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Durch diese 5 Tricks & Fehler werden die Medien von der AfD manipuliert

von | Jan 17, 2019 | Aktuelles, Hintergrund

Liebe Pressevertreter*Innen!

Die AfD attackiert das Grundrecht auf Pressefreiheit. Über Parolen und den Ausschluss von JournalistInnen von Veranstaltungen bis hin zu direkten Übergriffen (Quelle, Quelle). Die AfD schließt als einzige Partei regelmäßig JournalistInnen von ihren Veranstaltungen aus. AnhängerInnen wie Parteifunktionäre benutzen gerne die Parole “Lügenpresse”, wenn Journalisten dann doch anwesend sind. Dieser Begriff hatte auch bei der NSDAP Tradition.

Dennoch braucht die AfD die freie Presse. Noch. Während sie mit unzähligen „alternativen“ Blogs und Medien und geheimen Facebookgruppen erst noch eine tatsächliche, rechte „Lügenpresse“ aufbaut (Mehr dazu) ist sie derzeit für die weitere Verbreitung ihrer Narrative von den so verhassten „Mainstreammedien“ abhängig. Tatsächlich wird von vielen den Medien eine Schlüsselrolle im Erfolg der Rechtsextremen zugeschrieben.

Entgegen dem Narrativ der AfD, dass „die Medien“ sie systematisch verschweigen und diskriminieren würden, ist oft genau das Gegenteil der Fall. Wie jüngst der Fall Magnitz zeigte, schlucken JournalistInnen allzu oft die Köder der Partei und werden so unfreiwillig zum Helfershelfer der Rechtsextremen. Wir haben einige Tricks und Fehler herausgearbeitet, mit denen viele Medien im Sinne der AfD manipuliert werden.



1. Framing und Narrative

Ich habe den Begriff „Narrativ“ bereits verwendet. Damit meine ich auch buchstäblich „Geschichten“, die erzählt werden. Narrative werden von allen verwendet, immer. Dabei handelt es sich um die Art und Weise, wie die Welt präsentiert wird. Und jede Meldung und jede Aussage fügt sich in ein Narrativ ein. Ein von der AfD verwendetes Narrativ wäre das der „Lügenpresse“: Alle Medien haben sich gegen die AfD verschworen und versuchen mit unfairen Mitteln, sie zu behindern.

Kommunikation, die sich an Narrativen orientiert, passt die Fakten und Darstellungen an die Geschichte an, statt umgekehrt. Dabei lügt insbesondere die AfD über Dinge, die ihren Narrativen widersprechen, oder lässt sie weg oder überspitzt sie. Durch dieses „Framing“ wird versucht, bestimmte Sachverhalte oder Ereignisse so darzustellen, dass sie zum gewünschten Narrativ passen. Durch Framing kann man z.B. Flüchtlinge negativ darstellen, wie der Wortgucker hier erklärt:

Wie wir dazu gebracht werden, uns über Flüchtlinge und Hartz-4-Empfänger aufzuregen

Zu Framing gehören bestimmte Begriffe und Formulierungen. Ein „Asyltourist“ weckt ganz andere Konnotationen als ein „Schutzsuchender“. Deshalb ist es wichtig, dass JournalistInnen aufpassen, nicht Begriffe mit rechtsextremen Narrativen zu verwenden. Und bei Zitaten dringend solche Begriffe einordnen. Ironische Verwendung oder Anführungszeichen helfen nicht und legitimieren diese Begriffe und die Narrative, die dahinter stecken. Siehe auch hier:

Was wirklich hinter dem Begriff „Willkommensklatscher“ steckt

2. False Balance

Viele JournalistInnen und Medienhäuser fallen auf einen häufigen Fehler herein: Im Versuch, „neutral“ zu berichten, behandeln sie beide Seiten einer Debatte oder beide Argumente gleich. Das ist jedoch ein Fehlschluss (Quelle). Gegendemonstranten zu einer rechten Demo sind nicht „linke Demonstranten“. „Beide Seiten“ gleich zu behandeln kann menschenfeindliche Einstellungen zu legitimen Positionen aufwerten. Und den Eindruck erwecken, dass eine Position dazwischen die richtige sei („die Mitte“). Auch ein Fehlschluss (Quelle).

Ich verstehe, dass die ständigen „Lügenpresse“-Vorwürfe bei JournalistInnen Wirkung zeigen. Man will eben nicht parteiisch sein und ausgeglichen berichten. Doch man muss den Mut haben, Menschen- und Verfassungsfeindlichkeit beim Namen zu nennen. Wer Rechtsextremen immer weiter entgegen kommt, in der Hoffnung, irgendwann nicht mehr kritisiert zu werden, ist naiv. Die Vorwürfe werden immer kommen, und erst aufhören, wenn man genau das schreibt, was die AfD lesen will. Denn die Toleranz anderer Standpunkte ist eben keine ihrer Positionen.

3. Priming

Durch sog. „Priming“ stellt man einen Leser auf eine erwartete Reaktion ein. Es sind aufmerksamkeitsheischende Begriffe und Bilder. Genau deswegen ließ Frank Magnitz ein besonders dramatisches Bild seiner Verletzung machen und mit der Pressemitteilung verbreiten. Ziel war es, Aufmerksamkeit zu erzielen, wie er selbst laut geleakter Medienstrategie zugibt (Quelle). Und den Empfänger schon beim Bild eine Geschichte vermuten. Medien, die das Foto verwendeten, stellten ihre LeserInnen so unfreiwillig auf eine besonders brutale Attacke ein. Dabei stammte die Verletzung letztlich vom Sturz, nicht vom Schlag.

4. Agenda Setting

Wenn der mediale Diskurs ein Narrativ bedient, das der AfD nicht passt, macht sie eines von zwei Dingen: Entweder sie selbst schweigt darüber. Die AfD berichtet pausenlos über echte oder erfundene Straftaten, aber nur, wenn sie von politischen Gegnern oder Migranten begangen werden. Der absolute Großteil aller Straftaten wird verschwiegen, um das Narrativ nicht zu beschädigen. Wird jedoch zum Beispiel über den fremdenfeindlichen Anschlag aus Essen und Bottrop berichtet, fällt es Rechtsextremen schwer, das Framing für sich zu nutzen.

Die zweite Strategie ist demnach, durch spektakuläre Taten oder Aussagen die öffentliche Diskussion wieder auf Themen zu lenken, die wieder in die eigenen Narrative passen. Wenn eine Journalistin für den selbstverständlichen Spruch „Nazis raus“ Opfer eines Shitstorms, Beleidigungen und Morddrohungen wird, versucht man, über „linke Meinungsverbote“ zu sprechen, anstatt über den offensichtlichen Versuch, demokratische Meinungen zu unterdrücken.

Wer ein Problem mit „Nazis raus!“ hat, hat in unserem Deutschland nichts verloren

5. Strukturelle Verharmlosung

Sascha Lobo erwähnte diesen journalistischen Fehler in seiner aktuellen Kolumne (Quelle). Aus der zuvor beschriebenen Angst, nicht „neutral“ zu berichten, versucht man manchmal, die AfD positiver und harmloser darzustellen, als sie es verdient hat. Dahinter steckt der Irrglaube, dass „extremere“ Darstellungen automatisch weniger richtig sind. Lobos Beispiele sind sehr passend: So werden aus Rechtsextremisten lediglich „Rechtspopulisten“ oder aus Antisemiten „Israel-Kritiker“.

Vielleicht ist es auch Faulheit, die eine intensivere Auseinandersetzung verhindert und damit die Feststellung, ob ein „härterer“ Begriff angemessen ist. Man geht lieber „auf Nummer sicher“ und nimmt einen harmloseren Begriff. Doch damit macht man menschen- und verfassungsfeindliche Positionen unfreiwillig zugänglicher und harmloser. Einige Positionen und Personen sind nicht „umstritten“. Sie werden und sollten universell kritisiert werden (Mehr zum Thema).

Wir müssen kollektiv mehr aufpassen

Ich schließe mich Lobos Schlussfolgerung an: „Rechte brauchen keine Fake News mehr, wenn echte News so aussehen.“ Aus Bequemlichkeit, Angst und Naivität übernehmen viele PressevertreterInnen Begriffe, Aussagen und Narrative von Rechtsextremen und tragen sie somit in die gesellschaftlichen Diskurse. Und verhelfen somit versehentlich dabei, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu untergraben. Und am Ende auch die Freiheit der Presse.

Medienhäuser richten sich nach den Themen, die sich gut verkaufen, und Rechtsextreme sorgen dafür, dass es sich dabei um ihre Themen handelt. Medienhäuser berichten das, was spektakulär ist und Rechtsextreme sorgen stets für spektakuläre Meldungen. Und es gibt viele Dinge, über die man nicht nicht berichten kann. Aber man muss aufpassen, dass man nicht Frames und Narrative von Rechtsextremen transportiert.

Ansonsten endet es wie bei dem Desaster zu Magnitz. Die meisten Menschen in Deutschland, die sich nur halb mit dem Thema auseinandergesetzt haben, halten das für einen „Mordanschlag“ von Linken. Die Verbreitung der „Kantholz“-Lügen der AfD und die öffentliche Verurteilung der Tat haben dazu beigetragen. Dabei wurde Frank Magnitz am Ende nur von Unbekannten aus unbekannten Motiven heraus getreten und stürzte unglücklich.

Doch der erste Eindruck zählt. Und wenn sich niemand in einer Situation wie in Ungarn wiederfinden will, in welcher Orbán derzeit alle ungarischen Medien unter seine Kontrolle bringt, um ungestört seine rechtsextreme Propaganda zu verbreiten und tatsächlich eine „Lügenpresse“ zu installieren (Mehr dazu), der sollte jetzt aufpassen, sich nicht manipulieren zu lassen.

Artikelbild: pathdoc, shutterstock.com