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Kaum ausreisepflichtige Asylbewerber: Die Sache mit den Illegalen in der Bäckerschlange

von | Mai 14, 2018 | Aktuelles

Christian Lindner meint, die Menschen hätten Angst, weil sie nicht wissen können, ob sich ein Mensch, der beim Bäcker gebrochen deutsch spricht, illegal im Land aufhält. Erfreut bietet die AfD jetzt eine Zusammenarbeit mit der FDP an. Doch das Problem mit ausreisepflichtigen Asylbewerbern ist verschwindend gering.

Ob und wiefern Lindners Aussage rassistisch ist oder nicht, wird derzeit heiß diskutiert. Aber ob sie ein tatsächliches Problem unserer Gesellschaft beschreibt oder nicht, geht dabei unter. Denn was unleugbar passiert ist, dass Lindner die Vorstellung bedient habe, in Deutschland würde es Unmengen „illegaler“ Asylbewerber geben. Von denen auch noch eine Gefahr ausgeht, was heutzutage vielleicht eine selbstverständliche Kausalkette zu sein scheint, aber eigentlich doch willkürlich ist.

Doch dem ist NICHT der Fall. Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine AfD-Anfrage waren zum Stichtag 31. März nur 24.212 der rund 1,68 Millionen Ausländer, die seit 2013 nach Deutschland einreisten und einen Asylantrag stellten, „vollziehbar ausreisepflichtig“. Das sind  nur 1,5 Prozent. Also lediglich 0,029% der Bevölkerung. Alle anderen haben einen genehmigten Asylantrag oder werden aufgrund humanitärer oder familiärer Gründe geduldet und sind somit ebenfalls nicht ausreisepflichtig.

Und wer bei den Ausreisepflichtigen beispielsweise an Syrer denkt (wie es wohl alle gerade tun), irrt ebenfalls: Der Großteil der Menschen, die sich „illegal“ im Land aufhält, stammen aus Albanien, Serbien, dem Kosovo, Mazedonien, Russland und Bosnien-Herzegowina. Länder, die erst kürzlich zu sicheren Herkunftsländern erklärt wurden. Lindners brötchenholender Illegaler würde also vor allem mit albanischem oder serbischem Akzent sprechen.

Ein Großteil (41,9%) der antragstellenden Asylbewerber stammt nämlich aus den Kriegs- und Krisengebieten Afghanistan, Irak und Syrien, die in 99% der Fälle Asyl bekommen und wohin eine Abschiebung unmöglich oder nicht vertretbar ist.

Und diese Zahlen sind wahrscheinlich noch niedriger

Auch nicht jeder, der laut Behörden ausreisepflichtig ist, befindet sich noch im Land.  Ein Großteil der Ausreisen erfolgt in der Regel ohne Meldung bei den Behörden. Die Betroffenen können “freiwillig”, aber ohne staatliche Förderung (denn dann wüssten die Behörden ja davon) in ihr Herkunftsland zurückkehrt sein oder in andere Staaten weiter gezogen sein. Aufgrund der Natur der Sache liegen dafür aber natürlich keine offiziellen Zahlen vor.

Des Weiteren dürfte die offizielle Angabe der versäumten Abschiebungen ebenfalls zu hoch sein, da die zugrunde liegenden Daten des Ausländerzentralregisters (AZR) unzuverlässig sind, wie die Bundesregierung selbst zugeben musste. Darin mit eingeflossen sind Unklarheiten, Begriffe, die Interpretationsspielraum lassen, sowie Erfassungsprobleme. So geht es aus der offiziellen Bundesdrucksache hervor.

Die Bundesregierung räumte bereits eine vierstellige Zahl von Einträgen im AZR ein, deren Herkunft sie nicht erklären kann. Über Personen, die während laufender Asylverfahren Deutschland bereits verlassen haben, konnten keine gültigen Angaben gemacht werden. So gab die Bundesregierung zu, dass offiziell nicht registrierte Ausreisen die Zahl der noch in Deutschland lebenden Ausreisepflichtigen statistisch überhöht. Deshalb hat die Bundesregierung angekündigt, das AZR zu reformieren und zuverlässigere Daten zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus ist der Mythos falsch, dass alle Asylbewerber laut Dublin-Verordnung illegal in Deutschland seien, wir haben das hier erklärt:

Nein, die Asylbewerber sind legal hier