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Lass dich nicht dazu verführen, mit Nazis zu diskutieren

von | Jul 18, 2018 | Gastkommentar, Hintergrund, Kommentar

Warum man mit Rechtsextremen nicht redet und warum nicht genau ihr die Auserwählten seid, die sie entzaubern können

Es gibt so viele gescheite Leute, die sich mit Rechtsextremismus nicht erst seit gestern beschäftigen und euch stundenlang spannend und faszinierend erklären können, warum das so ist. HÖRT DENEN ZU! RESPEKTIERT DIESE ARBEIT! Ihr wisst es nicht besser, wirklich nicht.

Ich (und andere) beschäftigen uns mit Rechtsextremen schon lange. Wenn es etwas bringen würde, mit ihnen öffentlich zu diskutieren – glaubt ihr nicht, wir hätten es schon getan? Nochmal: das sind Leute mit Plan und Strategie. Die zielen genau auf eure Eitelkeit ab. „Traust dich eh nie“, „Wir sind ja so gefährlich“, „Exklusiv bekommst du authentischen Einblick.“ Nein Nein Nein. Ihr werdet auch unwissend Teil der Inszenierung.



Rechtsextreme diskutieren nicht. Sie zerstören die Debatte, um zu gewinnen

Welche Strategien? Diese hier (Link). Im Laufe eines Gesprächs ist es fast unmöglich für diese Strategien auf die Schnelle zu decodieren. Auch mir fällt immer wieder etwas Neues auf. Und viele lassen ja schon sowas Offensichtliches wie „Asyltourismus“ durchgehen. No-Go.

Was will die Neue Rechte? Hegemonie. Aber Hegemonie in einer pervertiert gramscian’schen Logik. Nicht durch Demokratisierung sondern durch Elitarisierung und Autoritarisierung des vorpolitischen Raums. Also dort wo gesellschaftliche Debatte stattfindet. Also Medien.

Und sie bringen sich nicht konstruktiv ein, sondern brutalisieren und zerstören die Debatte. Es ist eine Hysterie-Spirale, die nicht zufällig ist, sondern gelenkt wird. Der inszenierte Tabubruch aus dem vermeintlichen Untergrund wird zur Heldenpose. Endlich sagt es wer.

Wer mit Nazis diskutiert, hilft dem Faschismus

Wenn man darauf herein fällt und Menschenverachtung und (Proto-)Faschismus als interessant und aufregend verwechselt, dann erledigt man ihr Geschäft. Genau das wollen sie. Genau darauf pochen sie.
Und was bewirkt das im Umkehrschluss? Umso mehr die zu Wort kommen, umso mehr die faschistische Sprache normal wird, umso normaler wird Faschismus. Ich muss es mittlerweile so sagen. Umso unsichtbarer und stiller werden die Opfer.

Und das ist alles nicht neu. Das war in in den 20ern (ab 1918) und 30ern genauso. Mit ganz ähnlichen Strategien. Der Nationalsozialismus heißt ja nicht zufällig so. Diese Begriffskaperung (semantisches Verwirrspiel) beginnt schon 1919 mit Spenglers Preußentum und Sozialismus. Die haben den schillernden Modebegriff der Zeit, hinter dem sich die Hoffnung nach einer besseren Zukunft verbarg, nach rechts umgedeutet. Und das machen sie jetzt wieder – „Sicherheit“, „Freiheit“, „Sozial“ – dabei wollen sie jeweils das exakte Gegenteil.

2015 ist das 1918 von heute

Bevor der NS das war, was er war, wurde er intellektuell vorbereitet. Die Saat wurde schon 1918 oder vielleicht sogar 1916 gesät. Von Intellektuellen. Von Leuten aus der Elite, dem Bürgertum, der „Mitte“. Genau die sind jetzt auch Vorbild. Es ist ein recht verwegener Vergleich, aber 2015 ist das 1918 der Rechten von heute. Ein Untergangsmythos von Verrat und unverdienter Niederlage. Für die wollen sie sich rächen, indem sie das zerstören, was den „Verrätern“ lieb ist: die Demokratie, das Parlament, die soziale Sicherheit.

Die faschistische Logik von Krieg, Härte und Grausamkeit durchdringt dann bald unser tägliches Leben. Und wenn das aufgeht, gibt es den point of no return. Dann sind so viele Menschen innerlich so zerstört und aufgeheizt, dass wir einfach auf Faschismus zusteuern. Das ist ihr Ziel. Und deswegen darf man ihnen keine Bühne geben, ihr Spiel nicht mitmachen, muss sich der eigenen Rolle bewusst sein, muss man verstehen, dass esnicht nur um das was, sondern um das wie geht. Und ja, man muss sich dem in Weg stellen. Sowie man halt kann. Aber bitte keine Naivität!

Wer das strukturierter und länger haben will – Ich komme gerne überall vorbei. Ich bin nirgends angestellt für sowas, sondern mache das alles hier in meiner Freizeit zwischen Katzen füttern und Einkaufen gehen. Wer mehr mag – gerne offline als Vortrag mit Gespräch.

Autorin: Natascha Strobl, Twitter: @Rabid_Glow Zusammen mit Julian Bruns und Kathrin Glösel hat sie „Die Identitären. Handbuch zur Jugendbewegung der Neuen Rechten in Europa“ geschrieben. 

Artikelbild: pixabay.com, CC0