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Vorfälle im Rheinbad in Düsseldorf: Instrumentalisierung ging nach hinten los

von | Jul 31, 2019 | Aktuelles, Bericht, Kommentar

Tumulte in freibädern?

Das neueste rechtsextreme Narrativ ist das „Freibad“-Narrativ. Die AfD und ihre rechtsextremen Medien, aber auch die CDU erzählen ihren WählerInnen, dass der böse Ausländer inzwischen die deutschen Freibäder und Schwimmhallen unsicher mache. Gottfried Curio darf sogar in der Tagesschau von „Schwimmbadterror“ sprechen. Das Märchen geht so: „Früher“ waren Freibäder schöne, entspannte Erlebnisse, dann kamen Merkel-Gutmenschen-Flüchtlings-Verbrecher und seitdem gibt es „drastische Zustände“ in deutschen Freibädern, weil dunkelhäutige Menschen sich natürlich nicht zu Benehmen wissen.

Es ist die gleiche Methode wie zuvor bei dem „Messer“-Narrativ oder „Vergewaltigungs“-Narrativen. Es soll nicht heißen, dass es solche Vorfälle nicht gibt, sondern dass anhand einiger weniger Beispiele durch endlose Wiederholung, De-Kontextualisierung, Überspitzung und Ausschmückung mit jeder Menge erfundenen Geschichten, Bildern und Videos ein Problem erzählt wird. Und genau das gleiche haben wir beim AfD-„Freibad“-Narrativ im Jahr 2019. Ein weiterer „Beweis“ soll die Tumulte im Rheinbad in Düsseldorf vom letzten Freitag sein.



Jugendliche in Düsseldorf waren alle deutsche

Das Rheinbad in Düsseldorf musste innerhalb von vier Wochen dreimal wegen Fehlverhalten von Badegästen geräumt werden, zuletzt am Freitag. Eine Gruppe junger Männer soll die Rutsche und Sprungbrett blockiert haben und sich den Anweisungen der Bademeister widersetzt haben. Die herbeigerufene Polizei schickte daraufhin alle nach Hause. Zwei Ermittlungen wegen Beleidigung eines Polizisten und Bedrohung und Beleidigung einer Bademeisterin wurden eingeleitet. Handfeste Auseinandersetzungen gab es jedoch keine.

Die Polizei äußerte sich zunächst nicht offiziell zu den Nationalitäten der Jugendlichen. Natürlich, denn sie spielt ja auch keine Rolle. Oder wird ein nach Hause geschickter Badegast weniger enttäuscht sein, wenn die verantwortlichen Jugendlichen diesen oder jenen Pass haben? Doch einer der Polizeisprecher sprach davon, dass es sich um 50 bis 60 Jugendliche mit „nordafrikanischer Herkunft“ gehandelt habe, was Medien wie RP Online berichteten.

Günter Krings, Staatssekretär im Bundesinnenministerium (CDU) wagte daraufhin den wahnwitzigen Schnellschuss und äußerte Befürwortung von schnelleren Abschiebungen abgelehnter Asylbewerber. Auch trotz der Anspannung kam es nicht zu Gewalt, dennoch sprach Krings davon, „die Bevölkerung vor […] Gewalt in Freibädern zu schützen.“ Noch absurder wird es, weil später klar gestellt wird: Die Gruppe der Jugendlichen im Rheinbad war in Wahrheit viel kleiner. Und alle, deren Personalien aufgenommen wurden, seien deutsche Staatsangehörige (Mehr dazu).

AfD-Framing wirkt

Deutsche Jugendliche randalieren im Rheinbad und die CDU spricht von schnelleren Abschiebungen. Daran sieht man, wie absurd diese rassistische Logik ist. Es ist klar: In bestimmten politischen Kreisen wird inzwischen automatisch angenommen, dass für alle Probleme Ausländer Schuld sein müssen. Randalierende Jugendliche in Schwimmbädern sind wirklich ein Problem, die Stadt Düsseldorf hat eine Ausweispflicht und Videoüberwachung im Rheinbad verhängt.

Aber ein anderer Pass macht Gruppen von Jugendlichen nicht weniger testosterongesteuert. Denn wie jeder Kriminologe erklären kann, ist die größte statistische Auffälligkeit nicht Nationalität, sondern Geschlecht und Alter. Das Problem sind homogene Gruppen junger Männer. Und auch die Überfüllung der Freibäder. Bundesweit werden immer mehr Bäder geschlossen, wegen mangelnder Finanzierung durch die Kommunen. Zwischen 2016 und 2018 schlossen bereits 40 Bäder in NRW, 100 weiteren drohe sie. Seit dem Jahr 2000 wurde bundesweit jedes 10. Bad geschlossen. Die Überfüllung führt ebenfalls zu Konflikten.

Weitere Fakes zu Freibädern

Um ihr Fake-Narrativ weiter zu befeuern, verbreitet die AfD gerne Videos, die die „bösen Migranten“ beim Randalieren in „deutschen“ Freibädern zeigen sollen. Doch ein beliebtes Fake-Video ist aus Israel, ein anderes stammt aus dem Jahr 2014 – Lange bevor angeblich „alles so schlimm“ geworden ist. Es ist der Versuch, mit Lügen das Bild zu liefern, dass die Worte und das Framing bereit vorbereitet haben. Unsere Recherche:

Fake! AfD verarscht ihre Wähler mit Video aus Israel – Rassistische Stimmungsmache

Zumindest für Sachsen gab es diese Lüge der AfD: „AfD-Anfrage in Sachsen deckt auf: Fast 70 Prozent aller Täter, die unsere Kinder und Jugendlichen im Schwimmbad sexuell belästigt haben, sind Männer aus islamischen Ländern.“ Sie basierte auf dieser Anfrage „Sexualisierte Gewalt im Sport — Nachfrage zu 6/17053“ (Link). Und reine Verarsche.

Denn um auch nur irgendetwas brauchbares zu finden, das man „Ausländern“ in die Schuhe schieben kann, lässt die AfD in den ganzen letzten zehn Jahren nicht nur die Bereiche „Sportanlage“ und „Turnhalle“ vollständig weg, sondern auch alle anderen Straftbestände und pickt sich ausschließlich den Strafbestand aus, in dem Deutsche zufällig in der Minderheit sind. Hier im Detail:

Sexuelle Belästigung in Schwimmbädern: So täuscht die AfD Sachsen ihre Wähler über Straftaten

Weitere Zahlen – sind vorfälle mehr geworden?

Aber da wir bei den Fakes ja über das Columbiabad und über Berlin geredet haben, schauen wir uns einmal das an. 16 Anzeigen gab es 2019 bereits, und das obwohl das Bad erst seit dem 1.06 offen hat! Aber die Anzeigen wurden alle auch vor dem 16. Mai erstattet. Weil Vorfälle mit hineingezählt werden, die nur in der Nähe oder an der Adresse passiert sind. Und so ist das das ganze Jahr so (Quelle) – so kann man die Gefahr auch aufblähen, wenn man möchte.

Schauen wir mal die Jahre 2018 und 2017 an (Quelle). 2018 gab es 130 Anzeigen, 14 mal Körperverletzung, viermal um Beleidigung, zweimal um Bedrohung, Freiheitsberaubung oder Nötigung. Sexualdelikte wurden hingegen keine angezeigt. 67 mal Sonstiges. Also auch Autodiebstähle oder Hausfriedensbruch. Aber eben nur alles, was an dieser Adresse gemeldet wurde. Und diese blähen die Statistik auf.

Im Sommerbad Olympiastadion gab es 2017 23 Fälle von Körperverletzung, 2018 12 und bisher 2019 sechs. Und m Sommerbad Pankow gab es dieses Jahr bisher zwölf und zehn im Sommerbad Kreuzberg. Im Diebstähle gab es im Olympiastadion 54 und im Columbiabad 40 im Jahr 2018. 24 waren es im Kombibad Gropiusstadt und im Europasportpark 20. Letztere sind Hallenbäder, wo es etwas ruhiger ist (Quelle).

Fazit

Und bei alle dem wäre es wahnwitzig, davon auszugehen, dass alle diese Straftaten, die in den letzten Jahren übrigens abgenommen haben, wie wir sehen können, von Nichtdeutschen begangen wurden. Noch dazu ausgerechnet von (abgelehnten) Asylbewerbern, wie es die CDU tat. Die AfD-Anfrage lässt vermuten, dass es selbstverständlich mehrheitlich Deutsche waren. Wie bei den allermeisten Straftaten. Und es sind ohnehin nur sehr wenige Straftaten pro Jahr und die zehntausenden Besucher*innen der Freibäder.

Gibt es Probleme und Streitigkeiten in Freibädern? Natürlich. Sind manchmal auch Menschen mit dunklerer Hautfarbe daran beteiligt? Selbstverständlich. Sind das dann automatisch Nichtdeutsche oder Asylbewerber? Auf keinen Fall. Überfüllte Freibäder und junge Männer in Gruppen sind die größten Problemherde, unabhängig vom Pass oder Hautfarbe. Das macht diese Debatte eben so absurd.

Und weil die Statistiken so wenig hergeben, versucht die AfD mit (vermeintlich) eindrucksstarken Bildern „symbolisch“ ihr „Freibad“-Narrativ zu bewerben. Obwohl diese 5 Jahre alt sind oder aus einem völlig anderen Land stammen. Und die Presse, allen voran die BILD (Mehr dazu), befeuert das immer weiter, wenn sie bei jedem Vorfall über Nationalitäten sprechen will – und wie im Falle vom Rheinbad Falschmeldungen kolportiert.

Artikelbild: pixabay.com, CC0