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Sorgenboy: Diese herzliche Anleitung fürs Leben wird tausende Mal geteilt

von | Feb 23, 2019 | Gastkommentar

An eigentlich alle:

0 – 7:

Lernt laufen. Lernt sprechen, klettert auf Bäume. Und hört nicht immer auf die Erwachsenen.
Rettet Regenwürmer und lernt, nett und offen zu sein.

Dann ist das Leben auch nett zu euch – und euch stehen viele Türen offen. Ach ja: Zähne putzen nicht vergessen. Und steckt euch bitte keine Erbsen in die Nase.

7 – 14:

Werdet groß, geht viel raus. Wälzt euch im Matsch und lernt, Menschen zu unterscheiden.
Nicht in „fremd“ und „von hier“, sondern in dumm (schlecht, bescheuert, fies) und schlau (nett, witzig, herzlich).

Legt ab und zu auch mal das Smartphone zur Seite und lest Bücher. (Die Dinger mit den Papierseiten.)
In ein ganz paar Jahren seid ihr die wichtigsten Leute, die wir haben, die Erwachsenen kriegen es nämlich nicht mehr so richtig hin. Da ist es wichtig, dass ihr schlau seid.



15 – 21:

Hormone sind cool. Knutschen ist cool. Faul rumliegen ist supercool. Erwachsene labern nur Schrott und nerven. Stimmt, oder? Macht es doch einfach besser.

Schmiedet Pläne, probiert aus (Ausnahme: harte Drogen, Banküberfälle, Castingshows). Guckt nicht so viel YouTube, macht nicht so viele Selfies (wie die ganzen Erwachsenen, die das eigentlich nur machen, um sich jung zu fühlen.)

Färbt euch die Haare lila, lasst euch tätowieren.
Macht, was ihr wollt: Geht studieren oder geht auf den Bau zum Arbeiten. Versucht aber, möglichst viel Wissen mitzunehmen.

Seid kritisch, gern auch oberkritisch.

Aber geht auf jeden Fall wählen, wenn Wahlen anstehen.
Egal, ob CDU, SPD, Grüne, DIE PARTEI, FDP oder die Eichhörnchenpartei. Aber auf keinen Fall die AfD, die NPD oder irgendeinen anderen rechtspopulistischen Schrott. (Die CSU also auch nicht.) Wenn ihr denkt, dass es besonders lustig und rebellisch ist, die AfD oder die NPD oder etwas in der Art zu wählen, gebt beiden euer Kreuz.

Und besucht auf jeden Fall mal eine KZ-Gedenkstätte. Das hilft zu verstehen.

22 – 30:

Wenn ihr nicht schon längst bei euren Eltern ausgezogen seid, zieht endlich aus. Macht euer eigenes Ding.

Lebt doch vielleicht mal ein paar Monate in einem anderen Land, egal ob Dänemark, Simbabwe oder Großbritannien.

Bekommt mal einen anderen Blick auf Deutschland – lernt zu schätzen, wie gut es uns allen hier geht. (Nämlich verdammt gut.)

Wenn ihr Karriere machen wollt, macht Karriere. Seid aber trotzdem so nett, den Leuten hinter euch die Türen aufzuhalten.

Werdet keine miesen Arschlöcher.

Und geht auf jeden Fall wählen, macht euer Kreuz aber auf keinen Fall bei der AfD oder der NPD. Auch wenn das in der Gegend, in der ihr lebt, gerade sehr angesagt ist.

31 – 44:

Lust auf eine eigene Familie? Dann macht Kinder – am besten ganz viele.
Keine Lust auf Familie? Dann eben keine Kinder.

Ob mit oder ohne: Gebt euer Wissen weiter. Alles. Engagiert euch.
Seid nett zu anderen Menschen auch wenn ihr eigentlich knurrige Misanthropen seid.
Seid tolerant auch wenn ihr Spießer seid. Seid offen. Und empathisch.

Und lernt zu schätzen, dass es euch, denen es eigentlich an nichts fehlt, auch ohne einen klatschneuen MINI Clubman, eine top-Bikinifigur oder ein VIP-Event mit Schnittchen und Prosecco ganz schön gut geht.

Zum Beispiel, weil ihr eine Stimme habt, mit der ihr etwas bewegen könnt. Geht also bitte wählen. Und denkt vielleicht mal über einen Organspendeausweis nach.

45 – 50:

Verzichtet auf Botox und Silikon. Verzichtet aber nicht auf Denken und Handeln.
Mischt euch ins Leben ein, helft anderen Menschen. (Z.B. einkaufen gehen für die Omi aus dem 4. Stock oder einer Flüchtlingsfamilie Deutsch beibringen). Helfen ist superwichtig – irgendwann braucht ihr auch mal Hilfe.

Guckt euch mal im Spiegel an – wenn aus Falten Schrammen werden, ist es nicht mehr weit bis zum künstlichen Hüftgelenk.

Macht Sport, habt Freunde, habt eine Leidenschaft. Ihr seid extrem wichtig, denn ihr seid genau in der Mitte des Lebens – und in der Mitte der Gesellschaft.

Informiert euch, redet mit Leuten, die jünger sind als ihr und mit welchen, die älter sind. Bewegt was. Hört den Kinder zu. Und redet bitte nicht von „früher war alles besser“. Dafür seid ihr viel zu jung.
Sorgt lieber dafür, dass auch in Zukunft alles besser sein kann. Geht also wählen.

51 – 65:

Herbst des Lebens. Na gut, Spätsommer.

Die Sonne geht aber jetzt schon deutlich früher unter als noch vor ein paar Jahren. Und der Rücken schmerzt.

Egal, ihr seid noch voll dabei.

Genießt es. Geht überteuert essen, macht Urlaub auf dem Schiff. Freut euch auf die Rente.

Geht mindestens einmal im Monat mit euren Freunden los und lasst es krachen. Aber so richtig. Wie früher. Am besten, ihr lasst euch von euren Kindern von Parties abholen. (Sanfte Rache: kotzt euren Kindern das Auto voll.)

Ihr könnt machen, was ihr wollt – aber engagiert euch bitte und geht wählen. Ihr seid wichtig – und das Kreuz an der richtigen Stelle ebenfalls.

66+:

Zeit. Endlich. Genießt es. Wenn ihr Großeltern seid, seid es zu 100 Prozent. Legt euch zu euren Enkeln auf den Fußboden und spielt stundenlang Lego.

Und erklärt euren Enkeln, wie Leben geht. (Eure Kinder haben dafür wahrscheinlich keine Nerven).
Erklärt euren Enkeln auch, was im Leben wichtig ist. Nämlich nett zu Menschen sein, den Leuten, die hinter einem sind, die Türen aufzuhalten und Regenwürmer retten.

Ach ja: Und bitte auf jeden Fall wählen gehen.

Und wenn ihr richtig gut drauf seid, steckt ihr euch ab und zu mal eine Erbse in die Nase.

Geschrieben habe ich das exakt vor drei Jahren. Ich wurde gerade freundlicherweise auf diesen Text aufmerksam gemacht. Und teile ihn einfach nochmal – denn irgendwie ist er immer noch aktuell.

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Originalbeitrag hier, Artikelbild: WAYHOME studio, shutterstock.com

Sorgenboy, Gastbeitrag „Sorgenboy ist das Liegerad der deutschen Unterhaltungsindustrie: Ein hässliches Nischenprodukt, das niemand haben will. Kennt Gegenwind und fährt auch bei schlechtem Wetter.“ Hier auf Facebook.