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Damit hat Kubicki die FDP für eine ganze Generation unwählbar gemacht

von | Aug 5, 2019 | Aktuelles, Kommentar, Politik, Social Media, Umwelt/Klima

Kubicki schießt sich ins aus

Doch gehen wir vor Kubicki noch etwas zurück. Clemens Tönnies hat am vergangenen Donnerstag eine widerliche rassistische Aussage über Afrikaner gebracht. Er sagte, er würde „in Afrika“ mehr Kohlekraftwerke bauen lassen, denn dann „würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn’s dunkel ist, Kinder zu produzieren.“ (Quelle) Das ist so ein plumper, dummer Rassismus, dass einem die Kinnlade runterfällt.

Inzwischen bedauere er die Aussage und hat sich dafür entschuldigt, aber damit kann das nicht erledigt sein, denn so eine Aussage rutscht einem nicht „einfach so“ raus, wenn man nicht tiefe, rassistische Vorurteile über einen ganzen Kontinent (und seine Bewohner) hat. Deshalb fordern viele auch ernste Konsequenzen für die Haltung, die hinter so einer Einstellung stehen muss (Mehr dazu). Der Kommentar war extrem rassistisch und unglaublich dumm. Und was macht Wolfgang Kubicki (FDP)? Er bezeichnet diese Aussage als „nicht nur zulässig, sondern vielleicht auch notwendig“. Und legt noch mehr Unsinn oben drauf. Ernsthaft?



5 Gründe, warum Kubickis aussage bullshit ist

Wolfgang Kubicki hat in einem Facebook-Post Tönnies nicht nur Recht gegeben, sondern versucht, dessen rassistische Aussage mit ein paar Zahlenspielen und Mythen zu rechtfertigen.

https://www.facebook.com/kubicki.wolfgang/posts/2935821343101623?__xts__%5B0%5D=68.ARCCYwp1h0SzwAqxlzJNMDMG2RjJMFsrYAIutauUB9rIqKIDauxAyjE_mxa4y3CAIxC9mmmWk_2q3BlRzrrd6eNmL0aQo6g1pxeu6zBdq4ai4jcbrEFvHXUjW4yYKEZ61CDeMspSkq8ryFG2zZ8nTe5Kgi7PlTPpGgCajnXPI7RLTC_aR4yUQaieJeTLOzhnbMLyGY9BPfus4pgNQ4dLSIxGFJ7JgONUAlTpLUADCOU8c6aKfnbCfVti0NbpDcCoSUOzyTP_SM1Vc81hrlERKQg6Twd4onelSjpcRYIiGWpFTpEXU2mTemD3amyrpuXsyexC2nWvlMw832300v1_Z-sWhQ&__tn__=-R

1. Haben Afrikaner bei weniger Licht mehr Geschlechtsverkehr, Herr Kubicki?

Kubicki wollte mit seinem Post die rassistischen Teile ausblenden und ignorieren und dafür das Anti-Klima-Narrativ bekräftigen. Doch wenn er den blanken Rassismus darin nicht nur unkommentiert lässt, sondern ihm sogar zuzustimmen scheint, schießt er sich und seine Partei komplett ins Aus. Ist Herr Kubicki denn etwa auch der Meinung, dass Afrikaner bei fehlenden Leuchtmitteln mehr Geschlechtsverkehr haben? Ist er auch der Meinung, dass man Kohlekraftwerke in Afrika bauen sollte als Klimaschutzmaßnahme?

Wer sich derart undifferenziert hinter eine rassistische Aussage stellt und diese auch noch verteidigt, weil sie in seine Agenda passt, Klimaschutzmaßnahmen zu verhindern, der sagt eben auch, dass er plumpen Rassismus nicht nur toleriert, sondern wohl gut heißt. Kann man sich auf die FDP nicht verlassen, wenn es um die Verurteilung von Diskriminierung geht? Kubicki hat später sogar erklärt, für ihn Falle dies unter Meinungsfreiheit. Oder wollte er eben jene rassistischen WählerInnen nicht verprellen, die er mit seiner Aussage ansprechen will?

2. Bevölkerungswachstum hat nichts mit dem Klimawandel zu tun

Die FDP, die bei Klimaschutzmaßnahmen stets eher Hindernis als Hilfe war (Quelle), greift natürlich gerne das Narrativ auf, dass wir nichts gegen die Klimakrise tun können oder können, weil “Afrikaner” irgendwann mal viele Ressourcen verbrauchen und CO2 produzieren würden. Aber das ist Blödsinn. Denn die Länder mit dem größten Bevölkerungswachstum sind genau jene, die die wenigsten Ressourcen verbrauchen (Quelle).

Wie, es sei ein “Dilemma”, dass “Afrikaner” – nochmal: Das ist ein Riesenkontinent – mehr Kinder kriegen und deswegen müssen wir nicht mehr Ressourcen sparen und nicht klimaneutral werden? Der durchschnittliche CO2-Ausstoß zum Beispiel eines Kenianers ist lächerlich im Vergleich zu dem eines Deutschen.

via Gfycat

Kenia hat übrigens 60% mehr Fläche als Deutschland und gleichzeitig nur 50 Millionen Einwohner. Selbst bei einer Verdoppelung der Bevölkerung wären Emissionen und Bevölkerungsdichte noch deutlich niedriger als in Deutschland (Quelle). Kenia wurde hier als Fallbeispiel ausgewählt, weil es einen für Afrika leicht überdurchschnittlichen Wohlstand hat (Quelle).

3. Das Bevölkerungswachstum ist längst gelöst

Die Panik vor einer unlösbaren, weltweiten Bevölkerungsexplosion ist etwa so alt wie Kubicki selbst und basiert auf völlig unsinnigen Vorhersagen anhand der Fertilitätsrate ärmerer Länder. Inzwischen ist der weltweite Durchschnitt auf 2,5 Kinder pro Frau gefallen, Tendenz weiter sinkend. Außerdem hat die UN nicht von “mehr als 12 Milliarden” Menschen 2100 gesprochen, sondern nur von knapp 11 Milliarden.

Was er auch weggelassen hat: Dass die UN selbst erklärt hat, dass ihre Studie mit Vorsicht zu genießen sei, da das erstens ein Höhepunkt der Weltbevölkerung sein wird, der danach wieder sinken wird und zweitens, dass “der Höhepunkt (der Weltbevölkerung) früher oder später kommen” könnte als vorausgesagt (Quelle). Davon ist auszugehen, denn mit steigendem Wohlstand sinkt auch die Geburtenrate. Wie es historisch auch in Europa der Fall war.

Wenn internationale Investoren sich nicht mehr auf Südostasien konzentrieren und auch Sub-Sahara Afrika ins Auge fasst, dann werden auch dort die hohen Geburtraten mit steigendem Wohlstand fallen. Nein, die Lösung für die Klimakrise ist nicht, dass arme, afrikanische Familien weniger Kinder kriegen. Und die kriegen sie weniger, wenn sie mehr Wohlstand haben.

4. Es gibt 7 Milliarden Menschen, die weniger CO2 Ausstoßen als wir deutschen

So zu tun, als würde Deutschland weder jetzt noch historisch kein großer Klimasünder sein ist mindestens unehrlich. Schaut man sich den Pro-Kopf-Ausstoß an, steht Deutschland weltweit an 24. Stelle (Quelle). Nach dem Konsumprinzip sogar auf Platz 6 (Quelle). Überschlägt man die Zahlen, gibt es weltweit nur etwa 700 Millionen Menschen mit einem größeren CO2 Ausstoß als Deutschland und 7 Mrd. Menschen mit einem kleineren. Wir sollten erst dann anderen Ländern Vorschriften machen, wie sie ihre Klimapolitik (in 80 Jahren) zu lösen haben, wenn wir das Verhältnis umgekehrt haben. Wir müssen weiterhin unseren CO2-Ausstoß senken. Und komische, rassistische Rechenspiele machen das nicht weniger wahr.

Warum nicht mit diesen “Innovationen”, von denen die FDP stets spricht? Oder warum es nicht den Markt regeln lassen und die Kosten für den CO2-Ausstoß über Carbon Pricing einbauen? Warum nicht marktverzerrende Maßnahmen wie Subventionen für Flugreisen (Quelle), fossile Brennstoffe (Quelle) und Massentierhaltung abschaffen (Quelle)? Wie kann es die FDP als liberale Partei, die für den freien Markt kämpft, eigentlich rechtfertigen, dass der deutsche Staat mit mehreren zig Milliarden Euro in ganzen Industriezweigen quasi Sozialismus betreibt? Hat Kubicki überhaupt ein Interesse an der Lösung der Klimakrise?

5. Nur ein Dilemma für “selbst ernannte Klimaaktivisten”?

Und zu guter Letzt bleibt immer noch die Frage, warum das alles ein “Riesendilemma” für Klimaaktivisten sein soll. Ist die Klimakrise denn kein Problem für ihn, seine Kinder oder die FDP? Das alles ändert doch nichts daran, dass Deutschland so schnell wie möglich klimaneutral werden soll. Im Gegenteil, es sollte ein Ansporn sein, sogar mehr zu tun. Nicht nur, weil wir viel mehr zur Krise beitragen, sondern auch weil wir mit gutem Beispiel vorangehen müssen. Und unsere Technologien weiterverkaufen könnten.

Mit dem Fingerzeig auf “Afrikaner”, die er als “Dilemma” für Klimaaktivist*innen darstellt und Tönnies Rassismus ignoriert, betreibt er damit eine Entsolidarisierung mit ihren Forderungen. Entsolidarisierung mit der Notwendigkeit, mit der die Energiewende vollzogen werden muss. Für die junge Generation, die mit FridaysForFuture ihre Forderungen formuliert und die gravierenden Folgen unserer Tatenlosigkeit erleben werden muss, ist die FDP mit so einer Aussage völlig unwählbar geworden.

Autoren: Thomas Laschyk, Philip Kreißel, Grafik: Philip Kreißel. Artikelbild:Olaf Kosinsky (kosinsky.eu) Lizenz: CC BY-SA 3.0-de
via Wikimedia Commons