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Heiße Luft: Die AfD weiß ganz offiziell, dass es keine „Antifa“ gibt, die man verbieten kann

von | Jun 2, 2020 | Aktuelles, Hintergrund, Kommentar

Rechte Feindbilder vs Realität

Dass der rechte Dauerlügner Trump auch bei uns viel Chaos stiften kann, sieht man daran, dass nur ein bescheuerter Tweet des US-Präsidenten ausreicht, um die gesamte deutsche Parteienlandschaft über ein Thema streiten zu lassen. Dabei sind die betreffenden Streitpunkte eigentlich glasklar und allen bekannt. Es geht natürlich um „die Antifa“, die es angeblich geben soll und die „verboten“ oder „als Terrororganisation eingestuft“ werden soll. Klar, dass die rechtsextreme AfD die Steilvorlage Trumps nutzt und sich der Forderung anschließt:

Diesen Quatsch fordert die AfD schon seit Jahren – schon 2018 forderten Abgeordnete der AfD, „die Antifa“ als „terroristische Vereinigung“ einzustufen. Wenn es so offensichtlich sei, wieso ist noch nichts passiert? Das liegt an der AfD: Sie hat bis heute nicht genau gesagt, wen konkret und mit welcher Begründung sie eigentlich verbieten will. Ein „Antifa-Verbot“ fordern schön und gut, aber jetzt mal Fakten auf den Tisch, AfD: Wie soll das denn jetzt aussehen? Meuthen wirft der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken vor, sich zu einer „linksextremen Terror-Organisation“ zu bekennen und deshalb gleich, die SPD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Der Mann überspringt hier aber paar Punkte und ganz viele Belege: Es muss erst eine „linksextreme Terrororganisation“ geben, zu der sich Frau Esken bekennen könnte. Wer ist denn „die Antifa“, AfD?

Die AfD hat 2018 bereits einen Versuch gestartet – und ist gescheitert

2018 zeigte die AfD bereits alle Argumente, die sie hatte: „Die Antifa“ gehe „mit offenem und verdecktem Terror“ gegen Andersdenkende vor. Ihr „Beweis“: Eine Broschüre von Unbekannten, die zum Parteitag der AfD in Augsburg entdeckt wurde. Klar, da stehen Aufrufe, wie man sich Farbbomben bastelt oder Autos anzündet, was nicht in Ordnung ist. Aber die Täter wurden nie gefunden – und letztlich blieben die Proteste (aller demokratischer Parteien, einschließlich des CSU-OB) friedlich (Quelle). Also: Einmalige Gewaltaufrufe von Unbekannten und deswegen soll die SPD vom Verfassungsschutz beobachtet werden? Ja, genau.

Damit hatte sich die Argumentation der AfD übrigens erschöpft (Quelle). Deshalb würde „die Antifa“ laut AfD „alle Merkmale einer terroristischen Vereinigung nach Paragraf 129a Strafgesetzbuch“ erfüllen, weshalb ihre „Strukturen zerschlagen“ und ihr die „Finanzierung durch Steuergelder“ entzogen werden müsse. Was diese Strukturen sein sollen oder wer da jetzt Steuergelder erhalten soll, hat sie dabei nie erklärt. Die AfD glaubt, wenn sie einfach nur vehement genug Dinge behauptet, reicht diese Show für ihre Anhänger*innen. Fakten nachliefern nicht nötig.

Fakten: Es gibt keine „Antifa“ im Sinne einer einheitlichen, bundesweiten Organisation

Im gleichen Jahr gab es im Auftrag der AfD ganz offiziell eine Untersuchung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags, ob man „die Antifa“ denn wirklich verbieten könnte. Und sie kam ganz eindeutig zum Schluss: Das geht überhaupt nicht (Quelle).

Das scheitert aus mehreren Gründen: Es gibt nicht „die eine Antifa“. Die SPD ist auch „Antifa“, das Grundgesetz ist auch „Antifa“. „Antifa“ kann sich jede*r nennen, der oder die sich zum Antifaschismus bekennt, wie er auch in unserem Grundgesetz verankert ist. Die AfD müsste genau aufzeigen, welche Gruppen sie denn meint. Es ist eine Zirkelargumentation: Die AfD behauptet, alle, die den Begriff „Antifa“ verwenden, gehörten zu einer fiktiven Gruppe, und umgekehrt: Wer sich damit identifiziert bekennt sich dann zu dieser fiktiven Gruppe. Es sind realitätsferne Taschenspielertricks. So ist das Fazit der Untersuchung:

Man könnte einzelne Gruppen, die sich mit dem Oberbegriff identifizieren, analysieren und bei Straftaten gegebenenfalls sanktionieren, heißt es dort. Grund zur Einstufung einer Antifa-Gruppe als terroristische Vereinigung habe es laut des Wissenschaftlichen Dienstes aber bisher noch nicht gegeben. Und auch nach der heißen Luft des ständig lügenden US-Präsidenten gibt es keine rechtlich funktionierendes „Verbot“ „der Antifa“. Das waren die Ergebnisse, die die AfD bekommen hat. Doch die ignoriert die Fakten und die Realität einfach, weil sie halt nicht so schön in ihre Propaganda passt. Dass eine Organisation sich selbst als antifaschistisch definiert, sagt erstmal nicht mehr aus, als dass sie was gegen Nazis hat. Punkt.

Und staatliche Finanzierung?

Klar habe es in der Vergangenheit die Förderung einzelner, lokaler, antifaschistischer Gruppen im Rahmen des Bundesprogramms »Demokratie leben« gegeben, aber das waren halt auch nicht die Gruppe, die aus „staatlicher Sicht nicht einem kriminellen Betätigungsfeld“ zugerechnet wurden. Am besten beschrieben haben es unsere Kollegen von BILDBlog seinerzeit:

„Es gibt Antifaschistinnen und Antifaschisten. Und die haben verschiedenste Hintergründe: einen bürgerlichen, einen kirchlichen, einen autonomen, einen anarchistischen, einen radikalen. Manche von ihnen akzeptieren Gewalt, manche wenden sie an, manche sind komplett gegen Gewalt.“

Auch in einer Twitter-Diskussion mit dem ARD-Faktenchecker Gensing scheiterte die AfD damit, Fakten zu liefern (Link):

AfDler blamiert sich auf Twitter: Was ist denn die „Antifa“?

Dass die AfD (und leider auch Teile der Union und FDP) einfach behaupten, es würde eine derartige Organisation geben und „Antifa“ sei gar nicht nur die Abkürzung für „Antifaschismus“ ändert nichts daran, dass es faktisch nicht mit der Realität übereinstimmt. Gerade der SPD Militanz und Gewaltbefürwortung unterstellen zu wollen ist lachhaft. Man kann nicht den demokratischen Grundkonsens des Antifaschismus einfach pauschal zu „Terrorismus“ erklären und dann Demokrat*innen dafür kritisieren. Das sagen auch Stimmen aus der CDU und FDP.

Fazit

Das alles ist eine große Diskussion um nichts. Die AfD weiß längst, dass ihre Forderung realitätsferner Quatsch ist und sie keine Fakten auf den Tisch legen kann, um ihre Forderung umzusetzen, weil es keine gibt. Es ist ein Märchen. Es ist Propaganda, um politische Gegner*innen mit Schmutz zu bewerfen. Man behauptet einfach, alle die „Antifa“ sind, seien „Terroristen“ und kritisiert dann alle, die sich zu „Antifa“ bekennen sind als „Terroristen“, weil das sind ja „Terroristen“. Da ist die Behauptung und die Begründung die gleiche. Von Fakten keine Spur.

Anstatt dass wir auf die Taschenspielertricks von Trump und AfD hereinfallen, sollte man diese Propaganda einfach ignorieren. Dass Teile der FDP und Union sich dieser Propaganda anschließen, weil sie sich dadurch eine Schwächung des „Linken Lagers“ erhoffen ist allerdings bedenklich. Denn das „linke Lager“, das sie damit schwächen, ist damit eigentlich das „demokratische Lager“: Wenn es irgendwann „extrem“ ist, sich gegen Faschismus einzusetzen, ist es nur normal, Faschisten nicht an der „Machtergreifung“ (Zitat Gauland) zu hindern. Und das ist ihr Ziel. Also fallt nicht auf Propaganda herein. Und die Ablenkung, denn hier ging es ursprünglich um rassistische Gewalt:

Ich kann auch nicht atmen: Mit George Floyd stirbt auch ein Teil von mir



Artikelbild: Screenshot twitter.com