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Sachsen, es ist höchste Zeit, dich gegen Rechts zu positionieren

von | Aug 27, 2018 | Kommentar, Politik

Hallo liebe Zivilgesellschaft, online und offline,

gestern, so scheint es, war für viele Gegner unserer Verfassung der Tag X gekommen: Sie nehmen das Recht selbst in die Hand und jagen Menschen. Wenn man die Kommentarspalten der letzten Monate verfolgt hat, möchte man meinen, sie haben nur darauf gewartet. Und nun entbrennt eine Kettenreaktion. Am Rande des Chemnitzer Stadtfests wurde ein Mann erstochen und erlag seinen Verletzungen. (Bericht)

Erste Berichte gingen von einem beherzten Helfer aus, der einer Frau geholfen hatte, die von einer Gruppe Männer belästigt worden sein soll. Das ist falsch. Die Polizei dementierte diese Version im Laufe des gestrigen Tages. Aber da machte die Geschichte schon die Runde, was dazu führte, dass ultrarechte Gruppen zu einer Kundgebung in der Innenstadt aufriefen.



Nazis auf Menschenjagd

Videos belegen, dass ausländisch aussehende Menschen gejagt wurden. So manche Freundin konnte ihren „Hasen“ gerade noch daran hindern, mitzumischen.

Für den heutigen Tag sieht die Prognose düster aus: Hooligans und Rechtsextreme aus ganz Deutschland organisieren sich zu weiteren „Demonstrationen“. „Für jeden toten Deutschen, ein toter Ausländer…Wir sind das Volk!“ Geht´s noch? Nein, seid ihr nicht. Und vergleicht euch nicht mit einer friedlichen Bürgerbewegung, die ohne Gewalt die Wende herbeigeführt hat.

https://www.facebook.com/HassHilft/photos/a.1500846150215605/1959693884330827/?type=3

Auf Facebook ergibt sich ein ganz anderes Bild: Die Demonstranten würden endlich mal aufstehen und gegen die Zustände in Deutschland aufbegehren. Die Kommentatoren setzen sich tugendhaft für die Opfer der Messerstecher ein. „Warum wird darüber so wenig berichtet?“ „Stattdessen werden die Menschen, die sich das nicht gefallen lassen, in die rechte Ecke gestellt.“

Wer Menschen durch Städte jagt, ist eben ein Nazi

Naja, wer Menschen durch Städte jagt, weil sie anders aussehen, steht schon ganz richtig in dieser rechten Ecke. Hooligans jagen Menschen, missachten das Gewaltmonopol und man feiert sie auch noch dafür. Was ist los auf Facebook?! Wir sind ja keine Rassisten, aber…“ Am Arsch! Ihr seid astreine Rassisten!

Ich sage schon lange, dass die „Online-Helden“, die sich einen Bürgerkrieg oder ähnliches herbeisehnen, nur auf einen Auslöser warten. Worte werden zu Taten. Wer das leugnet, hat in Geschichte nicht aufgepasst. Politiker der AfD schüren das auch noch: 

„Heute ist es Bürgerpflicht, die todbringende „Messermigration“ zu stoppen!“ Nein, es ist die Aufgabe des Staates, menschenjagende Mobs aufzuhalten. Die Bürgerpflicht ist es, sich dagegen online, aber vor allem offline mit demokratischen Mitteln zu wehren.

Nicht nur das: Es stellt sich heraus, dass der ermordete junge Mann ein bekennender Gegner der Neo-Nazis war. Widerlich ist die Heuchelei, mit der ebenjene Neo-Nazis einen Vorwand gefunden zu haben scheinen, heroisch und patriotisch einem Deutschen, der zwar ihre Gesinnung verabscheut, zur Seite stehen können. Und was sie wirklich wollen, haben wir nicht nur im Zusammenhang mit den Jagdszenen gesehen, sondern wird auch immer deutlich in rechten Facebook-Gruppen.

Sachsen, steht auf!

Denn nun passiert ja auch noch folgendes: Die Sachsen werden zurecht gefragt, ob sie auf der Seite des Mobs stehen oder auf der Seite der Zivilgesellschaft. Ich selbst verurteile jedes pauschale „Sachsen-Bashing“. Und möchte auch keine Mauer um Sachsen. Ich wünsche mir aber, dass auch in Städten wie Dresden oder Chemnitz die Menschen aufstehen und sich nicht von Hooligans und Neo-Nazis das Bild ihrer Stadt kaputt machen lassen.

Rostock-Lichtenhagen oder Hoyerswerda können ein übles Lied davon singen. Jeder hat da sofort die Bilder im Kopf. Das Schlimmste an allem ist in der Tat, dass das Opfer instrumentalisiert wird. Es ist offenbar nicht mehr möglich, sowohl dieses Verbrechen, als auch die Menschenjagd zu verurteilen. Ständiges Derailing und umfassender Whataboutismus sind eine Freude für jeden an Argumentationslogik interessierten Facebook-Leser.

Auch hier wieder: Wir werden uns in einigen Jahren verwundert angucken und uns Fragen stellen lassen müssen.

Artikelbild: pixabay.com, CC0