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Rechter Shitstorm gegen Moderator Terli wegen „Schönem Wetter“

von | Sep 26, 2022 | Faktencheck

Wettermoderator Terli klärt zu Klimakrise auf – „WELT“ stört sich an der formulierung?

„Die Sprache hat ihre Unschuld verloren, das Gerede auch.“ So beginnt die WELT einen Meinungsartikel, in dem sie ZDF-Wettermoderator Özden Terli kritisiert. Ganz ohne inhaltlichen Mehrwert stürzt sich der Autor des Stücks auf Terlis Wortwahl. Denn seit einigen Jahren klärt der Moderator in der Wettervorhersage nicht nur über die kommenden Temperaturen auf, sondern auch über deren Kontext: Informationen zum Klimawandel sind bei ihm Programm. Offensichtlich hält die WELT von dieser Aufklärung nicht viel. Das macht „Warum der ZDF-Wetteransager nicht mehr von ‚schönem Wetter‘ spricht“ vom 14. September deutlich. Dass die Redaktion schon länger ein Problem mit einer wissenschaftlichen Darstellung der Klimakrise hat, ist derweil auch klar (mehr dazu, mehr dazu, mehr dazu).

Viel Lärm um nichts

Alles fing an mit einem Artikel der Süddeutschen Zeitung. Einen Tag lang begleitete Autorin Kathrin Müller-Lancé Özden Terli. Sie sprach mit ihm über seine Moderationen. Denn Terli teilt schon lange nicht mehr einfach bloß das Wetter mit. Er kontextualisiert es auch. Aus woanders verharmlosend „warmen Temperaturen“ wird dann: „Extreme Dürre, Hitze, Waldbrände: Die Klimakrise ist in diesem Sommer hautnah zu spüren.“ So teilt der Moderator in der begrenzten Zeit, die ihm pro Wettersendung zur Verfügung steht, Informationen mit den Zuschauer:innen, die diesen anderweitig womöglich entgehen würden. Warmes Wetter ist eben nicht bloß warmes Wetter. Das wird Terli besonders mit Blick auf Anomalie-Karten klar, die die Entwicklung der Temperaturwerte von 1979 bis heute zeigen.

Die SZ berichtete also über Terlis Beweggründe. Ihm wurde über die Jahre immer bewusster, dass mehr gegen den Klimawandel getan werden muss. Insbesondere, weil er täglich mit dem Wetter und somit auch mit extremen Wetterereignissen konfrontiert ist. Fortan begann er, das Wetter um Infos zur Klimakrise zu ergänzen. „Schönes Wetter“ kommt in seinem Wortschatz nicht mehr vor, denn: „Mitten in der Klimakrise muss man Hitzetage anders beleuchten, da reicht es nicht zu sagen: Juhu, wir gehen alle ins Schwimmbad“, so Terli. So weit, so gut. Doch hier kommt die WELT ins Spiel. Und es wird absurd.

Denn auf eben diesen Verzicht auf das Wörtchen ‚schön‘ stürzt sich die Zeitung – ohne ersichtlichen Kritikpunkt. Da werden dem Moderator dann Worte in den Mund gelegt à la: „Das schlechte Wetter ist das neue gute.“ Weiterhin heißt es, das Schöne sei subjektiv und „schon lange nicht mehr identisch mit dem Wahren und dem Guten“. Der Autor kommt schließlich zu dem Schluss, dass von „schönem Wetter“ zu reden, nicht automatisch heiße, dieses Wetter auch gut zu finden.

Klimakrise ist ein Wesensmerkmal künstlerischer Qualität?

Was Autor Richard Kämmerlings mit seinem Stück bezwecken will, erschließt sich den Leser:innen nicht wirklich. Vermutlich handelt es sich um versteckte Kritik an Terlis faktenbasierter Aufklärung zur Klimakrise, getarnt in literaturwissenschaftlichen Ergüssen. Denn dass ‚schönes Wetter‘ durchaus subjektiv ist, war ja nun wirklich schon allen klar. Dass Terli nicht plötzlich damit anfangen wird, Regen als „schönes Wetter“ zu bezeichnen, wahrscheinlich auch. Auffallend ist: Die Klimakrise wird in knapp 290 Wörtern lediglich zwei Mal eher nebensächlich als Grund für Terlis Wortwahl erwähnt. Im restlichen Text sinniert der Autor über die Bedeutung des Wortes „schön“, prächtige Barockpaläste sowie Breaking Bad und Squid Game.

Quelle: welt.de

Klimakrise herunterspielen? Für „WELT“ nichts Neues

Vielleicht hätte die WELT das investierte Geld, die Arbeitszeit und Lebensenergie lieber in einen Text stecken sollen, der sich faktisch mit dem Klimawandel befasst. Aber das passt offenbar nicht ins Programm. Schon länger ist bekannt, dass die WELT es mit Fakten rund um die Klimakrise nicht so genau nimmt. So bot sie im Juni dieses Jahrs dem ehemaligen Klimaforscher Lennart Bengtsson eine Bühne. In der Vergangenheit hat Bengtsson mehrfach Erkenntnisse der Klimawissenschaft geleugnet, Konsequenzen der Klimakrise beschönigt und Andeutungen gegen den anthropogenen Klimawandel gemacht. Wir berichteten:

Zudem hat die WELT bereits 2021 einen Artikel mit dem Titel „Der unappetitliche Klima-Bluff“ veröffentlicht, in dem der Chefreporter des Ressorts Wissenschaft, Alex Bojanowski, Erkenntnisse über die Klimakrise einfach kleinredet. Auch dazu berichtete Volksverpetzer. Und es gibt viele weiter Beispiele. Dass die WELT nun daherkommt, den Wettermoderator Terli in seiner Wortwahl kritisiert und mit Sprachwissenschaft von der existenziellen Katastrophe ablenkt, ist daher nicht weiter verwunderlich.

Rechtes Twitter stürzt sich auf Terli

Terli bekommt aber nicht nur konfusen Gegenwind von der WELT, die seltsame, faktenarme Kritik an seiner Wortwahl ist im Kontext weiterer Angriffe auf den Moderator zu sehen, aus der Richtung rechtsradikaler und rechtsextremer Medien, die teils deutlich den Klimawandel leugnen, und die des Öfteren bei verschiedenen Themen Schützenhilfe des Axel-Springer-Mediums bekommen.

Auf Twitter wettert die rechtsradikale Blase oft gegen Terli. Mit seinem kontextualisierenden Wetterbericht können sie offensichtlich so wenig anfangen, dass sie dazu übergehen, seine faktenbasierten Infos als „Glaubensbekenntnisse“ und ihn selbst als „Prediger“ zu degradieren. Letzteres kommt von FDP-Politiker Gerhard Papke. Die gewählten Begriffe versuchen, Terli seine Expertise abzusprechen und seine Informationen als „ideologisches Gerede“ abzustempeln. Terli kritisiert Papkes Tweet als „agendagetriebene Desinformation“. Und ja, manchmal geht es offenbar nicht unter Himmler-Vergleich:

Quelle: Screenshot Twitter

Aber im Gegensatz zu den hetzenden Twitter-Usern ist Terli Meteorologe und weiß somit, wovon er spricht. Für seine Wortwahl und den Entschluss, öffentlichkeitswirksam über die Klimakrise aufzuklären, kassiert er dennoch – oder gerade deswegen – einen üblen Shirtstorm von rechts. Er selbst betont auf Twitter: „‚Schönes Wetter‘ nutzen normalerweise Meteorologen nicht. Ein Skandal wo es keinen gibt.“ Sein Tweet macht einmal mehr deutlich, wie überflüssig der Artikel der WELT, und alle folgenden von anderen konservativen bis hin zu ectrem rechten Medien sind, die sich nun auf Terli stürzen. Denn davon gibt es einige. Einer mehr am Thema vorbei als der andere. Eine Twitter-Nutzerin findet derweil klare Worte:

Terli: „Schönes Beispiel für die Medienklimakrise!“

Was der Wettermoderator selbst zu sagen hat, dafür hat WELT natürlich keinen Raum gelassen. Warum auch, ist es doch so viel einfacher für den rechten Twitter-Mob, sich auf den Klimamoderator zu stürzen. Doch es ist nur fair, in dieser Sache auch den eigentlich Betroffenen zu Wort kommen zu lassen. Und wenn das WELT nicht macht, dann machen das eben wir. Folgendes starkes Statement hat uns Wettermoderator Özden Terli auf Nachfrage exklusiv zugesendet:

„Wer bei 40 Grad und einer massiven Dürre europaweit, die sogar zu Ernteausfällen und zu Nahrungsmittelknappheit geführt hat, immer noch von schönem Wetter redet, hat wohl eine verzerrte Wahrnehmung der Realität. Als wissenschaftlich ausgebildeter Meteorologe muss ich die Gefahren benennen. Interessanterweise wird von dieser Klientel Neutralität verlangt, aber komischerweise immer im Zusammenhang mit Klimafakten, seltsam oder? Über Klimafakten mitten in der Klimakrise zu berichten ist neutral, aber die Bewertung was „schön“ ist oder „schlecht“, ist es eben nicht. Eine verquere Vorstellung von Journalismus und Berichterstattung scheint sich bei bestimmten Journalisten durchgesetzt zu haben. Fragt sich nur was damit letztendlich bezweckt wird? In der Klimakrise verstärken sich insbesondere Hitzewellen und Dürren. Hitze tötet – etliche zehntausend in diesem Sommer nur bei einer Hitzewelle! Verantwortungsvolle Berichterstattung sieht anders aus, aber darum geht es hier ja nicht sondern um eine lächerliche Skandalisierung – nichts neues und ein schönes Beispiel für die Medienklimakrise.“

Statement Özden Terli

Artikelbild: Screenshot