7.770

Querdenker-Urteile der Woche (KW 34)

von | Aug 30, 2022 | Serie

Zuletzt hatten wir immer öfter über einzelne Urteile und Ermittlungen gegen „Querdenker“ aus der Pandemie-Leugner-Szene berichtet. Ähnlich wie die AfD sind sog. „Querdenker“ offenbar überdurchschnittlich kriminell, das hängt wohl mit ihrem Extremismus zusammen – und den vielen Überschneidungen in ihrer Ideologie. Wir berichteten über eine verurteilte Reichsbürgerin & Ex-AfD-Stadträtin, die einen Polizisten gebissen hatte (mehr dazu), vier Monate Gefängnis für einen Querdenker wegen Todesdrohungen (mehr dazu), Verurteilung wegen Nötigung gegen Querdenker (mehr dazu) und viele mehr. Über die vielen, vielen Ermittlungen und Urteile der Querdenker-Szene haben wir schon im Juli einen Artikel gemacht, in dem wir viele Fälle gesammelt haben.

Da es im dritten Pandemiejahr nun aber fast täglich eine „Querdenker“-Verurteilung gibt, haben wir uns entschlossen, nicht mehr über jeden Fall einzeln zu berichten, sondern ab sofort Sammelartikel zu erstellen. Sozusagen die „Querdenker-Verurteilungen der Woche“. Sonst verliert man ja vor lauter Querdenke(r)n noch irgendwann den Überblick ;).

„Querdenker mit Leib und seele“ In Weiden verurteilt

Der sich „mit Leib und Seele“ als „Querdenker“ bezeichnende Helmut B. wurde wegen Beihilfe zu öffentlichen Straftaten in 34 Fällen zu elf Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung und einer Geldstrafe von 1200€ verurteilt. Darunter fielen auch 17 Fälle wegen Volksverhetzung. Der Zeitraum der Straftaten erstreckt sich von 2019 bis 2021. Helmut B. ist bereits mehrfach verurteilt gewesen. Auszüge seiner widerwärtigen Äußerungen finden sich in der verlinkten Quelle. Da wir die Hassrede nicht reproduzieren möchten, verzichten wir an dieser Stelle auf die auszugsweise Darstellung der Kommentare. Vor Gericht bezog er Stellung zu den vorgehaltenen Zitaten und erklärte:

„Ich habe diese Gruppe nicht gegründet, um Hass zu schüren, sondern als Diskussionsforum zu Corona und dem Klimawandel.“

Helmut B.

Da B. sich nach erneuter Rücksprache schließlich geständig zeigte, einigte sich das Gericht im Rahmen einer sog. „Verständigung im Strafverfahren“ auf elf Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung sowie 1200€ Geldstrafe. Geschlossen wurde die Facebook-Gruppe voller Hasskommentare erst nach einer Anzeige eines couragierten Mitglieds des Oberpfälzer Bündnis für Toleranz und Menschenrechte, worauf eine Hausdurchsuchung erfolgte. Der Oberstaatsanwalt Voit bescheinigte B. eine hervorragende Sozialprognose und erklärte, Helmut B. sei ein „Gegner von Gewalt“. Er blieb in seiner Forderung schließlich noch unter den Forderungen der Verteidigerin von B.

Helmut B.s Gewaltabneigung sieht man hier:

https://twitter.com/ResiLucetti/status/1562109845423136771?s=20&t=kWfLYOmvOEZTKFCJH49iSQ

Ob sich B. künftig straffrei führt, darf bezweifelt werden.

Rechte Spaziergänge in Gera: Haftstrafe

Eine weitere Querdenker-Verurteilung gab es in Gera: Zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis lautete das Urteil für einen der Anführer, der die Geraer Coronaproteste initiierte. Die Anklage lautete auf Fahren ohne Fahrerlaubnis, Diebstahl in besonders schwerem Fall in drei Fällen und Hehlerei in vier Fällen. Der Verurteilte ging in Berufung, da ihm das zuvor verhängte Strafmaß des Amtsgerichts Gera aus 2020 zu hoch erschien. Das Landgericht „reduzierte“ das Strafmaß im Hinblick auf die „lange Verfahrensdauer“. Dennoch muss er ins Gefängnis und die Haftstrafe dort verbüßen, da nur Haftstrafen bis zu zwei Jahren auf Bewährung ausgesetzt werden können. Mit zwei Jahren und sechs Monaten überschreitet er diese Grenze. Laut MDR gilt er nicht nur als Anführer dieser Spaziergänge, sondern gehört auch zur rechtsradikalen Szene der Stadt. Wie die Ostthüringer Zeitung berichtet, soll er zudem einem Liedermacher aus der rechtsextremen Szene eine Auftrittsmöglichkeit geboten haben.

Erfurt: Mordaufruf gegen Prof. Drosten endet mit Verwarnung

Die im Januar 2021 bei Facebook gepostete Forderung eines 63-Jährigen, den Virologen Prof. Dr. Christian Drosten zu erschießen, fällt im Strafgesetzbuch unter den § 111 – Öffentliche Aufforderung zu Straftaten. Als Strafmaß vorgesehen wäre eine Geldstrafe oder sogar Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. In diesem Fall ging der 63-Jährige jedoch lediglich mit einer „Verwarnung“ aus dem Prozess. Er muss nur dann 1.000€ Geldstrafe zahlen, wenn er innerhalb der nächsten zwei Jahre noch einmal auffällig wird. Die Staatsanwaltschaft Erfurt ging zunächst in Berufung, da ihr das Urteil des Amtsgerichts Gera zu milde ausfiel. Die Staatsanwaltschaft hat ein generalpräventives Urteil vermisst. Die Begründung des Richters in der Berufungsverhandlung vor dem Landgericht Gera war, sagen wir mal, interessant:

Natürlich sei das ein starkes Wort, sagte der Vorsitzende. Aber der Mann sei reuig, einsichtig, geständig und nicht vorbestraft. Wahrscheinlich sei er noch nie bei Rot über die Ampel gegangen, sagte der Richter. Der Angeklagte nickte. Strafmildernd müsse auch berücksichtigt werden, dass der Mann nach dem Post an Covid erkrankte und auch Symptome zeigte. Wieder nickte der Angeklagte. Und außerdem, sagte der Richter, sei das alles schon ziemlich lange her.

https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/erfurt/drosten-facebook-prozess-gericht-hass-rede-100.html

Kritik zu dem Urteil gab es vor allem auch von der Amadeu Antonio Stiftung:

https://twitter.com/AmadeuAntonio/status/1556976587253358597

Hier geht es zum MDR-Podcast, der noch einmal mehr Hintergründe zum Prozess liefert.

Wie wichtig „Querdenkern“ die Regeln und Gesetze dieses Staates, vor allem die Pressefreiheit, sind, haben sie schon mehrfach unter Beweis gestellt. Ausgerechnet die Leute, die ständig davon sprechen, dass man seine/ihre Meinung nicht mehr frei äußern könne, wollten die Presse (mund-)tot machen:

Artikelbild: Anelo