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Das ist 1918 in Denver passiert, als man die Pandemie-Maßnahmen zu früh aufhob

von | Apr 20, 2020 | Aktuelles, Corona, Kommentar

Maßnahmen zu früh beenden? Guckt auf Denver 1918

Die Corona-Pandemie ist noch lange nicht vorbei, wir stehen immer noch am Anfang. Viele scheinen es in der fünften Woche des Lockdowns und der Eindämmungsmaßnahmen jedoch zu glauben und fordern umfassende Lockerungen oder gar ihr baldiges Ende. Schuld tragen wohl auch die Verantwortlichen, die es mit #FlattenTheCurve am Anfang aussehen haben lassen, als ob wir es in wenigen Wochen überstanden hätten (mehr dazu). Doch die Corona-Pandemie wird uns noch viele Monate beschäftigen und wir werden noch lange Einschränkungen auf uns nehmen müssen, um unser Gesundheitssystem nicht zu überlasten.

„Um nur die Hälfte der deutschen Bevölkerung in 18 Monaten zu immunisieren, müssten sich jeden Tag 73.000 Menschen mit Corona infizieren“, sagte Kanzleramtschef Braun. „So hohe Zahlen würde unser Gesundheitssystem nicht verkraften und könnten auch von den Gesundheitsämtern nicht nachverfolgt werden. Die Epidemie würde uns entgleiten.“ (Quelle) Die Geschwindigkeit der Zunahme der Infektionen nimmt zum Glück dank der funktionierenden Maßnahmen ab, und ein Kollaps ist bisher ausgeblieben, aber die Zahlen müssen noch weiter zurück gehen, damit wir zu Phase 1 zurückkehren können:

Der beste Weg, wie wir Corona schlagen: Wir müssen zurück zu Phase 1

„Lockert die Maßnahmen – aber erst in drei oder vier Wochen!“

Eine Lockerung der Maßnahmen gehört dazu – wir alle wollen so schnell wie möglich das alltägliche Leben zurück. Es geht nicht nur um die Sehnsucht nach Normalität, sondern auch um psychische und finanzielle Probleme. Ein Ende des Lockdowns ist aber nur sinnvoll, wenn wir ihn in zwei Wochen nicht schon wieder einführen müssen, weil die Infektionen erneut unkontrolliert steigen. Die derzeit noch circa 2000 Neuinfektionen pro Tag sind immer noch zu hoch. Expert*innen sagen: Es ist zu früh.

Die Reproduktionszahl R muss kleiner als 1 sein – Also ein*e Infizierte*r darf nur weniger als eine*n weitere*n anstecken, damit sich die Ausbreitung der Pandemie verlangsamt. Selbst bei R = 1,1 bis 1,3 sind unsere Krankenhäuser bis Juli hoffnungslos überfüllt. Endlich liegt R bei uns unter 1. Mitte April wird es auf etwa 0,7 sinken, wird geschätzt. Aber wenn wir jetzt schon die Maßnahmen lockern – oder gar komplett beenden, explodiert R in nur kurzer Zeit wieder. Denn: Die Dunkelziffer und auch der verzögerter Eingang der Daten verzerrt die Modelle der Expert*innen (Quelle).

Ein Ende der Maßnahmen könnte zur „zweiten Welle“ führen

Wenn wir jetzt also zu früh die Maßnahmen lockern oder gar ganz beenden, steht uns ein Szenario wie in Denver 1918 bevor. Was war in Denver? Als die „Spanische Grippe“ (die aus den USA kam) wütete, wurden sehr bald schon Eindämmungsmaßnahmen eingeführt. Nach circa 10 Tagen bemerkte man deren Effekte: Die Anzahl der Todesfälle sank wieder. Und nach circa 5 Wochen (genau wie jetzt bei uns!) beschloss man, die Maßnahmen wieder aufzuheben. Und dann wurde Denver von einer viel heftigeren, zweiten Welle – und noch mehr Toten – getroffen.

Die Grafik zeigt nicht alle Toten aus Denver, sondern die Anzahl der Toten durch die „Spanischn Grippe“, abzüglich derjenigen, die typischerweise an der normalen Grippe starben. Pro 100.000 Einwohner (Quelle).

Natürlich sind seit damals 100 Jahre vergangen und Covid-19 ist etwas anderes als die Spanische Grippe. Aber die Mathematik ist gleich geblieben. Und die Pandemie von 1918 ist in einigen Aspekten mit unserer derzeitigen Situation vergleichbar, wie beispielsweise der Übertragungsweg (in anderen Aspekten nicht: mehr dazu). Ein ausführlicher Vergleich, wie verschiedene US-Städte gehandelt hatten – und was die Auswirkungen waren – kann man hier nachlesen (Link).

Vor einer zweiten Welle warnt auch Prof. Dr. Drosten. Er warnt davor, sich in falscher Sicherheit zu wägen, denn R ist immer noch zu hoch.

Wir können uns das leisten

Wir können ein paar Wochen länger durchhalten und eine zweite Welle wie in Denver verhindern. Wir können uns das leisten – die Regierung könnte finanziell Betroffenen auch mit einem „Corona-Grundeinkommen“ retten (mehr dazu). Dafür hatten wir ja jahrelang eine schwarze Null. Was wir nicht können: Menschen wiederbeleben. Ohnehin wird eine zweite Welle die Wirtschaft (auch wegen der Toten!) härter treffen als die Eindämmungsmaßnahmen. Wir haben das hier erläutert:

Coronomics: Warum die harten Corona-Maßnahmen unsere Wirtschaft schützen

Lasst uns also aus der Geschichte lernen und nicht die gleichen Fehler wiederholen. Und lasst uns noch länger durchhalten, auch wenn es schwer ist. Und klar, finanziell müsste die Regierung Selbstständigen und anderen zum Beispiel mit einem Corona-Einkommen unter die Arme greifen. Aber die Alternative bedeutet, dass es viel mehr wirtschaftliche Schäden geben wird und wichtiger: Viel mehr Tote.



Artikelbild: Washington Post (Anpassung durch Volksverpetzer