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„Mitten ins Gesicht schlagen“: Offener Brief von #ichbinhier an Anabel Schunke

von | Dez 13, 2018 | Kommentar

Sehr geehrte Frau Schunke,

ich antworte Ihnen mal auf diesem Wege, da ich auf Ihrer Facebook-Seite seit Monaten blockiert bin, obwohl ich dort noch nie kommentiert oder irgendetwas gelikt habe.

Screenshot

Das muss man sich mal vorstellen: Sie wollen „irgendwann […] so einem aus der #ichbinhier-Fraktion mitten ins Gesicht“ schlagen und beklagen einen kurzen Absatz später, dass „die Priorität dieser Leute“ sei, „den Hass nicht gewinnen“ zu lassen. Und entlassen Ihre Follower damit in den Abend, ihnen mitzuteilen, wie wütend Sie seien. Das greifen Ihre Follower auf, die dann auch wütend sind.

Von Ihnen unkommentiert träumen dann einige davon, wieder züchtigen zu dürfen, konsequenter zu werden (was immer das auch heißt) oder im Wilden Westen zu leben (was immer daraus nun wieder folgen soll). Andere wünschen einen Emoji mit „durchgeladener Pumpgun“ oder bescheinigen den fast 46.000 Mitgliedern von #ichbinhier „krank zu sein“.

„Ich hasse [sic!] jede Art von Gewalt, dennoch [sic!] wünsche [sic!] ich mir immer öfters [sic!], dass diese Leute die Nächsten sind!“



Frau Schunke, mal ehrlich: Was sollen denn solche Kommentare?

Sie meinen, dass ein #ichbinhier-Kommentar, wie der oben zitierte, „Jaja, […] den Familien, die um ihre Angehörigen trauern, sicher helfen“ wird. Sie implizieren damit, zu wissen, was Angehörige fühlen oder wie deren Haltung ist. Was sagen Sie dann dazu:

 

Screenshot sz.de

oder zu diesem Statement:

Screenshot www.badische-zeitung.de

Sie haben nicht das alleinige Recht darauf gepachtet, berechtigt Kritik zu üben

Ich möchte einmal höflich darauf hinweisen: Sie haben nicht das alleinige Recht darauf gepachtet, berechtigt Kritik zu üben. Auch viele Mitglieder von #ichbinhier kritisieren. Und alle Mitglieder trauern um die Opfer, verabscheuen solche Taten und sind schockiert. Berechtigte Kritik ist aber differenziert und nicht einseitig.

Nicht „der Islam“ ist Schuld an den Verbrechen, sondern die Typen, die solche Verbrechen begehen. Ich bin mir nicht sicher, ob Ihnen bewusst ist, was eine Vorverurteilung und Pauschalisierung für Folgen haben kann. Ich sehe aber Tag für Tag diese Folgen in den Facebook-Kommentarspalten. Stereotype, Sippenhaft und rassistische Bewertungen. Und ich sehe auch, was solche Posts wie Ihrer bewirken. Einige Beispiele habe ich ja oben angeführt.

Wenn ich Ihren Post mal im Umkehrschluss betrachte:

Hass soll also gewinnen können. Was folgt daraus?

Und wie hilft das den Familien?

Wir können echt über Vieles reden und diskutieren: Asylrecht, Strafrecht, die Integration, politische Strömungen innerhalb des Islam, Religionen im Allgemeinen, kulturelle Identität. Aber erstens müsste ich dann nicht mehr blockiert sein, zweitens müssten Sie Ihren Followern den Schaum vom Mund wischen und drittens auch mal einen anderen Standpunkt zulassen. Wozu führt denn der Hass gegen und die Ausgrenzung von z.B. Muslimen?

Vermutlich zu einer gesteigerten Gefahr der Radikalisierung. Wie kann man dem vorbeugen? Nicht ausgrenzen. Zumindest kann man das Risiko minimieren. Mir ist klar, dass Sie die Meinung vertreten, dass diese Menschen aus dem anderen Kulturbereich nicht willig seien, sich zu integrieren. Millionen Gegenbeispiele. Allein in Deutschland.

Aber um auf das Thema zurückzukommen: Nein, #ichbinhier wird nicht von Frau Merkel zum Essen eingeladen, nicht von der Regierung unterstützt (das bestätigt sogar eine kleine Anfrage der AfD).

Es werden intern auch keinerlei inhaltliche Vorgaben gemacht. Wenn das so wäre, gäbe es längst entlarvende Screenshots unserer Maulwürfe.

Alle Menschen haben Angst vor Terror

Eventuell sollten Sie mal ein Schritt zurücktreten, mal eine andere Perspektive einnehmen, um zu erkennen, dass ALLE Menschen Angst vor Terror haben, dass alle Menschen Täter verabscheuen und der Opfer gedenken.

Sie sind doch immer auf der Suche nach der Wahrheit bzw. Sie und Ihre Follower werfen anderen vor, die Realität nicht zu kennen. Ich weiß jetzt nicht, was Sie so von Gandhi halten, aber:

„Bei der Anwendung von Gewaltfreiheit entdeckte ich schon sehr früh, dass die Wahrheitssuche es nicht erlaubt, dem Gegner Gewalt anzutun. Er muss vielmehr durch Geduld und Mitgefühl von seinem Irrtum abgebracht werden.“

In diesem Sinne, beste Grüße,

Alex Urban von #ichbinhier

Artikelbild: Screenshot facebook.com