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Bremen: So hat sich eine ganze AfD-Fraktion aufgelöst

von | Sep 3, 2019 | Aktuelles, Kommentar, Politik

in bremen hat sich erstmalig eine komplette afd-fraktion aufgelöst!

Wie die Bremer Fernsehsendung „buten un binnen“ in ihrem Onlineauftritt schrieb, hat sich die Bremer AfD-Fraktion aufgelöst. Im Streit haben drei der fünf Abgeordneten die Fraktion verlassen. Das reicht nicht mehr, um eine eigene Fraktion darzustellen. Die Abtrünnigen Uwe Felgenträger, Frank Magnitz und Mark Runge haben unterdessen die „AfD-Gruppe in der Bremischen Bürgerschaft“ gegründet.

Damit gibt es also erstmalig seit der Hessenwahl vergangenen Jahres ein Bundesland in Deutschland, das keine offizielle AfD-Fraktion besitzt. Doch abgesehen davon, dass es gut tut, nicht mehr Sätze wie „Die AfD hat in jedem Länderparlament eine Fraktion“ hören zu müssen, stellt sich noch eine andere Frage: Kann die AfD Parlamentarismus?



Was war eigentlich los?

Laut dem oben genannten Artikel gab es ordentlich Zoff in der AfD-Fraktion. Neben logistischer Probleme der ohnehin schon kleinsten Fraktion in der Bürgerschaft sei Fraktionsvorsitzender Thomas Jürgewitz das Hauptproblem gewesen. Soweit es der Artikel hergibt, gibt es wohl erhebliche Spannungen in gewissen Machtfragen. Genauer gesagt um Frank Magnitz, der laut Jürgewitz den Hals nicht voll genug kriegen kann, und neben seinem Doppelmandat Bundestags-/Bürgerschaftsabgeordneter auch noch Fraktionsvorsitzender werden wollte.

Jürgewitz selbst wollte diesen ursprünglich für ihn vorgesehenen Posten nicht räumen, worauf es zum Eklat kam. Magnitz hingegen begründete seine Ansprüche damit, dass er im Wahlkampf am meisten Präsenz gezeigt habe. Jürgewitz hält entgegen, in seinem Wahlkreis in Bremerhaven habe die AfD deutlich besser abgeschnitten als in der Stadt Bremen, wo Magnitz´ Revier liegt. Auch der Bundesvorstand hat sich mittlerweile eingeschalten.

Er forderte zuerst Magnitz auf, sich für eines seiner beiden Mandate zu entscheiden und das andere niederzulegen (hier). Dabei wurden auch Probleme im Verhältnis Magnitz-AfD auf Bundesebene deutlich. Magnitz jedoch besteht trotz aller Kritik auf allen Ämtern. Magnitz sorgte schon seit einer Weile für Spannungen in der AfD – doch es gibt einen ganz besonderen Grund, warum das lange toleriert wurde.

die bedeutung der Kantholz-affäre

Ja, vielleicht hat der eine oder andere Leser beim Name „Magnitz“ eine ganz besondere Erinnerung: Nämlich die an die sogenannte „Kantholz-Affäre“. Damals war Magnitz angeblich von Linksextremen mit einem Kantholz niedergeschlagen worden. Die Tat ging durch die Medien, nebst medienwirksam platzierten Bildern von Magnitz nach dem Schlag. Die AfD hatte ihre Opferrolle, Magnitz seinen „Ruhm“. Auch wir haben bereits einige Artikel darüber veröffentlicht:

Fall Magnitz: Helfender Handwerker widerspricht der AfD-Darstellung

Offensichtlich eignete sich Magnitz damals gut für die AfD-Opferrolle. Darum wurden sämtliche innerparteilichen Querelen großzügig unter den Teppich gekehrt. Doch wie so oft verschwand der Fall mit der Zeit aus den Medien. Magnitz war nicht mehr von Interesse für die Publicity der AfD. Und siehe da: Am 03.09. droht der Bund ihm bereits mit einem Parteiausschlussverfahren. So schnell kann es gehen in der AfD. Das weitere Schicksal des Frank Magnitz ist unklar. Sicherlich wird es auch für Trubel sorgen, wenn Magnitz ohne Probleme rausfliegt, während der rechtsextreme Björn Höcke immer wieder um den Parteiausschluss herumkommt. Doch die eigentliche Aussage der Causa „Magnitz“ ist eine andere.

selbstoffenbarung á la AfD

Der Kernpunkt ist nämlich nicht, dass sich eine AfD-Fraktion aufgelöst hat. Das mag „schön“ sein und vielleicht auch für Häme sorgen. Aber vor allem zeigt es ein grundsätzliches Problem der AfD: In der Partei geht es vor allem um Macht. Politische Inhalte und Parlamentarismus sind zweitrangig. Das zeigt sich schon in der Zusammensetzung der Partei.

Alexander Gauland (CDU), Guido Reil (SPD), Jörg Urban (Piraten), Beatrix von Storch (FDP) – ihre Biographie ähnelt sich erstaunlich: Bei einer anderen Partei sind sie gescheitert oder standen immer in der zweiten Reihe, fühlten sich als Außenseiter. In der AfD hingegen erlangten sie Zuspruch und höhere Positionen. Der Ruf schneller, einfacher Karriere war und ist sehr verlockend.

Zusammengehalten wird die AfD dabei nur durch das gemeinsame, großzügige Feindbild. Bei vielen AfDlern reichen die Faktoren Macht und Feindbild aus, sie in der Fraktion zu halten – immer öfter ist auch das Gegenteil der Fall.

Die AfD Fraktion des 6. sächsischen Landtags verlor beispielsweise über die Legislaturperiode ganze 5 von 14 Abgeordneten (Quelle). Die AfD-Fraktion des 7. Landtages von Sachsen-Anhalt verlor 4 von 25 Mitgliedern, eines sogar an die CDU (Quelle). In Baden-Württemberg entstand eine chaotische Situation, nachdem 15 von 23 AfD-Abgeordneten die Fraktion verließen, sich ihr später teilweise wieder anschlossen (Quelle). Wir sehen also: Machtspielchen pur.

Fazit?

Wer die AfD wählt, wählt keine „Kritik“. Er verpasst keine „Denkzettel an CDU und Co.“, er verarscht sich selbst nur noch mehr. Die AfD ist keine Partei des Parlamentarismus – es geht den Abgeordneten eher darum, endlich auch einmal eine Machtposition auszuüben. Die Bezüge sollen ja auch nicht schlecht sein.

Doch bald merken viele dieser Abgeordneten: Auch Parlamentsarbeit ist nicht so einfach, solange man an eine ständig meckernde Fraktion mit ihren Feindbildern gebunden ist. Deswegen gibt es bei der AfD so viele Austritte – und bei den demokratischen Parteien verhältnismäßig wenige. Und hin und wieder wird wohl auch mal eine AfD-Fraktion aufgelöst – wie jetzt in Bremen.

Die 10 peinlichsten Aktionen der AfD im Bundestag

Artikelbild: pixabay.com, CC0