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Skandal! Flüchtlinge vermüllen Augsburger Innenstadt

von | Dez 17, 2017 | Aktuelles

Danke, dass du diesen Artikel angeklickt hast. Du hättest dich auch aufregen können, ohne mehr als die Überschrift gelesen zu haben.

Das stimmt natürlich alles nicht. Kein Flüchtling hat in Augsburg irgendwas vermüllt.

Das Bild da? Das ist ein Bild aus dem Internet. Ich weiß nicht mal, was für eine Stadt das ist. Augsburg bestimmt nicht. Vermutlich nicht einmal Deutschland. [Edit: Freundliche Leserhinweise haben offenbart, dass dies Marseille während eines Streiks der Müllabfuhr ist, na bitte!]

Jeder kann sich irgendeine Geschichte mit Flüchtlingen ausdenken, ein passendes Bild dazu heraussuchen und dann so ein Gerücht in die Welt setzen. Und viele Menschen setzen haarsträubende Unwahrheiten in die Welt, um ihre eigene politische Agenda zu rechtfertigen. Und das kann sich vor allem über Social Media rasant verbreiten, weil viele Menschen einer Facebook-Vorschau vertrauen.

Unzählige Meldungen über Flüchtlinge frei erfunden

Bei Mimikama zum Beispiel beschäftigen sich meine Kollegen damit, Falschmeldungen und Gerüchten im Internet auf den Grund zu gehen. In der letzten Zeit häufen sich die gefälschten Hetzmeldungen über Flüchtlinge. Bilder und Videos werden aus dem Zusammenhang gerissen oder ganze Geschichten erfunden. Erzählt werden sie als „Was ich heute gesehen habe“ oder „Was einem Bekannten von mir passiert ist“. Die persönliche Anekdote erhöht die Glaubwürdigkeit. Wird jedoch bei den Behörden oder an den Schauplätzen nachgefragt, stellt sich alles schnell als Märchen heraus. Nicht selten ermittelt die Polizei wegen solchen erlogenen Meldungen.

Doch der unkritische Facebook-Nutzer hat den Beitrag geteilt und sich eine Meinung gebildet. Häufen sich solche Meldungen, gewinnt der Nutzer den Eindruck, Flüchtlinge seien pauschal kriminell, barbarisch oder faul. Was selbstverständlich nicht stimmt, wie ein Blick in die Statistiken verrät.  Gerade Vorstellungen einer „Lügenpresse“ lassen „alternative Medien“ abseits des „Mainstream“ mit solchen Meldungen vertrauenswürdiger Erscheinen.

In manchen Geschichten steckt ein wenig Wahrheit. Doch durch Auslassungen, Verzerrungen und Betonungen lassen sich gewünschte Reaktionen provozieren. Durch sog. „Priming“ stellt man einen Leser auf eine erwartete Reaktion ein. Schlüsselworte wie „Skandal!“ oder „Unglaublich!“ sollen dabei helfen, die gewünschte Reaktion hervorzurufen. Beim „Framing“ schafft man einen Kontext, in welchem ein Sachverhalt dargestellt wird, um eine bestimmte Reaktion zu bekommen. Die Information, dass die Flüchtlingskrise 10 Milliarden Euro kosten wird, zusammen der Warnung vor steigender Altersarmut ruft eine empörte Reaktion hervor. Die Information, dass die Bankenrettung uns 236 Milliarden Euro gekostet hat und dass Deutschland in diesem Jahr Rekordsteuereinnahmen macht, lässt die Situation jedoch schon wieder anders aussehen.

Glaubt keiner Hetze im Netz!

Wie kann ich im Netz erkennen, ob etwas wahr ist oder nicht? Ob eine Quelle vertrauenswürdig ist oder nicht? Es stimmt schon, dass die Größe und der Bekanntheitsgrad eines Mediums kein Indikator für den Wahrheitsgehalt seiner Inhalte ist. Siehe zB. die BILD, welche so oft wie kein anderes Medium vom Deutschen Presserat gerügt wurde (mindestens in den letzten Jahren). Es ist ganz wichtig, dass wir alle Meldungen kritisch hinterfragen. Jedoch glauben Menschen umso leichter Dinge, wenn sie in ihr Weltbild passen. Deshalb sollte man nicht nur bei Meldungen kritischer hinschauen, die einem nicht gefallen, sondern gerade bei jenen, die genau das sagen, was man sowieso vermutet. Und dies gilt natürlich nicht nur für rechte Hetze. Quellenrecherche, Quellenabgleich und vielleicht auch manchmal das Lesen der Artikel, welche man teilt, sind wichtige Schritte, um nicht auf Populismus, Propaganda, Betrug und Hetze hereinzufallen.

 

P.S.: Mal sehen, wie viele Menschen diesen Artikel teilen, ohne ihn gelesen zu haben.