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Carola Rackete hat die Ergreifung von Kriminellen ermöglicht

von | Sep 28, 2019 | Aktuelles, Kommentar, Politik

Carola Rackete – Heldin für jedermann

Es sind Schlagzeilen wie „Vorwürfe gegen Rackete Angeblich waren Folterer an Bord der „Sea Watch““ oder „Carola Rackete brachte Verbrecher nach Europa – Salvini fordert Entschuldigung bei Italien„, die Carola Rackete erneut in die Medien brachten.

Die 31-jährige Kapitänin aus Niedersachsen wurde spätestens am 29. Juni international bekannt. An diesem Tag legte sie, entgegen der ausdrücklichen Anweisungen der Guardia di Finanza, im Hafen von Lampedusa an. An Bord ihrer „Sea Watch 3“: rund 40 Schutzsuchende (Quelle). Sie waren der Grund für die Hafensperrung gewesen. Italien hatte sich geweigert, sich mit den Flüchtlingen auseinanderzusetzen.

In den folgenden Tagen gab es hitzige Diskussionen. Von vielen Menschen wurde Rackete als Heldin gefeiert. Besonders aus der rechten Ecke gab es aber auch viel Kritik an ihr. Plötzlich wurde jeder AfD-Politiker zum Experten für See- und Hafenrecht. Unendlich viele mehr oder weniger sinnlose Auslegungen und Kombinationen der verschiedensten Rechtslagen kursierten in Facebookgruppen und darüber hinaus. Unser Faktencheck damals:

Zwei Wochen später kam dann der Freispruch. Carola Rackete verließ Italien (Quelle). Es ließen sich keine hetzerischen News mehr mit ihr verbreiten, also ließen auch rechte Hetzer langsam von ihr ab. In den seriösen Medien war der Fall eh schon länger kaum noch präsent.

Seitdem war es also ruhiger um die „Sea Watch“-Kapitänin geworden. Doch damit ist es jetzt anscheinend wieder vorbei.



Was ist passiert?

Nach den oben angegebenen Quellen hat es sich folgendermaßen zugetragen:

Als Carola Rackete mit der „Sea Watch 3“ 53 Flüchtlinge aufgenommen hatte, waren darunter drei Migranten, die in Libyen an eben der Foltermaschinerie beteiligt gewesen seien, die der Grund dafür ist, weswegen Libyen momentan als „sicherer Hafen“ nicht in Frage kommt. Die Männer seien von anderen Migranten in Italien erkannt worden. Gesicherte Fakten gibt es nicht, doch die meisten Indizien sprechen bislang für diese Darstellung.

Carola Rackete hat also 3 Flüchtlinge nach Italien gebracht, denen vorgeworfen wird, dass sie sich an Foltereien und eventuell sogar Tötungen beteiligt haben. Matteo Salvini, ehemaliger Innenminister Italiens, forderte Rackete daraufhin auf, sich bei dem Land zu entschuldigen. Das Framing „Rackete = Verbrecherin“, welches Salvini rund um die Ereignisse am 29. Juni (damals noch als Inneminister) förderte, wird wieder aufgewärmt.

Betrachtet man das ganze aber abseits populistischer Hetzereien, kann man auch zu einem anderen Ergebnis kommen

Carola rackete: Heldin?

Auf den ersten Blick mögen die Argumente der rechten „Rechtsexperten“ auf Facebook, Twitter und co. überzeugen. Rackete möchte in Hafen einfahren – Salvini, damals noch Innenminister, verbietet es – Rackete tut es trotzdem. Rackete ist im Unrecht. Fall gelöst. Zur Verschärfung der Schwere der Schuld trägt noch bei: Rackete hat sogar 3 Gewalttäter nach Italien gebracht.

Doch das ist zu einfach gedacht. Die ursprüngliche Argumentation, dass Rackete ab dem Moment rechtswidrig gehandelt hätte, in dem sie entschieden hat, nach Italien zu fahren, haben wir u.a. hier widerlegt:

Keine Schlepperei, Lampedusa richtig: 4 juristische Fakten über die Freilassung von Carola Rackete

Doch was ist nun mit den drei Gewalttätern?

Nun, zuerst gilt Folgendes:

Wir können nicht scannen, wer die Leute sind. Die kommen ohne Pässe

Ruben Neugebauer, Pressesprecher „Sea Watch“
Quelle

Auch wenn es keinen rechten Hetzer überzeugen wird. Aber wenn man Menschen vor dem Ertrinken rettet, kann man schlecht sagen „Moment, erst den Pass bitte!“. Und viele der Flüchtlinge haben eben keine Papiere dabei. Weil sie sie verloren haben, weil sie gestohlen wurden oder warum auch immer. Und selbst wenn es Pässe gegeben hätte: Ob man herausgefunden hätte, wer die Männer sind und was sie getan haben, steht in den Sternen. Die Bürokratie in Libyen funktioniert momentan nur sehr bedingt. Libyen ist ein failed state.

ALSO FREISPRUCH für CAROLA RACKETE?

Nicht nur das. Carola Rackete hat nicht nur nicht falsch gehandelt. Sie hat sogar eine Heldentat begangen. Weswegen?

Dazu müssen wir erst einmal das Gegenszenario durchspielen. Hätte Rackete die drei Gewalttäter nämlich nicht an Bord gehabt, dann hätten drei Dinge passieren können:

a) Sie wären ertrunken.

b) Sie hätten es unter dem Radar der Behörden nach Italien geschafft und wären dort untergetaucht.

c) Sie wären irgendwie zurück nach Libyen gekommen.

Egal wie toll manch rechter Idiot Fall a) findet, eins ist bei allen Fällen gleich: Die Täter wären davon gekommen, ohne für ihre Taten zu büßen.

Wenn man auch nur eine Sekunde den gesunden Menschenverstand benutzt, muss man zu diesem Schluss kommen: Ohne Carola Rackete wären drei Männer, die Folter, Vergewaltigung und Totschlag begangen haben (sollen), davon gekommen. Nur dem Einsatz der Kapitänin ist es zu verdanken, dass sie jetzt vor ein ordentliches Gericht in Europa kommen und unter fairen Bedingungen nach unserem Recht verurteilt werden können.

Fazit

Carola Rackete muss sich nicht „entschuldigen“. Sie hat uns, neben der Rettung von mehr als 50 Menschenleben, einen weiteren großen Dienst geleistet: 3 Gewalttäter aus Libyen können endlich vor Gericht gestellt werden. Gewalttäter, die übrigens zu den schrecklichen Bedingungen beigetragen haben, wovor viele Menschen fliehen müssen. Ein sensationeller Erfolg.

Herr Salvini sollte sich hingegen bei Frau Rackete bedanken, dass sie Italien ermöglicht, Gerechtigkeit walten zu lassen.

Und an alle „Online-Experten“, die „schlaue“ Facebookposts rezitieren und auf dieser Basis Carola Rackete zur Straftäterin machen wollen: Wenn euch der Rechtsstaat wirklich so wichtig ist, wie ihr tut, dann bedankt euch bei Frau Rackete. Sie hat Intensivtäter aus Nordafrika konsequent der italienischen Justiz übergeben. Ihr könntet ihr eine Rose schicken. Oder sie wenigstens nicht mehr 24/7 beleidigen und als Verbrecherin darstellen. Das wäre mal ein wahrer Akt von Anstand.

Artikelbild: Screenshot SeaWatch