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WIE VIEL MUSS SICH EINE FRAU GEFALLEN LASSEN? IM NETZ AUGENSCHEINLICH ALLES …

von | Okt 9, 2018 | Allgemein, Österreich

Vor wenigen Monaten noch habe ich über den Fall Sigi Maurer berichtet.

Es ging damals in dem Artikel um Sigi Maurer, ehemalige Wissenschaftssprecherin der Grünen, die (nach eigenen Angaben) auf offener Straße schon blöd angemacht, dann kurze Zeit später auch noch von vermutlich selbigem Personenkreis via Privatnachricht mit den oben stehenden Worten (unter anderem) beschimpft. Daraufhin hat sie den Schritt nach vorne gewagt und die Beschimpfung in Form eines Screenshots veröffentlicht, was natürlich zu einer entsprechenden Resonanz gerade führt. (Der gesamte Artikel dazu hier, es ist nicht notwendig, alles nochmal zu wiederholen)

 

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Es kam natürlich zu einer Gerichtsverhandlung und heute wurde das Urteil gesprochen: Sigi Maurer ist schuldig. Ok. das war zu erwarten, ich habe es in meinem ersten Artikel zu diesem Thema auch schon angemerkt, dass ihre Veröffentlichung problematisch sein dürfte:

Gleichzeitig erweckt diese Veröffentlichung in mir auch die Angst, dass am Ende aus der gesamten Situation juristisch eine Täter-Opfer Umkehr entsteht, denn das Veröffentlichen privater Nachrichten ist wieder eine Sache für sich.

Maurer wurde im Fall der üblen Nachrede verurteilt, hingegen vom Vorwurf der Kreditschädigung freigesprochen. Das war beides irgendwie zu erwarten, denn der Betreiber, so hat es sich im Laufe der Verhandlung gezeigt, hat keine Einbußen erlitten. Man kann davon ausgehen, dass er in seinem Umfeld auch nicht wirklich einen Reputationsschaden erlitten hat. Aber das ist in meinen Augen nicht der wirklich relevante Punkt an der Urteilsverkündung.

Nicht gelungen zu beweisen

An dieser Stelle erreichen wir einen Punkt, an dem sich die Ohnmacht der Justiz vor Social Media offenbart. Der österreichische Standard beschreibt den Urteilsspruch des Richters gleich wie eine Kapitulation vor anonymem Hass und Beleidigungen auf Facebook:

Er sei zwar überzeugt, dass der Kläger lüge, sagte Richter Apostol in seiner Urteilsbegründung. Dennoch sei es Maurer nicht gelungen zu beweisen, dass sämtliche Postings vom Bierladenbesitzer stammen.

Nochmal deutlich: Dem Richter war klar, dass der Kläger lügt. wenn man das Verfahren verfolgte, konnte man auch ohne Probleme diesen Eindruck gewinnen. Gerade als es um die Abrechnungen des Umsatzes aus den Monaten nach dem Vorfall ging, verstrickte der Kläger sich in Widersprüche.

Doch sei es drum, trotz Überzeugung, trotz direkter Vergleiche von Punktationen, Schreibstil und auffälligem Vokabular konnte nicht zweifelsfrei bewiesen werden, dass nicht jemand anderes diese Mitteilung an Maurer versendet hätte. Der Clou: Der Kläger behauptete direkt zu Beginn des Verfahrens. Bereits an einem früheren Verhandlungstag wurde genau das thematisiert, aus einem Artikel der Presse vom 04. September 2018 erfährt man:

Auch auf die fehlerhafte Interpunktion in den Postings und Nachrichten wurde der 40-Jährige angesprochen. „Was haben Sie in Deutsch gehabt? Wo haben Sie Interpunktion gelernt?“, fragte Apostol. „Was ist das?“, wollte der Lokalinhaber wissen. „Das ist das, was Sie nicht können“, meinte der Richter.

Und nun stehen wir bei der Beweislast. Natürlich kann niemand auf Social Media wirklich beweisen, dass der Absender / die Absenderin auch wirklich die reale Person ist, dessen Accountname man vor sich hat. Dazu benötigt man Augenzeugen oder hinreichende Parallelnachweise.

Ärgerlich!

Das bedeutet aber auch: Man kann noch so viel Bullshit schreiben, die Hasskanone abfeuern oder sich sonstwie verwerflich äußern – der Moment, in dem man nur irgendwie darstellen kann, dass eine Dritte Person Zugriff auf einen Account hätte haben können, macht dann „immun“.

Gleichzeitig lässt die Begründung auch vermuten, dass man selbst gar nicht wirklich verantwortlich für den eigenen Account ist, solange man sich dieses Hintertürchen offen lässt. Was lernt man also als „Good guy“ daraus? Wir müssen dringend den Status der Verantwortung über Accounts klären. Es gilt, die reale Justiz an die virtuelle Welt anzupassen.

Was lerne ich als „Bad guy“ daraus? Hintertürchen bauen! TeamViewer installieren beispielsweise, dann kann man immer behaupten, Dritte hätten Zugriff. Zwischendurch den ein oder anderen Kumpel mal was über den eigenen Account posten lassen. Macht sich vor Gericht gut (*ironieOff)

Wie bereits anfangs erwähnt: Das Urteil selbst habe ich so erwartet. Die Machtlosigkeit der Justiz vor Social Media verärgert mich jedoch.

Über das Urteil Hier und Hier

Artikelbild: pixabay.com, CC0