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Wie eine marktfeindliche FDP mit ihren Planzielen die deutsche Automobilbranche gefährdet

von | Jan 14, 2021 | Aktuelles

Wie die FDP die deutsche Automobilbranche gefährdet

Bitte? Haben die Volksverpetzer-Redaktion oder der Autor dieses Textes bei der Überschrift geschlampt? Das soll doch sicher nicht „FDP“ heißen, sondern eher „Linke“ oder „Grüne“, die seit jeher mit ihrer Identitätspolitik und dem Kampf für ein paar seltene Käfer die gesamte Konjunktur gefährden. Die FDP ist doch eine Verbündete der Autoindustrie, das weiß jeder, das haben schon alte Germanenhäuptlinge ihren Enkel:innen am Feuer erzählt.

Ja, so verstehen sich die Liberalen vermutlich auch, aber seit der Verbrennungsmotor sich immer stärker in einem Rückzugsgefecht befindet, muss man diese Verbundenheit hinterfragen. Selbst aus der Perspektive eines marktlüsternen BWLers muss ich mich über manche der jüngeren Äußerungen doch sehr wundern. Ich erwarte von dieser Partei in Fragen der Verkehrspolitik wirklich wenig, aber neuerdings beschwört man dort auch noch eine angebliche Technologieoffenheit, die genau betrachtet aber das genaue Gegenteil ist.

„Technologieoffenheit“ = „bitte keine Batterieautos“

Mit „Technologieoffenheit“ meint die FDP nämlich eigentlich „bitte keine Batterieautos“. Ihr eigener verkehrspolitischer Sprecher nennt die Förderungen für E-Autos eine „gelenkte Auto-Staatswirtschaft“, die „einseitige Festlegung“ darauf seien der falsche Weg. Er impliziert damit, der Staat wolle entscheiden, welche Motorenart die deutschen Hersteller zu verwenden haben: „Die einseitige Festlegung auf batteriegetriebene E-Mobilität und staatliche Planziele sei der falsche Weg.“ wird er prominent auf der FDP-Seite zitiert.

Die FDP selbst twittert parallel „Wir wollen den Verbrennungsmotor in eine umweltfreundliche Zukunft bringen – mit synthetischen Kraftstoffen und Wasserstoff, […]“ oder veranstaltet Podiumsdiskussionen mit dem Titel „Der Verbrenner hat Zukunft! Sauber fahren mit synthetischen Kraftstoffen.“ Warum das jetzt keine einseitige Festlegung auf eine Technologie ist, konnte mir bislang niemand in der liberalen Twitterblase beantworten.

Die von der FDP ständig kritisierte Festlegung auf Batterieautos gibt es gar nicht

Denn dass die Politik aus subjektiver Willkür heraus Unternehmen vorschreibt, was sie zu produzieren haben, ist in der Tat mit unserer Definition von Marktwirtschaft schwierig vereinbar. Es ist nur so: Diese von der FDP ständig kritisierte Festlegung auf Batterieautos, die gibt es gar nicht. Die politischen Vorgaben sind schlicht, dass zukünftige Autos keine Kraftstoffe mehr verbrennen sollen. Wie die Hersteller das zu erreichen gedenken, bleibt ihnen ganz allein überlassen, deswegen bekommen eben nicht nur Käufer:innen von Batterieautos bis Nettolistenpreis 65.000 Euro einen Umweltbonus in Höhe von 5.000 Euro ausgezahlt, sondern auch die von Wasserstoffautos. Es gibt hier schlicht nur keine Wasserstoffautos zu dem Preis.

Entscheidend für diesen Bonus ist nur, dass aus dem Auspuff des Fahrzeugs keine schädlichen Abgase kommen. Auch wenn die FDP hier rhetorisch einen anderen Eindruck erweckt, könnten die Hersteller auch für ein Auto mit Warp-Kern oder mit Schwungrad-Antrieb den Umweltbonus abgreifen, die unternehmerische Freiheit ist hier trotz der EU-Gesetze unverändert groß. Viel einschränkender sind hier die physikalischen Gesetze, denn die machen einer Menge Konzepte einen Strich durch die Rechnung (danke Merkel!).

Der Betrieb eines Batterieautos (BEV) ist hinsichtlich der Energiebetankung recht simpel: Strom erzeugen, Strom in die Batterie laden, mit der Batterie den Motor antreiben. Von hundert Kilowattstunden, die in einem Windrad erzeugt werden, landen auf diese Weise immerhin 73 Kilowattstunden in der Bewegung des Autos.

Bei Wasserstoffautos sieht das leider anders aus

Bis das Wasserstoffauto (FCEV) losfahren kann, sind deutlich mehr Schritte erforderlich. Und bei jedem verlieren wir ein bisschen Energie: Strom erzeugen, mit Strom Wasserstoff synthetisieren, Wasserstoff für den Transport komprimieren, Wasserstoff zur Tankstelle transportieren, Wasserstoff wieder in Strom zurück umwandeln, Strom in Batterie laden, mit der Batterie den Motor antreiben. Von den besagten 100 Kilowattstunden aus unserem Windrad landen jetzt nur noch 22 Kilowattstunden in der Bewegung des Autos, oder anders: Der Strombedarf steigt um das Dreifache.

Das soll jetzt kein Abgesang auf den Wasserstoff werden, den werden wir für unsere Energiewende ebenfalls in großem Maßstab brauchen. Es gibt vermutlich auch Szenarien, in denen er im Straßenverkehr eingesetzt werden kann, darum geht es mir gar nicht. Der Punkt ist: Für einen Automobilhersteller ist das eine absolut kritische Frage.

Da spielen Betriebskosten eine gigantische Rolle und entscheiden darüber, ob man als Apple oder als Nokia der Autoindustrie in die Geschichte eingehen wird. Wer, wenn nicht die FDP (zumindest laut Selbstverständnis), sollte dieses unternehmerische Risiko anerkennen und darauf vertrauen, dass die Unternehmen selbst am besten wissen, auf welches Pferd sie setzen? Das Mantra war doch zumeist, dass Ingenieur:innen sowas entscheiden sollen und nicht Politikwissenschaftler:innen.

Die Widersprüchlichkeit der FDP-Forderungen

So, nun haben das Ingenieur:innen entschieden, aber diese Neuigkeit scheint bei der FDP offenbar noch nicht angekommen zu sein. Dort hat sich nicht mal ein Verständnis für die wichtigsten technischen Begriffe durchgesetzt, was zu absurden, sich gegenseitig widersprechenden Aussagen führt.

Zum Verständnis ein ganz kurzer Einschub: „Elektroauto“ ist ein Überbegriff für alle Vehikel, die mit Elektromotor angetrieben werden. Dazu gehören die allseits bekannten Batterieautos (BEV) z.B. von Tesla, aber eben auch die bereits erhältlichen Wasserstoffautos (FCEV). Die wandeln den Wasserstoff ja mittels Brennstoffzelle in Strom um und treiben ebenfalls über eine kleine Pufferbatterie einen Elektromotor an. FCEV steht schlicht für „Fuel Cell Electric Vehicle“.

Dennoch schaffen es diverse FDP-Akteure, in einem Tweet GEGEN Elektromobilität und FÜR Wasserstoffantrieb zu werben, was in etwa so schlüssig ist als würde jemand sagen: „Esst lieber nicht so viel Gemüse, dafür aber mehr Karotten und Lauch!“

Hier kritisiert Christian Lindner eine Festlegung auf Elektromobilität und fordert mehr Wasserstoff:

Hier behauptet der FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahl in Baden-Württemberg, die Zukunft des Verbrennungsmotors läge im Wasserstoff:

Hier retweetet die FDP das:

Hier schlägt auch Oliver Luksic, verkehrspolitischer Sprecher der FDP, vor, Wasserstoff in Verbrennungsmotoren zu verwenden:

dramatische Orientierungslosigkeit bis weit in die Chefetage

Unglaublich. Das sind halt keine ulkigen Randpositionen von Außenseitern, sondern offenbart eine dramatische Orientierungslosigkeit bis weit in die Chefetagen hinein. Der Vollständigkeit halber: Man KANN tatsächlich Verbrennungsmotoren mit Wasserstoff betreiben. BMW hat das 2002 mit dem „Hydrogen 7“ versucht und ist kläglich gescheitert. Keines der Fahrzeuge wurde verkauft, die Bezeichnung als „0-Liter-Auto“ wurde als Greenwashing eingestuft, über den Verbleib der Fahrzeuge ist nichts bekannt, außer dass eines davon im Industriemuseum Chemnitz ausgestellt wird.

Das ist eines der FDP-Zukunftskonzepte für die „Schlüsselindustrie“ des Landes (ohnehin ein schwieriger Begriff), einer selbsternannten Wirtschaftspartei. Während sie wiederholt fordert, die Politik solle sich nicht in die Wahl der Technologie einmischen, mischt sie sich höchstselbst in diese Frage ein, und das auf die denkbar gefährlichste Art für den Wirtschaftsstandort: Für die von ihr als würdig auserkorene Antriebstechnik ist 2021 nicht ein einziges Modell auf dem Markt. Was ist denn eigentlich aus dem Motto „das regelt der Markt“ geworden? Zählt das nur, wenn der Markt so regelt, wie die FDP das für richtig hält?

Der Markt regelt, aber bitte nur so, wie das die FDP will?

Der Markt sieht das nämlich so: Im Jahr 2020 wurden allein in Deutschland ca. 400.000 Autos mit Batterien zugelassen. Der Bestand der Wasserstoffautos lag zuletzt hingegen bei insgesamt unter 600. Nein, ich habe hier nicht ein paar Nullen vergessen, es sind insgesamt 600 (in Worten: sechshundert) Fahrzeuge. In ganz Deutschland. Für meinen Blog „Der Graslutscher“ habe ich ein paar Testfahrten in den 2 Wasserstofffahrzeugen des hiesigen Carsharing-Pools unternommen, und habe damit bereits in jedem 300sten ALLER Wasserstofffahrzeuge des Landes gesessen.

Für den noch mal deutlich absurderen Vorschlag der FDP, den Wasserstoff in Verbrennungsmotoren zu kippen, gibt es weltweit gar kein Modell und es ist auch keins geplant. Von niemandem. Das liegt vermutlich auch daran, dass die von der FDP angeblich so geschätzten Ingenieur:nnen bei dem Gedanken an so einen Motor schreiend in den nächsten See rennen dürften: Ist die Idee nun mal ungefähr so elegant und effizient wie der Betrieb einer Dampflok mittels Stromabnehmer und kleinen Hamstern in Laufrädern. Im Vergleich zu einem Batterieauto war beim BMW-Prototypen die zwölffache Menge (!) Energie pro Kilometer vonnöten.

FDP kritisiert Batterieautos als nicht klimaneutral mit Kohlestrom, schlägt stattdessen Synth-Fuel vor, das noch viel mehr Kohlestrom braucht

Die zweite Pfeiler der FDP-„Strategie“ ist die Verwendung von Synth-Fuels. Das ist schlicht normales Benzin, das man aber mit Strom und dem CO2 in der Umgebungsluft herstellen kann, und dessen Verbrennung dann in der Gesamtbilanz klimaneutral ist. Dieser Energieträger ist einer der Hoffnungsträger für den Schiff- und Flugzeugverkehr der Zukunft und könnte natürlich auch herkömmliche Motoren antreiben. Nachteil: Seine Erzeugung benötigt viel Energie. Extrem viel Energie. Von 100 Kilowattstunden einer Windkraftanlage gelangen via Synth-Fuels nur noch 13 Kilowattstunden in der Bewegung des Autos.

Besonders absurd daran ist, dass die FDP und ihre Verbündeten die Nutzung von Batterieautos als nicht klimaneutral kritisieren, solange noch Kohlestrom im Netz ist, aber dann im selben Atemzug eine Technologie vorschlagen, die noch mal deutlich mehr Kohlestrom benötigen würde.

Nun gut, dann will die FDP halt nicht die sinnvollste Technologie, sondern die, die ihre Buddys in der Industrie favorisieren. Gerade aus Baden-Württemberg gibt es von Daimler und Porsche entsprechende Forderungen, da sie das Konstruieren von Verbrennungsmotoren zur Perfektion gebracht haben. Ist das dann nicht doch irgendwie wirtschaftsfreundlich?

nicht die sinnvollste Technologie, sondern die, die ihre Buddys in der Industrie favorisieren

Ein berühmter Politiker der FDP sagte mal „Aber das macht nicht den verantwortungsbewussten Politiker aus, Meinungsforschung zu treiben, um zu wissen, was populär ist, was ankommt, und dann das Populäre zu vertreten. Die Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und es populär zu machen.“

So verhält es sich auch mit der Wirtschaft. Wer seine Politik daran ausrichtet, dass ein paar Leute aus den Management-Ebenen in Stuttgart und Zuffenhausen halt gerne noch ein paar Jahre hohe Gewinne aus alten Technologien mitnehmen wollen, der hilft damit langfristig weder der Wirtschaft noch den Menschen.

Diese ganzen Verbrennerantriebe kann man mit einiger Trickserei und hohen Energieverlusten vielleicht klimaneutral machen, aber das löst nicht das Problem, dass diese Autos krankmachenden Lärm und gesundheitsschädliche Abgase erzeugen und die Abwärme der immer größer werdenden Fahrzeuge den Bemühungen von dicht bebauten Städten zuwiderläuft, den Auswirkungen immer heißer werdender Sommer zu begegnen.

zwei Drittel der deutschen Autoexporte innerhalb Europas gingen 2019 in Länder, in denen diese ab 2032 komplett oder mindestens in den größten Städten verboten sein werden

Ganz unabhängig von der Klimafrage wird die Liste der Länder und Städte, die zum Schutz der eigenen Bevölkerung schon bald keine Verbrennungsmotoren mehr zulassen wollen, immer länger. Ungefähr zwei Drittel der deutschen Autoexporte innerhalb Europas gingen 2019 in Länder, in denen diese ab 2032 komplett oder mindestens in den größten Städten verboten sein werden.

Außerhalb Europas unterzeichnen immer mehr Städte die C40 Fossil-Fuel-Free Streets Declaration, dessen Ziel es unter Anderem ist, ab 2030 in weiten Teilen des Stadtgebiets nur noch E-Autos zuzulassen. Unterzeichnet wurde sie unter Anderem von Auckland, Kapstadt, Jakarta, Los Angeles, Mexico City, Rio de Janeiro, Seattle, Seoul, Moskau, Tokio und vielen anderen.

Mit anderen Worten: Selbst wenn Deutschland hier für sich irgendwelche Sonderregeln definiert, laut denen Verbrennungsmotoren nach Rosen duften und so schön klingen wie Vogelgezwitscher, wären in ein paar Jahren massiven Umsatzeinbrüche die Folge.

FDP gegen den Markt

Das haben auch in der Automobilbranche schon einige Leute erkannt, VW hat bekanntlich am konsequentesten reagiert und nun mittlerweile mit dem ID.3 ein reines Batterieauto im mittleren Preissegment auf dem Markt, womit sie nun in wichtigen Exportländern Tesla Konkurrenz machen.

Wie war da die Einschätzung der FDP? Spitzenkandidat für Baden-Württemberg Rülke zog auf seinem Facebook-Profil über den ID.3 her: „umweltfeindlich“, „überteuert“ und „hässlich wie die Nacht!“. Das sehen die europäischen Verbraucher:innen, bzw. der Markt, offenbar anders. Man stelle sich vor, Politiker:innen der Grünen oder Linken würden in dieser Art ein Produkt einer deutschen Firma schlechtreden und stattdessen für ein anders werben.

Ihnen würden wohl „Staatswirtschaft“ und „Planziele“ vorgeworfen. Wenn dieses Produkt dann noch einer der wenigen Hoffnungsträger in einem Markt ist, in dem gerade US-amerikanische Konzerne deutsche Top-Manager abwerben und chinesische Hersteller mit günstigen Modellen auf den Markt drängen, wäre der Vorwurf der Wirtschaftsfeindlichkeit wohl noch einer der nettesten.

Jan Hegenberg schreibt üblicherweise auf seinem Blog „Der Graslutscher“. Schaut doch vorbei! Artikelbild: photocosmos1

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