320

„Schummelsoftware“: Medien verharmlosen den Diskurs um Dieselbetrug durch Framing

von | Mrz 5, 2019 | Kolumnen

„Schummelsoftware“

Autohersteller bauen eine illegale Technik in Autos ein, die Millionen von Kunden betrügt sowie Klima und Gesundheit schädigt (Mehr dazu). Sowas nennt sich ja eigentlich „Kriminalität“. Nicht aber in Deutschland. Hier nennt sich das „Schummelsoftware.“ Seit wie vielen Jahren gibt es jetzt den Dieselskandal? Warum ist dann immer noch von der Schummel-Software die Rede?

Ein Schummler ist ein kleiner Gauner, der sein Glück versucht hat und dabei aufgeflogen ist. Ein Schulkind, das beim Nachbarn abschreibt. Aber Autohersteller? Die Kategorie des Schummlers aktiviert einen Schutzframe. Denn einem Schummler kann man kaum wirklich böse sein. Einen Schummler behandeln wir anders als einen Betrüger oder Kriminellen.

Wenn wir wissen wollen, warum in der Sache politisch so wenig passiert, warum Hersteller nicht angemessen bestraft und Kunden nicht angemessen entschädigt werden, dann müssen wir uns nur nach diesem Wort umschauen. Und wir stellen fest: Der herrschende Diskurs ist in Deutschland von genau dieser verharmlosenden Sichtweise geprägt.



Glaubt ihr nicht? Kleine Medienschau gefällig?

Aktuelle Meldungen zum Thema sehen so aus:

Screenshot zdf.de (Link)

blog.wiwo.de (Link)

tagesschau.de (Link)

In fast allen Fällen werden Wörter wie „Schummelsoftware“ oder „Abgas-Schummelei“, ohne erkenntliche Distanzierung z.B. durch Anführungszeichen, gebraucht. Es handelt sich also um akzeptierten Sprachgebrauch. Und damit um akzeptierte Einstellungen. Und die Politik? Politik springt vielleicht mal auf einen fahrenden Zug. Aber Politik verändert nicht aus eigener Motivation die herrschende öffentliche Meinung. Sie bildet sie ab. Na, dann macht unser Verkehrsminister ja alles richtig.

So macht man es übrigens richtig.

Durch die Anwendung von Anführungsstrichen. Mit wenig Aufwand könnten sich Medien übrigens von der mit dem Wort „Schummelsoftware“ implizierten Einstellung distanzieren: Es reichen bereits schnöde Anführungszeichen, wie in den folgenden Beispielen.

Screenshot schwaebische.de (Link)

Screenshot swr.de (Link)

Artikelbild: pixabay.com, CC0, Screenshots