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NPD-Funktionär in Altenstadt gewählt, CDU-AfD-Fraktion in Frankenstein gebildet

von | Sep 8, 2019 | Aktuelles, Kolumnen, Schwer verpetzt

der Anfang vom Ende der Demokratie?

Die „Frankenstein-Koalition“ von AfD und CDU in der gleichnamigen Stadt sorgte für viel Entsetzen in demokratischen Kreisen. Nun kam der nächste Schocker: In Altenstadt in Hessen haben Vertreter von SPD, CDU und FDP einen Neonazi und NPD-Parteifunktionär zum Ortsvorsteher gewählt. Der Hintergrund macht es umso absurder: Nicht nur habe kein demokratischer Politiker zur Auswahl gestanden, der NPDler wurde auch noch gewählt, weil man „keinen Jüngeren [hatte], der sich mit Computer auskennt, der Mails verschicken kann.“ [sic] (Quelle)

Es sind nur zwei Beispiele von Lokalpolitik, aber zwei Beispiele, in denen Vertreter*innen demokratischer Parteien mit Politikern von AfD und NPD politische Bündnisse eingehen oder sie wählen. In jedem Fall wird den Politikern dieser rechtsextremen Parteien politische Macht verliehen – nicht durch den Wähler, sondern durch Zusammenarbeit mit den anderen Parteien darüber hinaus. Das führte zu viel Entsetzen. Ist das aber jetzt der Anfang vom Ende der Demokratie, ein Dammbruch, der Faschisten an die Macht bringt?



Noch kein grund zu panik

Die Vorwürfe an die CDU und die anderen Parteien als Ganzes kann man erst einmal noch stecken lassen. Denn das waren alleinige Entscheidungen einiger LokalpolitikerInnen entgegen der Richtlinien und ausdrücklichen Vorgabe ihrer Parteien. Das „erste AfD-CDU-Bündnis“ in Frankenstein ist zwischen einem Ehepaar, was anders zu bewerten ist als die bewusste Entscheidung der Zusammenarbeit mit einem Vertreter einer in großen Teilen rechtsextremen Partei.

„Was mein Mann und ich machen, ist gelebte Demokratie“, verteidigt sich die CDUlerin. Was sie nicht bedenkt: Sie kann den ganzen Tag Koalitionen mit AfD-Politikern eingehen. Aber dann nicht als CDU-Politikerin. Der Kreis-Vorstand hat die Koalition scharf kritisiert und wird sie aus der Partei ausschließen. Es war ein Alleingang einer Frau, die offensichtlich in der CDU fehl am Platz ist (Quelle). Auch die Entscheidung von Altenstadt stößt auf heftigen Widerstand:

Die Parteien rechtfertigen sich damit, dass die Parteivertreter teilweise (bei CDU und FDP) keine Parteimitglieder waren und nur über die Liste in den Ortsbeirat gewählt wurden. Alle verurteilen diese Entscheidung und gehen dagegen vor. Ausreden oder alles andere als ein Dammbruch?

Wann es gefährlich werden könnte

Dass es selbst in der Lokalpolitik so weit kommen konnte, könnte man als Indiz des „Rechtsrucks“ in der Parteienlandschaft werten. Und daran ist sicherlich etwas wahr. Vor allem die CDU hat sich aus taktischen Gründen schon auf AfD-Stimmen verlassen (Mehr dazu). Es gibt Stimmen von rechten Provokateuren in der CDU, die eine AfD-CDU-Koalition in Sachsen fordern. Und es ist richtig, dass so ein Tabubruch weitreichende Konsequenzen für unsere Demokratie hätte, hier mehr dazu:

So kann die CDU im Herbst den Untergang der AfD herbeiführen

Doch der Damm hält noch. Die CDU schmeißt ihr Parteimitglied heraus, sodass eine offizielle „CDU-AfD-Koalition“ hoffentlich bald wieder Geschichte ist. Die Wahl in Altenstadt wird hoffentlich auch noch heftiger sanktioniert als nur mit verbalen Verurteilungen. Bestenfalls rückgängig gemacht oder mit Parteiausschlüssen bestraft. Denn ja, hier sind rote Linien übertreten worden. Und das ist besorgniserregend. Doch die demokratischen Parteien sind Parteien mit vielen tausenden Mitgliedern mit unterschiedlichen Einstellungen.

„Blackout der Demokratie“

So ein „Blackout der Demokratie“ (Myriam Gellner, Grüne) kann passieren, aber er darf nicht folgenlos bleiben. Er muss ein Skandal bleiben. Und er musst verurteilt werden. Aber das passiert bisher. So etwas wird nicht hingenommen. Noch nicht. Deswegen ist die Empörung und auch das Entsetzen richtig. Aber Panik noch nicht. Wir dürfen dem Faschismus keinen Millimeter Raum lassen. Umso besser, wenn die demokratischen Parteien die Vorgänge in Altenstadt und Frankenstein nicht hinnehmen. Da gehört die CDU auch gelobt, gerade vom linken und grünen Spektrum. Denn wenn das einmal nicht mehr passiert, dann haben wir ein Problem.

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