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Faktencheck: Wie viele Asylbewerber werden abgelehnt

von | Jan 26, 2018 | Faktencheck

Wie viele Asylbewerber bekommen Asyl und wie viele werden trotzdem geduldet, obwohl ihr Asylantrag abgelehnt wurde? Und warum? Hier alle Fakten und Zusammenhänge.

In Anti-Flüchtlings-Kreisen geht die Behauptung umher, dass die Behörden nicht fähig, noch willens sind, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben. Wie kann es sein, dass Menschen ohne Asylberechtigung weiterhin hier bleiben können? Schauen wir uns dazu erstmal die Zahlen an:

Wie viele Asylbewerber bekommen Asyl und wie viele sind ausreisepflichtig?

Nach aktuellen Zahlen des Bundesministerium für Migration und Flüchtlinge (Stand: Dezember 2017) bekamen seit Anfang des Jahres 20,5% aller Antragsteller Asyl (fast 124.000 Menschen). Doch der Rest muss nicht zwingend abgeschoben werden. Des Weiteren können subsidiärer Schutz gewährt werden (16,3%) oder aus verschiedenen Gründen ein Abschiebungsverbot festgestellt werden (6,6%). Zieht man davon formelle Entscheidungen ab, bleiben 38,5% Ablehnungen übrig.

Quelle: BAMF

Wieso werden nicht alle Ausreisepflichtigen abgeschoben?

Zum 30. Juni 2017 waren insgesamt 226.457 Personen ausreisepflichtig, von denen aber 159.678 Inhaber einer Duldung waren. Die Abschiebung kann ausgesetzt werden, wenn verschiedene rechtliche Hindernisse im Weg stehen, oder wenn “bei einer Abschiebung in den anderen Staat eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht.”

Aber: Ausreisepflichtige Personen sind nicht zwingend Flüchtlinge. Aus der Beantwortung einer kleinen Anfrage der Links-Fraktion im Bundestag zu unklaren Daten des Ausländerzentralregisters (AZR) zu Ausreisepflichtigen (BT-Drs. 18/12725 vom 14.06.2017) geht hervor, dass nur 103.397 der (damals 220.052, Stand: April 2017) ausreisepflichtigen Personen (also 47%) abgelehnte Asylbewerber*innen sind. Betrachtet man nur diese Zahl, hatten auch davon auch noch mehr als 75.000 eine Duldung.

Wenn man also alle Asylentscheidungen der letzten Jahre zusammenrechnet, kommt man bis zum Ende des ersten Quartals 2017 auf über 410.000 abgelehnte Asylbewerber. Davon ausreisepflichtig sind aber nur die oben aufgezählten 103.397, wovon aber wiederum etwa ¾ geduldet werden. Diese Duldungen resultieren in der Mehrzahl aus Rechtsgründen, nicht etwa aus politischer Motivation heraus.

Und was ist mit den ausreisepflichtigen Personen ohne Duldung?

Die verbliebenen 66.779 Personen, die ohne Duldung ausreisepflichtig sind (wovon wie bereits erwähnt nicht alle Flüchtlinge sind) sind wohl  auch nicht mehr alle im Land. Ein Großteil der Ausreisen erfolgt in der Regel ohne Meldung bei den Behörden. Die Betroffenen können “freiwillig”, aber ohne staatliche Förderung (denn dann wüssten die Behörden ja davon) in ihr Herkunftsland zurückkehrt sein oder in andere Staaten weitergezogen sein. Aufgrund der Natur der Sache liegen dafür aber natürlich keine offiziellen Zahlen vor.

Des Weiteren dürfte die offizielle Angabe der versäumten Abschiebungen ebenfalls zu hoch sein, da die zugrunde liegenden Daten des Ausländerzentralregisters (AZR) unzuverlässig sind, wie die Bundesregierung selbst zugeben musste. Darin mit eingeflossen sind Unklarheiten, Begriffe, die Interpretationsspielraum lassen, sowie Erfassungsprobleme. So geht es aus der offiziellen Bundesdrucksache hervor.

Die Bundesregierung räumte bereits eine vierstellige Zahl von Einträgen im AZR ein, deren Herkunft sie nicht erklären kann. Über Personen, die während laufender Asylverfahren Deutschland bereits verlassen haben, konnten keine gültigen Angaben gemacht werden. So gab die Bundesregierung zu, dass offiziell nicht registrierte Ausreisen die Zahl der noch in Deutschland lebenden Ausreisepflichtigen statistisch überhöht.

Deshalb hat die Bundesregierung angekündigt, das AZR zu reformieren und zuverlässige Daten zur Verfügung zu stellen.

Gehen die freiwilligen Ausreisen und Abschiebungen zurück?

Die freiwilligen Ausreisen und die Anzahl der Abschiebungen sind tatsächlich zurückgegangen, aber das hat ganz natürliche Gründe: Nachdem die westlichen Balkanstaaten zu “sicheren Herkunftsländern” erklärt wurden, waren die Aussichten für Antragsteller aus dieser Region extrem gering, weshalb viele eine freiwillige Ausreise vorzogen. Diese sind aber inzwischen größtenteils bereits weg. Des Weiteren nutzten zeitweise afghanische Staatsangehörige die geförderte freiwillige Rückkehr. Als sich jedoch die Sicherheitslage im Land verschlechterte, ging selbstverständlich auch diese Zahl zurück.

Des Weiteren werden weniger Menschen abgeschoben, weil der Anteil der Antragsteller aus den westlichen Balkangebieten zurückgegangen ist, die fast ausschließlich abgelehnt werden, wohingegen weiterhin der Großteil der Antragsteller aus den Kriegs- und Krisengebieten Afghanistan, Irak und Syrien kommt, die in 99% der Fälle Asyl bekommen und wohin eine Abschiebung unmöglich oder nicht vertretbar ist.

Quelle: Bamf

Der absolute Großteil aller Asylbewerber*innen, die aus den Kriegs- und Krisengebieten stammen, bekommen rechtmäßig Asyl, wer darüber hinaus nicht vor allem aus Rechtsgründen eine Duldung bekommt, reist meistens freiwillig ohne Meldung bei der Behörde aus oder wird abgeschoben, wobei der Anteil letzterer zurückgeht, da immer weniger Menschen Anträge stellen, die sehr geringe Chancen auf Bewilligung haben.


Vielen Dank an Pro-Asyl für die Recherche einiger Quellen, die in diesem Artikel verwendet worden sind.