvollständigen Daten basierenden Thesenpapiers kamen einige Personen zu dem Schluss, dass nicht sie gravierende Fehler gemacht haben in ihren Berechnungen, sondern dass es eine gezielte Verschwörung gegeben haben soll, um vermeintlich „künstlich“ Panik zu erzeugen, was die Belegung der DIVI-Intensivbettenzahlen betrifft, obwohl das nie der Fall gewesen sein solle. Man spekuliert hinter den falschen Annahmen ein finanzielles Motiv, etwa zu Unrecht kassierte Fördergelder. Weder WELT noch die Autor:innen des Papiers haben offenbar irgendjemanden befragt, der ihre offensichtlichen Missverständnisse, Denk- und Rechenfehler hätte aufklären können.

Die vom Verfassungsschutz teilweise beobachten „Querdenker:innen“ jubeln, sind es schließlich genau die gleichen Lügen und Verschwörungsnarrative, die sie seit Monaten verbreiten möchten. Die WELT, die bisher mit Verharmlosung und Desinformation rund um die Corona-Pandemie (und den Klimawandel, mehr dazu, mehr dazu) negativ aufgefallen ist, präsentiert in mehreren Artikeln diese falschen Behauptungen und „Querdenker“-Narrative als Fakt und erdreistet sich sogar, in einem Meinungsartikel zu fordern, dass man „immer schön bei der Wahrheit bleiben“ solle, wobei sie genau in diesen Anspruch massiv versagt hat.

Für eine sicherlich gute Auflage und Klickzahlen stärkt die WELT gefährliche Extremist:innen und deren wissenschaftsfeindliche Propaganda. Diese Desinformation werden wir jetzt nicht mehr aus der Welt (pun intended) bekommen. Man hat sich aktiv am Streuen von falschen Tatsachen und verschwörungsideologischen Narrativen beteiligt, die einige Menschen weiter radikalisieren werden, die den demokratischen Diskurs verlassen, teilweise zu Gewalt greifen (mehr dazu). Das ist schändlich und unverantwortlich für eine Zeitung wie die WELT. In gewisser Weise hat die WELT doch Recht, wenn sie uns vorwarnt, dass es sich hier um „falsche Zahlen“ handelt und man hier einige Dinge wirklich nicht verstanden hat.

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„Querdenker“-Terror: Sprengsatz in Berlin vor Leibniz Forschungseinrichtung gezündet

Artikelbild: Aaron Amat, shutterstock.com / Screenshots welt.de

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