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Darum ist die Zeit der Erfolge der Rechtsextremisten von der AfD vorbei

von | Sep 15, 2021 | Analyse

AfD im Sinkflug

Jahrelang starrten Demokrat:innen aller Strömungen mit Entsetzen auf die Umfragewerte der AfD. Viel wurde gestritten, diskutiert, wie man den Aufstieg einer Partei, deren Kernthema Rassismus von Anfang an war, und die deutlich immer mehr eine bürgerlich verkleidete Partei der rechtsextremen Szene wurde, verhindern sollte. Dabei wurde auch viel falsch gemacht. Die Aufreger-Themen – und allen voran deren Lügen, Rassismus und NS-Relativierungen der AfD wurden zuverlässig Schlagzeilen, immer neue Rekordwerte in Umfragen sorgten für Hektik und Sorge. Das ist vorbei. Die AfD, inzwischen kurz vor der Gesamtbeobachtung durch den Verfassungsschutz ist trotz relativ unveränderter Umfragewerte quasi bedeutungslos geworden. Und das spiegelt sich auch in Umfragen wider. Was ist passiert? Und – wie können wir dem Trend verhelfen?

Parlamentarischer arm der Neonazi-Szene

Längst ist klar, die AfD ist der parlamentarische Arm der rechtsextremen Szene. Die Vernetzungen sind deutlich, der „Flügel“ längst im Visier des Verfassungsschutzes. Mit gutem Grund. Die Spitze der AfD hat längst aufgegeben, diese zu bekämpfen und hat sich mit ihnen arrangiert. Ohne die Rechtsextremist:innen werden keine Entscheidungen mehr getroffen (mehr dazu), Gauland selbst gab versehentlich zu, die Rechtsextremist:innen um Höcke seien die stärkste Kraft der AfD (mehr dazu) und Höcke die „Mitte der Partei“ (Quelle).

Enthüllt: Die AfD will nicht, dass du diese 25 Höcke-Zitate verbreitest

Immer wieder „stärkste Kraft“-Schlagzeilen täuschen

Besonders im Osten, wo die AfD nach wie vor stark ist, ist alle paar Monate die Öffentlichkeit überrascht, wenn sie wieder „stärkste Kraft“ wird, weil die CDU schwächelt. Solche Meldungen täuschen längst darüber hinweg, dass die Partei seit Jahren unverändert stagniert. Das seit jetzt bald 2 Jahren, in denen es nur Schwankungen in Rahmen der Fehlertoleranz gab. Sie profitiert von keinen anderen Wählerwanderungen mehr. Egal, was sie macht. Denn sie lügt und hetzt weiter wie zuvor. Nur kriegt das jetzt niemand mehr mit.

Dass die AfD schon seit langem keine große Rolle mehr spielt und stagniert – und sogar etwas verliert – ist eine wichtige Botschaft. Besonders in Pandemie-Zeiten, die gefundenes Fressen waren für Betrüger:innen, Verschwörungsideolog:innen und Fake News, kann man sich wundern, warum die AfD bei diesen Kernthemen nichts dazu gewinnen konnte. Und schauen, was wir als Demokrat:innen richtig machen. Hier haben wir bereits erklärt, warum das Aufspringen auf Fake News rund um Corona keine Erfolge erzielte:

Sackgasse: Warum die AfD mit ihren Corona-Fakes gar nichts gewinnen konnte

Alle Wahlen 2021 bedeuteten große Verluste

Das schlägt sich nicht nur in Umfragen nieder, sondern in allen Wahlergebnissen des Jahres 2021 bisher und voraussichtlich auch in der Bundestagswahl. Im März verlor die AfD in der Landtagswahl in Baden-Württemberg 5,4 Prozentpunkte und damit über ein Drittel ihrer Stimmen (Quelle) und mit 4,3 Prozentpunkten ebenfalls über ein Drittel in Rheinland-Pfalz (Quelle), in Sachsen-Anhalt im Juni 3,5 Prozentpunkte und 14% (Quelle). Auch in den Kommunalwahlen in Niedersachsen (3,3 Prozentpunkte Quelle) und Hessen (5 Prozentpunkte Quelle) hat sich der Stimmenanteil der Rechtsextremist:innen fast halbiert.

Im Osten, wo die AfD stärker ist, sind die realisierten und prognostizierten Verluste in Relation geringer, aber bewegen sich im gleichen Rahmen. Auf Bundesebene wird die AfD voraussichtlich auch Verluste einfahren und ihr Ergebnis von 2017 nicht halten können (Quelle). Wie kommt es?

Die AfD ist die mit Abstand unbeliebteste Partei

Eine Feststellung, dass die AfD in der Krise war, konnte man schon Anfang 2020, kurz vor Corona, beobachten. „Die AfD fällt immer weiter“ titelten wir letztes Frühjahr bereits (mehr dazu). Und einige dieser Faktoren, die dazu führten, sind immer noch wahr.

Aber in Zeiten von Corona und der Lügen-Pandemie der Querdenker:innen hätte man erwarten können, dass die AfD, die mit genau so einer Hetze und Lügen die Jahre zuvor groß wurde, den Trend voll ausschöpfen könnte. Corona-Fakes waren schließlich letztes Jahr DAS Thema. Konnte sie aber nicht. Die Grafik hier oben ist über 1 Jahr alt. An den Prozenten der AfD hat sich gar nichts geändert. Das liegt an einem wichtigen Faktor: Die meisten Deutschen sind sich im Klaren darüber, was für eine antidemokratische und gefährliche Partei das ist.

Die AfD mag zwar mehr Stimmen bekommen als die LINKE und alle Kleinparteien, aber sie ist unangefochten auf Platz 1 der Parteien, die man auf gar keinen Fall wählen würde. Bei allen demokratischen Parteien könnten es sich zwei Drittel oder mehr Bürger:innen vorstellen, sie mal zu wählen, selbst wenn sie es dann nicht tun. Bei der AfD werden das zwei Drittel der Deutschen nie tun. Mehr dazu:

Umfrage: Dreiviertel der Deutschen würden niemals AfD wählen

Die AfD hat sich durch immer krassere Radikalisierung und die späte, aber richtige teilweise Beobachtung durch den Verfassungsschutz einfach für die meisten unwählbar gemacht. Es war ein Erkaufen der absoluten Loyalität ihrer Anhängerschaft, deren Abrutschen in eine rechtsextreme Filterblase, völlig abgetrennt vom Rest der Gesellschaft. Das sichert der AfD unangefochten ihre 8-15 Prozentpunkte. Weniger wird es erstmal (leider!) nicht werden. Aber dafür eben auch nicht mehr. Egal, was passiert.

AfD spielt politisch keine Rolle mehr

Die AfD ist ungefragt weiterhin gefährlich, besonders im Osten, wo Faschist Höcke und seine rechtsextremen Kolleg:innen weiter an den Fundamenten der Demokratie sägen – vor allem, weil einige Teile der CDU und FDP dort Sympathien zu deren Ideologien zeigen (mehr dazu) oder offenbar für Faschisten stimmen könnten – oder von denen gewählt werden wollen (Quelle, Quelle, Quelle). Aber auch in Bundesländern wie Sachsen stagniert die AfD (zum Glück).

Linksruck in Sachsen? Ein AfD-Erfolg, den es nicht gibt – dank irreführender Eindrücke

Als Verteidiger der Demokratie müssen wir verstehen, warum das so ist – und versuchen, die entsprechenden Dinge, die offensichtlich richtig gemacht werden, beibehalten. Ja, ein Teil der Bevölkerung ist mittelfristig unwiederbringbar an eine radikale Ideologie und Partei verloren. Die können wir auch nicht erreichen, da sie nur noch ihre rechtsextreme „Lügenpresse“ konsumiert und aus Reflex alles leugnet, was ihrem Weltbild widerspricht. Da braucht es eher Aussteigerprogramme. Die sind in ihrer Filterblase. Aber ihre Propaganda und ihr Hass kommt da auch erstmal nicht mehr raus.

Aber umgekehrt ist auch wahr: Der Rest – die große Mehrheit – der Deutschen durchschaut die Lügen und Hetze der AfD. Die seriösen Medien haben auch erkannt, dass man nicht jeden Blödsinn aus dieser Ecke thematisieren muss. Weil die Partei auch nichts sinnvolles beizusteuern hat. Die demokratischen Parteien machen auch vieles richtig und haben außer Augenrollen nicht viel für die AfD übrig – bis auf wenige gefährliche Ausnahmen am rechten Rand von CDU und FDP, auf die man weiter unbedingt ein Auge haben muss. In Thüringen und bei Kemmerich hat die Brandmauer zum Glück noch gehalten.

Zur Kenntnis nehmen & AfD weiter ignorieren

Nutzen wir also diesen Moment, um das zur Kenntnis zu nehmen. Die AfD scheitert weiter, sie verliert. Und das ist gut so, wir müssen dafür sorgen, dass das so bleibt. Und irgendwie erstmal mit etwa 10% Wählerstimmen leben, die unsere Demokratie bedrohen. Ignorieren derer x-ten Lügen ist auch sinnvoll, ebenso wie das Aussparen in Diskussionen im Wahlkampf – der problemlos ohne die AfD stattfindet. Sie hat ja schließlich auch nichts beizutragen. Bei wichtigen Themen wie Corona, Klimakrise, Rente oder Rechtsextremismus hat sie entweder gar keine Lösungen (Rente), leugnet das Problem (Corona, Klima) – oder ist das Problem (Rechtsextremismus).

Die AfD steht nur störend im Weg rum. In der Corona-Pandemie wollten selbst viele Querdenker:innen nichts mit denen zu tun haben – zumindest nach außen hin. Auf ihren Demos waren sie, zusammen mit der gesamten Neonazis-Szene natürlich geduldet (mehr dazu).

Corona-Demo: AfD, NPD, III. Weg, Antisemiten, Holocaustleugner, Neonazi-Kameradschaften

 

Natürlich brauchen wir noch eine Lösung, wie wir den harten, rechtsextremen Kern der Partei erreichen und wieder demokratisch sozialisieren können. Wie wir Leute erreichen, die ideologisch völlig gefangen sind in fanatischen Filterblasen. Doch ein beruhigender Zwischenstand ist auch: Das Problem wird zur Zeit im Parteienspektrum zumindest nicht schlimmer. Die größte Gefahr geht von der Union aus, wenn sie sich für die AfD öffnet, einen Rechtsruck vollzieht und Rechtsextremist:innen die Tür öffnet für Posten und Legitimation. Das Schweigen der CDU-Spitze zum Rechtsaußen Maaßen ist besorgniserregend, die Brandmauer nach Rechts bröckelt dort extrem. Wer den Trend der AfD weiter sinken sehen will, der darf diese Schande für die CDU nicht ignorieren.

Zum Thema:

Wie Linke und CDU-Wähler Maaßen und einen CDU-Rechtsruck verhindern können

Artikelbild: Volksverpetzer

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